Am 30. August 2016 starb der französische Fotograf Marc Riboud, der Fotograf des Blumenmädchens. photoscala-Autor Marc Peschke erinnert an Leben und Werk eines der größten französischen Bildautoren.

Marc Riboud, am 24. Juni 1923 in Lyon geboren, war eine Legende der Fotografie – das kann man ohne Übertreibung sagen. Das langjährige Mitglied der Fotoagentur Magnum Photos begann schon als 14jähriger zu fotografieren: Damals, 1937, dokumentierte er die Weltausstellung in Paris – mit einer gebrauchten Kodak-Taschenkamera. Seitdem folgt er seinem Credo: „… das stärkste Leben so intensiv wie möglich zu photographieren“.

Ribouds ganz frühe Karriere wurde unterbrochen. Der Krieg brach aus, Frankreich wurde besetzt. Riboud ging in den Widerstand, kämpfte in der Résistance. Nach dem Krieg studierte er Maschinenbau in Lyon, doch übersiedelte er bald nach Paris und entschied sich, ein Fotografen-Leben zu führen. Hier traf er Robert Capa und Henri Cartier-Bresson und wurde schnell Mitglied der neuen Fotoagentur Magnum, später sogar ihr Präsident.

Jetzt entstehen die Bilder, die man von Riboud kennt, die Fotogeschichte geschrieben haben, die zu Ikonen wurden. In Indien fotografierte er, in China, das er 1965 mit der Eisenbahn bereiste, in Nepal, der Sowjetunion, in Afrika, aber auch immer wieder in Paris. An der Seine macht er seine bekanntesten Bilder – wie etwa jenes des Anstreichers auf dem Eiffelturm: Wie ein Tänzer steht er da, „Le Peintre de la Tour Eiffel“, aufgenommen 1953. Soviel Gelassenheit, soviel Grazie über dem Abgrund. Eine Haltung voller Poesie. Der Alltag: ein Spiel. „Life“ druckt das Bild. Der erste große Erfolg.

Marc Riboud: „Le Peintre de la Tour Eiffel“.

Marc Riboud: „Le Peintre de la Tour Eiffel“.

Riboud reiste mit dem Auto von Alaska bis Mexiko und fotografierte. Er arbeitete in Kambodscha, in Nord- und Südvietnam, in Jugoslawien, in der Tschechoslowakei und in Polen. Er war der Chronist der afrikanischen Unabhängigkeitsbestrebungen in den sechziger Jahren, die er in Dokumentarfotografien festhielt, die das Genre des Fotojournalismus transzendierten. Riboud hält die Wirklichkeit fest, doch mehr als das: Seine afrikanischen Bilder, die in Ländern wie Algerien, Nigeria, Kongo oder Ghana entstanden, zeigen eine Welt im Umbruch, symbolisieren den Fortschrittsgeist, das Selbstbewusstsein der afrikanischen Länder nach der kolonialen Ära.

Vor allem Cartier-Bresson war ein früher Förderer von Riboud. „Durch ihn habe ich die mathematischen Kniffe der Komposition gelernt, eine Facette der Fotografie, die man durchaus mit der Malerei vergleichen kann“, so Riboud. Cartier-Bresson gefiel die Unmittelbarkeit der Bilder des jungen Fotografen, die Nähe zu seinen Sujets, das Unverstellte im Blick, aber auch die intuitiv erfassten Schönheiten der Kompositionen, des Helldunkels, des Ausschnitts. „Ich fühle noch oft diese doppelte Spannung“, hat Riboud einmal gesagt, „die Angst, eine Intimität zu zerstören, indem ich mich ihr nähere, und gleichzeitig diese Sehnsucht, so nah wie möglich das aufzunehmen, was meine Augen nicht zu sehen wagen.“

Marc Riboud: „La Jeune Fille à la fleur“.

Marc Riboud: „La Jeune Fille à la fleur“.

Riboud schuf fotografische Ikonen des 20. Jahrhunderts, wie etwa auch „La Jeune Fille à la fleur“: jene junge Friedensaktivistin, die sich 1967 in Washington den Bajonetten des US-Militärs mit einer einzigen Blume in der Hand entgegenstellt. Ein perfektes Sinnbild für die grenzenlose Kraft des gewaltlosen Widerstands. Bild gewordenes Lebensmotto des Fotografen: „Meine Zwangsvorstellung: das stärkste Leben so intensiv wie möglich zu photographieren. Es ist eine Manie, ein dermaßen starkes Virus für mich wie der Unabhängigkeitsreflex.“ Am 30. August 2016 starb Riboud im Alter von 93 Jahren nach langer Krankheit in Paris – mit ihm geht ein weiterer der großen französischen Bildautoren unserer Zeit.

PS: Die hier gezeigten Arbeiten von Marc Riboud sind in der in focus Galerie B.- Arnold, in 50996 Köln, Hauptstraße 114 zu sehen.

PPS: Das Titelbild hat Rolf Philips fotografiert.

(Marc Peschke)