Kürzlich fand sich die Panasonic Lumix S1R für ein paar Tage in der Redaktion und im Fotostudio von photoscala ein. Eine gute Gelegenheit, um ausgewählten Objektiven der L-Mount-Allianz auf den Zahn zu fühlen: neben dem S PRO 70-200mm F/4 von Panasonic waren das Leica APO-Summicron-SL 1:2/90 ASPH sowie das 35mm F1,4 DG HSM | Art mit Adapter MC-21 von Sigma dabei.

Ob Sony E, Nikon Z oder Canon R – ein neues Kamerasystem startet eigentlich immer mit einer schweren Bürde: Die Objektivauswahl ist zu klein. Dieses Problem haben Leica, Panasonic und Sigma vor einem knappen Jahr gelöst, indem sie sich zur L-Mount-Allianz zusammengeschlossen haben. Dadurch stehen für Panasonics neue Kleinbildspiegellose vom Start weg nicht nur drei hauseigene Objektive bereit, sondern auch die von Leica (für die SL) und viele von Sigma (derzeit allerdings nur via Adapter MC-21).

Doch klappt das wirklich: Leica SL-Objektive an der Lumix S1R? Und wie steht’s mit den adaptierten Sigma-Linsen? Das wollte ich doch gerne einmal ausprobieren. Da traf es sich gut, dass bereits Shootings mit Julia und Alina-Tamara vereinbart waren – an Motiven sollte also kein Mangel sein.

Allerdings: Um der Kamera eingehend auf den Zahn zu fühlen, fehlte mir ein wenig die Zeit. Ich habe zwar intensiv mit der Panasonic Lumix S1R fotografiert – aber eben hauptsächlich an drei Tagen beim Model-Shooting. Ist aber kein Beinbruch, denn ich habe mich ja mit der S1 und S1R schon einmal beschäftigt.

Die Kamera: Panasonic Lumix S1R

Die Lumix S1R ist (zusammen mit ihrer kleinen Schwester S1) Panasonics erstes Spiegellose mit einem Kleinbildsensor. Sie löst mit rund 47 Megapixel sehr hoch auf. Im Gegensatz zu anderen Kameras ihrer Klasse fällt die S1R schwer und wuchtig aus, in der Hand wirkt sie solide wie ein Panzer. Bei der Arbeit im Studio und on location hat mich das nicht gestört, eher im Gegenteil: Das große Gehäuse bietet viele dedizierte Bedienelemente, auf der rechten Schulter gibt’s ein üppiges Statusdisplay. Der elektronische Sucher gehört für mich zu den besten, die derzeit zu haben sind – er löst mit 5,76 Millionen dots extrem fein auf, die Sucherbildvergrößerung toppt mit 0,78x die meisten DSLRs.

Beim Modelshooting ist ein schneller, zuverlässiger Autofokus besonders wichtig. Und da hat die Lumix S1R einiges auf der Pfanne. Sie erkennt nicht nur Gesichter und Augen von Menschen, sondern auch Körper. Letzteres ist eine feine Sache, wenn sich das Model bewegt, etwa auf einem Laufsteg – theoretisch zumindest.

Der Augen-AF der S1R hat es mir besonders angetan. Er funktioniert sogar dann noch zuverlässig, wenn die Augen teilweise verdeckt sind, von einem Schleier etwa. Eine zum Vergleich herangezogene Sony Alpha 7R III hatte in diesem sichtbar Probleme. Zwar erkannte sie ebenfalls die Augen zuverlässig, fokussierte jedoch auf den Schleier.

Kurios: Die S1R erkennt Gesichter und Augen nur, wenn die Kamera halbwegs ordentlich horizontal oder vertikal ausgerichtet ist. Sobald der Horizont jedoch sichtbar schief durchs Bild läuft, versagen Gesichts- und Augenerkennung.

Nicht ganz so glücklich bin ich mit der Leistung des Nachführ-AF der S1R. Der Autofokus hat bereits Schwierigkeiten, das Model in der Schärfeebene zu halten, wenn es flott auf die Kamera zu schreitet. Am Objektiv lag’s übrigens nicht, ausprobiert habe ich es mit dem Leica APO-Summicron-SL 1:2/90 ASPH sowie dem S PRO 70-200mm F/4 von Panasonic.

Zuverlässiger Autofokus …

Die Lumix S1R stellt auch bei weit geöffneter Blende (hier das Leica APO-Summicron-SL 1:2/90 ASPH @ F/2.8) zuverlässig scharf …

… dank Pupillenerkennung

… wie der 100%-Ausschnitt eindrucksvoll bestätigt.

Augen-AF mit Netz: Panasonic

Der sehr gute Augen-AF der Panasonic S1R lässt sich selbst dann nicht aus dem Tritt bringen, wenn ein Schleier oder Netz vor den Augen des Models hängt.

Augen-AF mit Netz: Sony

Ganz anders die Sony Alpha 7R III: Ihr AF-System erkennt das Auge zwar ebenfalls zuverlässig, stellt jedoch stur auf das Netz vor der Pupille scharf. (Foto: Andreas Schmidt)

Model schräg

Allerdings: Liegen die Augen nicht auf einer waagerechten Linie im Bild, kann sie die Panasonic S1R nicht erkennen. Eine Szenario, mit dem wiederum die Sony Alpha 7R III problemlos zurechtkommt.

Nachführ-AF

So gut der statische Autofokus ist – sobald die Panasonic S1R den Fokus nachführen soll, schwächelt sie. Der Ausschnitt rechts oben zeigt eine 100%-Ansicht.

Erneut hat mir die JPEG-Abstimmung von Panasonic sehr gut gefallen. Zwar habe ich fast ausschließlich in RAW aufgezeichnet, aber die wenigen JPEGs begeistern mich im Bildstil „Portrait“ mit einer zurückhaltenden Farbwiedergabe. Hauttöne gibt die S1R ganz leicht kühl wieder, doch differenziert dabei feinste Unterschiede.

Das Porträtobjektiv: Leica APO-Summicron-SL 1:2/90 ASPH

Auf den ersten Blick ist das APO-Summicron-SL 1:2/90 ASPH mit einer Anfangsblende von F/2.0 nicht sonderlich lichtstark. Dafür baut es für ein Objektiv seiner Klasse sehr kompakt – mit einem Gewicht von gerade einmal 700 Gramm und schlanken 67 Millimeter Filterdurchmesser.

Die mechanische Qualität des 4800-Euro-Objektivs ist superb. Und es geht mit der S1R von Panasonic eine innige Verbindung ein. Der Autofokus funktioniert tadellos, die Kamera stellt das 90er Summicron schnell und leise scharf. Ebenso reibungslos funktioniert die Blendensteuerung via Kamera sowie überhaupt der gesamte Datenverkehr zwischen Objektiv und Kamera. Kurzum: Das Summicron-SL wirkt, als wäre es schom immer für die Panasonic-Kamera gebaut worden.

Leica verspricht, dass das 90er Summicron dank seines hohen Kontrasts scharfe und unscharfe Bildbereiche sehr fein trennt – und daher gut auf das letzte Quäntchen Lichtstärke (und damit Tiefenunschärfe) verzichten kann. Und einmal Hand aufs Herz: Wer braucht schon Blende F/1.4 bei Porträtaufnahmen? Damit ein Gesicht von der Nasenspitze bis zum Ohransatz scharf ist, sollte doch wenigstens auf F/5.6 abgeblendet werden.

Hinzu kommt: Das APO-Summicron-SL 1:2/90 ASPH ist absolut Offenblende-tauglich. Bereits bei F/2.0 bildet es im Verein mit der S1R geradezu beängstigend scharf und detailreich ab. Dass das Leica-Objektiv die 47 Megapixel der Panasonic mühelos bedienen kann, sollte angesichts seines Preises eine Selbstverständlichkeit sein. Dabei zeigt das hervorragende Objektiv praktisch keinerlei Abbilungsfehler: chromatische Aberrationen sind hervorragend auskorriegiert (auch sogenannte Bokeh-CAs), Verzeichnung und Vignettierung konnte ich nicht ausmachen.

Kurzum: Das Portraitobjektiv Leica APO-Summicron-SL 1:2/90 ASPH passt hervorragend zur Panasonic S1R. Seine optische Qualität ist hervorragend, das Zusammenspiel mit der Kamera funktioniert perfekt.

Bokeh bei Offenblende

Das Leica APO-Summicron-SL 1:2/90 ASPH zeichnet ein sehr schönes Bokeh, vor und hinter der Schärfeebene (wie hier).

Bokeh leicht abgeblendet

Übrigens nicht nur bei Offenblende, sondern auch leicht abgeblendet (hier F/2.5) bleiben Hinter- und gegebenenfalls Vordergrund wunderbar cremig …

100%-Ausschnitt

… wobei der 90er Summicron in der Fokusebene extrem scharf und detailreich abbildet (wie der 100%-Ausschnitt aus dem vorherigen Bild zeigt).

Korrekturprofile

An der hervorragenden Abbildungsleistung des APO-Summicron-SL 1:2/90 ASPH haben auch die festverdrahteten Korrekturprofile in Lightroom ihren Anteil.

Die Reportagebrennweite: Sigma 35mm F1.4 DG HSM Art adaptiert via Mount Converter MC-21

Neben Leica und Panasonic ist Sigma der Dritte im Bunde der L-Mount-Allianz. Zwar gibt es von Sigma noch keine Objektive mit L-Bajonett (zumindest nicht zum Testzeitpunkt), jedoch den „Mount Converter“ MC-21. Mit seiner Hilfe lassen sich derzeit 29 Sigma-Objektiv mit Canon EF- beziehungsweise Sigma SA-Bajonett an die Panasonic S1R adaptieren. Allerdings: Mit adaptierten Objektiven ist das ja oft so eine Sache – ob’s gut geht, habe ich mit der Reportagebrennweite Sigma 35mm F1.4 DG HSM aus der hochwertigen Art-Familie ausprobiert.

Rund 1050 Euro ruft Sigma für das sehr lichtstarke 35er auf, der Straßenpreis liegt deutlich darunter. Dafür gibt es zunächst einmal ein Objektiv, das groß und schwer ist (67 mm Filtergewinde, 665 g Gewicht), aber auch wie für die Ewigkeit gebaut zu sein scheint. Sigma will bei der Art-Serie eben mit klassischen Mitteln – und nicht mit elektronischen Tricksereien – eine höchste optische Güte erzielen, und das geht nur mit einer entsprechenden Anzahl sowie ausreichend dimensionierten Linsen.

Dass ich das Sigma 35mm Art mithilfe eines Adapters an die S1R angesetzt habe, ist nach wenigen Minuten vergessen. Autofokus, Blendensteuerung, Datenübertragung – alles funktioniert so reibungslos, als wäre die Kombination aus Objektiv und Adapter eigens für die Panasonic-Kamera gebaut worden. Auch das für ein derartiges Objektiv recht hohe Gewicht spürt man nicht, mit der wuchtigen S1R hat man sogar weitaus massigere Objektive fest im Griff.

Mit seiner hohen Abbildungsleistung passt das Sigma 35mm Art ebenfalls hervorragend zur Panansonic S1R. In Sachen Schärfe und Detailwiedergabe steht es dem 90er von Leica kaum nach, lediglich bei Offenblende F/1.4 ist das Sigma-Objektiv etwas weicher. Abbildungsfehler sind dem 35mm F1.4 DG HSM ebenfalls praktisch fremd – weder verzeichnet und vignettiert es, noch neigt es zu chromatischer Aberration. Ausgesprochen gut gefällt mir die Bokeh-Wiedergabe, die weit besser ist, als ich es von einem Weitwinkelobjektiv erwartet hätte.

Offenblende

Dank seiner sehr hohen Lichtstärke F/1.4 beherrscht das Sigma 35mm F1.4 DG HSM Art das Spiel von Schärfe und Unschärfe perfekt.

Schärfe

Dabei liefert es eine hohe Grundschärfe und bildet auch feinste Details ab, wie dieser 100%-Ausschnitt aus dem vorherigen Bild zeigt.

Bokeh

Ein weiteres Beispiel für das sehr schöne Bokeh, das das Sigma 35mm F1.4 DG HSM Art zeichnet – selbst hier bei F/1.8.

Obwohl das Sigma 35mm F1.4 DG HSM | Art derzeit nur via Adapter MC-21 an der S1R zu gebrauchen ist, hat mich die Kombination ebenfalls sehr überzeugt. Optisch ist das Objektiv exzellent, das Zusammenspiel mit der Kamera funktioniert bestens. Und das alles zu einem wirklich fairen Preis.

Telezoom für alle Fälle: Panasonic Lumix S PRO 70-200mm F/4

Zugegeben: Das Panasonic S PRO 70-200 mm / F4 ist bei meinen Shootings etwas zu kurz gekommen. Zu groß war einfach die Versuchung, mit dem hervorragenden Summicron oder dem spannenden 35er von Sigma zu fotografieren. Aber ganz vergessen habe ich das Telezom von Panasonic nicht.

Das Zoom von Panasonic ist ebenfalls sehr robust gebaut, fast ein Kilo Gewicht und ein 77er-Filterdruchmesser sprechen da eine klare Sprache. Nicht weniger als 23 Elemente in 17 Gruppen bilden den optischen Aufbau. Reicht der Aufwand für eine sehr hohe Abbildungsleistung?

Ausprobiert habe ich es vor allem bei Offenblende. Und obwohl die mit F/4 nicht sehr lichtstark ausfällt, reicht sie allemal, um zum langen Teleende hin ein Porträt deutlich von Vorder- und Hintergrund zu lösen. Indes: Ganz so zwingend wie bei den Festbrennweiten von Sigma und Leica ist der Schärfeeindruck mit dem S PRO 70-200mm F/4 voll aufgeblendet nicht. Er geht aber völlig in Ordnung, ebenso das Bokeh, dass für ein Zoomobjektiv weich ausfällt.

Abbildungsleistungen

Die Abbildungsleistungen des Zoomobjektivs S PRO 70-200mm/F4 können sich sehen lassen. Das Bokeh ist weiche, Farbsäume an Kontrastkanten hat Panasonic nahezu vollständig auskorrigiert.

Schärfe und Details

Ganz so zwingend wie bei den beiden Festbrennweiten ist der Schärfeeindruck beim Panasonic S PRO 70-200 mm / F4 zwar nicht (hier: 100%-Ausschnitt bei Offenblende). Das Objektiv ist aber alles andere als ein Weichzeichner. 

Mein Fazit zum L-Mount-Treffen

Kurz und schmerzlos: Leica-SL- und Sigma-Objektive funktionieren wunderbar an der S1R von Panasonic. Sowohl das APO-Summicron-SL 1:2/90 ASPH wie das adaptierte 35mm F1,4 DG HSM | Art fühlen sich im Einsatz an, als seien sie genau für die Lumix S1r gemacht. Das geht sogar soweit, dass die passenden Korrekturprofile für die Objektiv-/Kamerapaarung bereits in Lightroom hinterlegt sind.

Beim Model-Shooting haben mich aber nicht nur die eingesetzten Objektive überzeugt, sondern auch die Kamera, die Panasonic S1R. Ihr Autofokus ist auf der Höhe der Zeit (solange er die Schärfe nicht nachführen muss), der Augen-AF funktioniert hervorragend und die Bildqualität der 47-Megapixel-Kamera muss sich nicht hinter der Konkurrenz verstecken. Das alles hat Panasonic in ein robustes Gehäuse gepackt, dass sich trotz (oder wegen?) seine Größe hervorragend bedienen lässt.

Dank der Unterstützung durch seine Objektiv-Partner der L-Mount-Allianz legt Panasonic einen fulminanten Start ins spiegellose Kleinbildsystem hin. Wer nach der passenden Spiegellosen für hochwertige Sigma-Art-Objektiv oder Leica-SL-Linsen sucht, sollte die S1R unbedingt ausprobieren!