Ganz gleich ob die Marke Canon, Nikon, Sony oder eine andere im Prospekt erscheint: Vieles, was die großen Kamerahersteller derzeit anbieten oder angekündigt haben, gelangt einfach nicht zum Kunden. Und das gilt nicht nur für neu vorgestellte Produkte. photoscala hat die verfügbaren Informationen zur Liefersituation bei den großen Herstellern zusammengetragen.
Update, 29. Dezember 2021: Sony hat die Produktion weiterer Kameramodelle gestoppt beziehungsweise endgültig eingestellt. Mehr dazu weiter unten.
Erst Corona, jetzt auch noch Chip- und Container-Krise. Im Fotohandel funktioniert seit knapp zwei Jahren nicht mehr alles so reibungslos wie früher. Wer etwa immer noch auf das Anfang Juni vorgestellte Nikon-Makro Z MC 105 mm 1:2,8 VR S wartet, kann ein Lied davon singen. Allenfalls in homöopathischer Dosis scheint Sony die neue Alpha 7 IV zu verabreichen. Bei Canon kommt die neue EOS R3 nur tröpfchenweise an, eine Reihe von Objektiven verzögern sich.
Hierzulande kommentiert praktisch kein Hersteller den Lieferstatus seiner Produkte. Zumindest nicht offiziell. Hinter vorgehaltener Hand fällt dann doch sehr häufig der Begriff „Chipkrise“. Nachdem die Nachfrage nach Halbleitern zu Beginn der Corona-Pandemie in den Keller gerauscht war, absorbieren Auto- und Unterhaltungsindustrie heute praktisch jeden Chip, der irgendwie zu haben ist. Da muss dann aktuell nur ein bestimmter Gyrosensor nicht verfügbar sein, und die gesamte Produktion eines Kameramodells stockt.
Die asiatische Höflichkeit gebietet es aber offenbar, dass die Stammhäuser in Japan die eine oder andere Info zum Lieferstatus ihrer Produkte veröffentlichen. Die Begründung liest sich fast immer gleich: Die Nachfrage sei deutlich höher als erwartet.
Canon
Bei Canon treffen Produktions- und Lieferschwierigkeiten besonders hart die EOS R3 sowie das RF 14-35mm F4 L IS USM. Canon Japan spricht bei beiden Produkten von Lieferzeiten länger als ein halbes Jahr. Nicht näher bezeichnete Lieferverzögerungen gibt es auch bei den Objektiven RF 16mm F2.8 STM, RF 100-400mm F5.6-8 IS USM und RF4 00mm F2.8 L IS USM.
Nikon
Die gute Nachricht zuerst: Die Nikon Z 9 soll tatsächlich noch dieses Jahr ausgeliefert werden, und zwar ab 24. Dezember. Die neuen Objektive Nikkor Z 24-120mm F/4 S und Nikkor Z 100-400mm F/4.5-5.6 VR S sind offenbar bereits erhältlich. Und wieder zu haben sind das AF-S Nikkor 180-400mm F/4E TC1.4 FL ED VRsowie diverses Zubehör, wie Nikon Japan mitteilt.
Einstellen musste Nikon die Produktion der Super-Zoomer Coolpix B600. Die Bridge-Kamera mit 1440 Millimeter Maximalbrennweite kam erst vor zwei Jahren auf den Markt. Laut Nikon Japan gibt es keine Aussicht, unverzichtbare Bauteile zukünftig noch zu erhalten.
Panasonic
Panasonic bekommt die im Mai 2021 angekündigte GH6 dieses Jahr nicht mehr fertig. Das teilt Panasonic Japan mit und stellt das neue MFT-Spitzenmodell für Anfang 2022 in Aussicht.
Sony
Kaum vorgestellt, schon gibt es Lieferschwierigkeiten bei der Alpha 7 IV von Sony. Wie Sony Japan mitteilt, ist die Bestellmenge weitaus höher, als das Unternehmen vorausgesehen hat. Es kann also zu unvorhergesehen Lieferverzögerungen kommen.
Die erst vor knapp fünf Monaten vorgestellte Vlogging-Kamera ZV-E10 kann derzeit nicht produziert werden, Sony fehlen wichtige Bauteile. Sony verspricht, alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Produktion der ZV-E10 wieder aufnehmen zu können.
Die Produktion der Alpha 7 II, Alpha 6400 und Alpha 6100 hat Sony ebenfalls wegen fehlender Chips gestoppt, Distributoren können diese Modelle nicht mehr bestellen. Kurios: die silberne Ausführung der Alpha 6100 ist nicht vom Produktionsstop betroffen. Ob Sony die Herstellung der genannten Kameras wieder aufnahmen wird, ist ungewiss. In der Mitteilung von Sony Japan heißt es sinngemäß: Man werde die Bestellannahme wieder in Betracht ziehen, wenn der Chip-Engpass beseitigt ist.
Update, 29. Dezember 2021: Inzwischen hat Sony auch die Produktion der Alpha 7C sowie der Alpha 6600gestoppt. Neue Bestellungen nimmt Sony Japan derzeit nicht mehr entgegen, ob bestehende Orders erfüllt werden können, ist ungewiss. Beide Modelle sind relativ neu, die Alpha 7C kam erst im Herbst letzten Jahres heraus, die Alpha 6600 hat Sony im Sommer 2019 eingeführt. Ob und gegebenenfalls wann die Produktion der Alpha 7C und der Alpha 6600 wieder aufgenommen wird, lässt Sony offen.
Sony Japan teilt zudem mit, dass die bereits unterbrochene Produktion der Alpha 7 II und Alpha 6100 nicht mehr aufgenommen wird, beide Modelle laufen endgültig aus.
Ich warte seit Mitte Juli auf ein bestelltes Fuji XF 2.8/27 mm WR. Keine Info zu einem evtl. Liefertermin. Kurios im Gegensatz dazu war ein neu vorgestelltes und direkt bestelltes Samyang 2.0/12 mm X für Fuji schon nach zwei Wochen bei mir. Drei Wochen vor dem angekündigten Ausliefertermin.
Daran müssen wir uns wohl noch lange gewöhnen. Darf halt nur nichts kaputt gehen. Vor allem nichts mit Chip.
Ich habe in den 80ern Elektrotechnik studiert und danach sehr, sehr viele Projekte in der Hard- und Firmware-Entwicklung durchgeführt. Was "damals" nicht nur absolut üblich war, sondern in der Regel VERPFLICHTEND, war, das für jedes Bauteil mindestens eine "Second Source" zur Verfügung stand (also ein Ersatzlieferant). So gab es z.B. die CPUs von Intel aus der damaligen Zeit (8085, 8088, 8086, 80286 -> IBM PC, IBM AT) nicht nur von Intel, sondern auch z.B. von Siemens (aus eigener Fertigung!) und AMD und noch einigen anderen (man hätte ohne diese Verträge gar keine industriellen Abnehmer gefunden!).
Jetzt (also seit min. 10 Jahren) verlässt "man" sich komplett auf einzelne Zulieferer, fällt auch nur ein einziger – egal aus welchen Gründen – aus, ist die Katastrophe da… Und "In House" fehlt inzwischen komplett das Know How für diese ausgelagerten Baugruppen.
Dieselbe Idiotie des oberen Managements wie bei der "Just-in-Time-Lieferung"….
Daran musste ich beim Lesen des Artikels auch lesen, aber das ist heute immer noch so. Zumindest bei Unternehmen die ein gutes Risikomanagement haben. Da die genannten Hersteller alles keine dahergelaufenen Start-Ups sind UND aus Japan kommen sind, kann man – denke ich – sehr gut davon ausgehen, dass die ihre Prozesse im Griff haben. Der Chip-Mangel trifft auch Unternehmen der Automobilbranche und die haben zu 100 % Second Sources für ihre Produkte.
Das ist "wishfull thinking" in der Autoindustrie…
Wie Peter schon schrieb: "wishful thinking"…
Die Auto-Industrie (und nicht nur die) lässt sich komplette Baugruppen zuliefern, nach Ausschreibung oder Patent-Situation usw. von einem speziellen Hersteller (z.B. Bosch oder Conti). In deren Baugruppen stecken wieder Unterbaugruppen der nächsten Ebene von Subunternehmern…
Richtig ist allerdings, dass manche Steuercomputer durch Exemplare anderer Lieferanten ersetzt werden können – nur darin werkeln wieder dieselben CPUs, die wieder nur ein einziger Hersteller fertigt…
Aus meiner Sicht ist das, was Tesla macht, die einzig richtige Strategie: die Fertigungstiefe wieder extrem erhöhen, damit möglichst 99% Knowhow In-House vorhanden ist und die Entwicklungsabteilung auf Probleme reagieren kann. (das bei Tesla auch nicht alles "rund" läuft, ist eine andere Sache)
Richtig. Wobei es sich ja mittlerweile nicht mehr nur um CPUs oder derart komplexe ICs handelt. Es fehlt inzwischen genauso an kleinen uCs, stinknormalen Transistoren, Standard-ICs usw. Der Hersteller TI, der in der Vergangenheit fast alles aufgekauft hat, was auch nur entfernt nach Konkurrenz aussah, hat Lieferzeiten von 1-2 Jahren auf simple Regler (lineare und geschaltete). Weil es inzwischen alle betrifft bis hin zu solchen autarken Riesen wie Sony und Panasonic, werden wohl interne Fehler (Ausdünnen alternativer Hersteller bis hinunter auf die Si/Wafer-Ebene) die Ursachen sein.
Offensichtlich haben diverse Chiphersteller Lieferschwierigkeiten, so dass es deren Kunden nicht oder zumindest nicht für deren gesamtes Programm hilft, mit mehreren Lieferanten zu arbeiten.