Fujifilm GFX100 II: Erster Eindruck von der Mittelformat-Rakete

Anfang der Woche hat Fujifilm die Mittelformat-Kamera GFX100 II vorgestellt. Im Fokus der Neuerungen: Ein schnellerer Bildsensor gepaart mit einem leistungsstarken X-Prozessor 5 und vergrößertem Arbeitsspeicher. Das und noch mehr soll dem 102-Megapixel-Boliden bei Autofokus, Serienbildrate und Videoaufnahmen auf ein Leistungsniveau heben, das im Mittelformat bislang unerreicht ist. Ob das gelingt? Wie sich die GFX100 II in der Praxis schlägt, konnte Martin Vieten bereits auf dem X Summit in Stockholm ausprobieren.

Mit dieser klaren Aufgabenteilung zwischen dem Klein- und Mittelformat könnte jetzt Schluss sein: Denn Fujifilm bringt mit der GFX100 II eine Mittelformat-Spiegellose, die es in Sachen „Speed“ schon fast mit aktuellen Kleinbildkameras aufnehmen kann. Gut 8 Bilder/s schießt sie bei voller Auflösung von 102 Megapixel und bietet dabei noch eine nahezu unbegrenzte Pufferkapazität. Hinzu kommt ein AF-System, dessen Motiverkennung und -Verfolgung das Niveau aktueller Kleinbildkameras erreichen will.

Möglich wird diese Leistungssteigerung unter anderem durch einen neu entwickelten Bildsensor sowie einen besonders schnellen X-Prozessor 5. Davon profitieren übrigens nicht nur Fotografen, sondern auch Videofilmer: die GFX 100 II bietet ihnen Features und Leistungsmerkmale, die weit über das bisher übliche Maß hinausgehen.

Die GFX100 II in die Hand genommen

Anders als bei ihrer Vorgängerin, der GFX100, verzichtet die GFX100 II auf den integrierten Hochformatgriff. Keine schlechte Idee von Fujifilm, denn so konnte die Neue auf ein gut handhabbares Gewicht von rund einem Kilo abgespeckt werden. Wer unbedingt einen zusätzlichen Hochformatgriff braucht, bekommt ihn in Form des VG-GFX II (549 Euro) als Zubehör. Ich habe ihn bei meinen Aufnahmen mit der GFX100 II in Stockholm aber nicht vermisst.

Trotz der Abspeckmaßnahmen bleibt die GFX100 II eine etwas klobige Kamera. Immerhin eine, die dank des ausgeprägten Griffs gut in der Hand liegt. Ihre Bedienung hat mir wenig Rätsel aufgegeben: Über das frei programmierbare Q-Menü sind alle wichtigen Funktionen auf Knopfdruck erreichbar. ISO-Empfindlichkeit, Belichtungskorrektur oder andere Parameter nach Wahl lassen sich über die drei neuen Funktionstasten am Schulterdisplay mit Daumen oder Frontrad bequem einstellen.

Ein Highlight der GFX100 II: Das große Schulterdisplay mit überarbeiteten Layout.

Nicht so gut gefallen hat mir, dass Daumen- und Frontrad recht leichtgängig sind. Da verstellt sich zu schnell etwa, etwa wenn man die Kamera aus einer engen Tasche zieht. Und die Gestaltung des Joysticks dürfte Fujifilm für meinen Geschmack auch noch einmal überdenken – ich finde ihn zu klein und nicht ganz optimal platziert. Doch genug gemeckert, insgesamt lässt sich die GFX100 II gut und leicht bedienen. Dazu trägt auch der reaktionsfreudige Touchscreen bei. Und vor allem das informative Schulterdisplay, das Fujifilm bei der GFX 100 II ordentlich vergrößert hat.

Durch den Sucher (und aufs Display) geschaut

Bereits die Vorgängerin bot (vor vier Jahren) einen überragend guten elektronischen Sucher. Bei der GFX100 II legt Fujifilm noch einmal eine Schippe drauf: 9,44 Millionen dots (2048 x 1536 Pixel) beträgt die Auflösung des EVF bei 1,0facher Vergrößerung. Ich habe noch nie in einen derart großen und hochaufgelösten Sucher geblickt wie dem der GFX100 II! Winziger Nachteil: Das Sucherbild wird „nur“ mit 60 Hz angezeigt. Mir reicht diese Bildwiederholrate völlig, da gibt es kein Flimmern und keine Schlieren bei schnellen Schwenks. Wer dennoch mehr will, kann den Sucher auf 120 Hz umschalten – dann bei 0,77facher Vergrößerung und 5,76 Millionen dots wie bei der Vorgängerin.

Der Sucher steckt weiterhin im Systemschuh der Kamera, bei Bedarf lässt er sich über den bekannten Adapter EVF-TL1 an die Kamera ankoppeln und dann in vielfältiger Weise hochklappen und drehen.

Booster gezündet: AF und Bilderserien

Fujifilm hat bei der GFX100 II einen Booster gezündet, die Kamera ist deutlich schneller als ihre Vorgängerin. 8 Bilder/s sind für die Mittelformatkamera kein Problem – bei voller Auflösung von 102 Megapixel und mit mechanischem Verschluss wohlgemerkt! Und dabei hat die GFX100 II Puste ohne Ende: Steckt eine schnelle CFexpress-Karte im Schacht, hält sie das Tempo laut Fujifilm für rund 300 Aufnahmen im Raw-Format durch. Ist das JPG-Format gewählt, fasst der Pufferspeicher sogar mehr als 1000 Bilder.

Möglich wird dieser Geschwindigkeitsrausch durch viele Einzelmaßnahmen. Zunächst einmal hat Fujifilm den Sensor auf Trab gebracht, er liefert die Daten etwa doppelt so fix wie bei der Vorgängerin. Ferner hat Fujifilm der GFX100 II den aktuellen X-Prozessor 5 implantiert – er rechnet nicht nur schneller, sondern kann auch noch mehr. Und um das Nadelöhr Speicherkarte zu umgehen, stattet Fujifilm die GFX100 II mit üppigen 16 Gigabyte (Fujifilm selbst spricht etwas irreführend von „128 Gigabit“) Pufferspeicher aus.

8 Bilder/s machen sich auch im Studio gut, wenn sich das Model schnell bewegt.

Letztendlich bleibt das solide Gewicht der GFX100 II (und das eines etwaigen Teleobjektivs), mit dem sie eher nicht zur Sport- und Actionkamera in den Stadien dieser Welt avancieren wird. Davon abgesehen macht sie ihren Job ausgesprochen gut. Bei Serienbildern mit elektronischem Verschluss ist mir keine Unterbrechung des grandiosen Sucherbilds aufgefallen, die CFexpress-Karte war selbst nach längeren Bildserien gerade einmal handwarm. Und schließlich profitiert man auch abseits der Sportplätze von der hohen Serienbildrate der GFX100 II – etwa bei Belichtungs- oder Fokusreihen.

Vom deutlich leistungsstärkeren X-Prozessor 5 profitiert auch das AF-System der GFX100 II. Ich hatte kaum Gelegenheit, es an seine Grenzen zu bringen (etwa mit schnellen Action-Szenen). So muss ich erst einmal auf die Infos von Fujifilm verlassen. Demnach wurden in der GFX100 II alle AF-Funktionen vereint, die Fujifilm seit rund einem Jahr mit der X-H2S, X-H2, X-T5 und X-S20 eingeführt hat. Dazu gehören etwa eine KI-gestützte Motiv- und Gesichtserkennung, eine stark verbesserte Tracking-Funktion sowie ein in allen Lagen deutlich fixer agierender Autofokus.

Wie treffsicher der Autofokus arbeitet, hat mir die GFX100 II im schwachen Einstelllicht einer klassischen Studioszene gezeigt. Da war das Auge des dunkelhäutigen Modells kaum zu erkennen, und trotzdem hat es der Eye-AF sicher im Sucher markiert, scharf gestellt und auch bei raschen Bewegungen des Models (siehe Bildfolge oben) nicht aus dem Fokus gelassen.

Bei dieser im Einstelllicht noch deutlich spärlicher erhellten Szenerie hat der Augen-AF der GFX100 II die Schärfe perfekt auf die Augen des Modells nachgeführt. (Klick ins Bild öffnet 100%-Ausschnitt).

Video: Unendliche Möglichkeiten

Schneller Bildsensor und leistungsstarken Prozessor – dieses Paar bildet eine gute Basis für Videoaufnahmen. Und Fujifilm reizt die Möglichkeiten dieses Gespanns in Regionen aus, die für klassische Fotokameras bislang unerreichbar waren. Dabei steht allerdings nicht mehr der ambitionierte Videoamateur oder Semi-Profi im Fokus – Fujifilm richtet sich mit der GFX100 II ganz klar auch an die Kino- und Werbefilm-Industrie.

Ein Setup für die Filmproduktion, bei dem die GFX100 II fast verschwindet.

Ausprobiert habe ich die Videofunktionen der GFX100 II nicht. Wer mit dieser Kamera filmen möchte, unterliegt praktisch keinen Beschränkungen. Einzig bei Aufnahmen in 8K-Auflösung wird nur ein Bereich des Sensors entsprechend APS-C ausgelesen (mit entsprechender „Brennweitenverlängerung“ für das angesetzte Objektiv). Ansonsten erlaubt es die großformatige Sensors mit einem entsprechend großen Bildkreis nahezu jedes Cine-Objektiv an die GFX100 II anzusetzen.

Bildqualität

Auf den ersten Blick kann ich zur Bildqualität (nur) alles sagen, was ich bereits zu den Fotos mit der Vorgängerin beigetragen habe: 102 Megapixel auf einem Sensor im „kleinen“ Mittelformat (44 x 33 mm) dürften für die meisten Fotografinnen und Fotografen kaum noch Wünsche offen lassen.

Ich kann das bestätigen, denn ich konnte bereits eifrig mit der GFX100 II fotografieren, Ergebnisse in voller Auflösung darf ich hier allerdings (noch) nicht zeigen. Wir müssen uns vorerst auf die Angaben von Fujifilm verlassen, wie die GFX100 II in Sachen Bildqualität verbessert wurde. Demnach wurde beim neu konstruierten Sensor die Kapazität der Fotodioden um 30 Prozent erhöht. Damit konnte die Basisempfindlichkeit auf ISO 80 gesenkt werden, der Dynamikumfang hat um 30 Prozent zugenommen. Zudem hat Fujifilm die Mikrolinsen an den Rändern des Sensors für eine bessere Lichtausbeute neu gestaltet. So soll die Randschärfe verbessert werden.

Hinzu kommen Verbesserungen beziehungsweise Erleichterungen für die Aufnahmepraxis. Dazu zählt ein verbesserter Bildstabilisator, der jetzt einen Zugewinn von bis zu 8 EV verspricht. Neu hinzugekommen ist eine Funktion, die per 4fach-Aufnahme und Pixelshift RGB-Bilder mit voller Farbinformation aufzeichnet und so die Farbauflösung verbessert. Geblieben ist die Möglichkeit, mit 16facher Aufnahmen die Auflösung auf über 400 Megapixel hochzutreiben. Und nicht zu vergessen: 8 Bilder/s schafft der mechanische Verschluss – unschöne Rolling-Shutter-Effekte durch den elektronischen Verschluss lassen sich also gut ausschließen.

Mit der GFX100 II erhält man nicht nur eine exzellente Bildqualität, sie liefert auch diesen besonderen „Mittelformat-Look“. Er zeichnet sich durch eine klare Trennung von scharfen und unscharfen Bildbereichen aus, wobei die Objektive Unscharfes möglichst soft und fließend wiedergeben sollen. Ein Wunsch, den unter anderem das neue GF55mm F1.7 R WR voll und ganz erfüllt.

Mein erstes Fazit

Schon vor vier Jahren habe ich in meinem ersten Eindruck zur GFX100 geschrieben, dass mit ihr die Mittelformat-Fotografie so einfach wird wie mit einer DSLR. Die jetzt vorgestellte GFX100 II verwischt in der Praxis die Grenze zu aktuellen Kleinbild-Spiegellosen noch stärker. Sie ist dank Verzicht auf einen integrierten Hochformatgriff deutlich handlicher geworden. Vor allem aber hat sie ein AF-System erhalten, das auf der Höhe der Zeit ist und gut mit den 8 Bilder/s der GFX100 II mithält. Damit wird die Kamera zur wahren Mittelformat-Rakete, ohne klassische Tugenden des großen Sensorformats zu vernachlässigen: die Bildqualität und den besonderen Look der Aufnahmen. Als Sahnehäubchen gibt es obendrein noch Videofunktionen, wie sie bislang bei weitem nicht in dieser Kameraklasse zu finden waren. Für mich ist die GFX100 II derzeit eine der besten Kameras überhaupt, die im Vergleich zu ihrer Vorgängerin nicht nur deutlich verbessert, sondern auch noch 3000 Euro günstiger wurde.

Technische Daten: Fujifilm GFX100 II