Ein vergangenes Ostberlin, österreichische Fotografie, Porträts von Giacometti, Architekturfotografie von Lucien Clergue und schließlich eine junge Erfurter Fotokünstlerin. All das steckt in dieser Ausgabe von Foto-Frisch!
Fotos: Ron Jagers
Es sind in den vergangenen Jahren viele Fotobücher erschienen, die sich der Lebenswelt der ehemaligen DDR widmen. Auch „Hinter der Stille“, fotografiert von Ron Jagers, ist so ein Buch. Der Prenzlauer Berg in den achtziger Jahren: Wie anders sah das aus! Ein bröckelndes Zuhause für die DDR-Kultur-Bohème, ein Alltag in maroden Mietskasernen viel ist spürbar von dem, was den Mythos des Prenzlauer Bergs ausmacht. Texte des Berliner Autors Andreas H. Apelt spüren diesem Mythos auf sensible Art und Weise nach.
Robert Paris, Berlin-Friedrichshain, Bahnhof Warschauer Str, 1983
Robert Paris, Berlin-Mitte, Sprengung eines Teils der Friedrichstraßenpassage
Im gleichen Verlag ist auch das Buch „Entschwundene Stadt“ von Robert Paris erschienen. Und auch hier das gleiche Bild: verfallene, leere Straßen, verwaiste Plätze, bröckelnde Fassaden. Immer steckt in diesen Bildern des Sohns von Helga Paris ein wenig Trauer, dass nichts mehr von früher da ist. Trauer um die Vergänglichkeit.
Bernhard Fuchs, Ohne Titel, 1993
Silbergelatine auf Barytpapier, 30 x 23 cm
© Bernhard Fuchs, Österreichische Fotogalerie / Museum der Moderne Salzburg, Foto: Hubert Auer
Richard Kratochwill, Ikonen des 20. Jahrhunderts (Blatt 8), 1974
SW-Fotografie, 32 x 25 cm
© Österreichische Fotogalerie / Museum der Moderne Salzburg
„Fotos. Österreichische Fotografie von den 1930ern bis heute“ heißt ein Band, der anlässlich einer Ausstellung im 21er Haus in Wien erschienen ist (siehe auch: Bestandsaufnahme der österreichischen Kunstfotografie). Das Buch will „die“ österreichische Fotografie als Ganzes präsentieren, jenseits jeder chronologischen Ordnung und Hierarchisierung. Herausgekommen ist dabei ein Werk, das sich dem Zufallsprinzip verbunden fühlt. Das ist zumindest eine neue Idee.
Bleiben wir in Österreich. Ulrich Seidls Buch „Paradies. Liebe Glaube Hoffnung“ erschienen bei Hatje Cantz, zeigt Standbilder und Aufnahmen vom Set von Seidls Filmtrilogie „Paradies“. Von filmischen Werken also, die in den vergangenen Jahren kontrovers diskutiert worden sind. Der 1952 in Wien geborene Regisseur ist ein Filmemacher, der überaus fotografisch arbeitet, wie in diesem Buch deutlich wird. Sein Blick auf den weiblichen Körper (auf Sextouristinnen, Teenager in einem Diätcamp und missionierende Katholikinnen) ist geprägt von einer schonungslosen Offenheit und Intimität.
Arbeiten von Mario Asef
Mario Asefs Buch „Crossfade“ treibt uns erneut fort von der reinen Fotokunst. Doch darum geht es hier ja auch immer: gegen die Grenzen der Medien zu denken, sich umzuschauen in den Randbereichen des Fotografischen. Das bei Kerber erschienene Buch des argentinischen Künstlers stellt Videos, Fotografien, Collagen und Installationen vor, wie etwa die Videoarbeit „Crossfade“, die sich mit der historischen Massenmigration zwischen Südamerika und Europa beschäftigt.
Atelierecke mit Bildern von Giovanni und Alberto Giacometti. / Alberto Giacometti mit Farbpalette während des Malens.
Copyright © 2013 Ernst Scheidegger-Archiv
„Alberto Giacometti. Spuren einer Freundschaft“ ist ein veritabler Klassiker des Fotobuchs, der nun in erweiterter Fassung neu verlegt wurde. Das Buch des Magnum-Fotografen Ernst Scheidegger, des Verlagsgründers von Scheidegger & Spiess, schildert die Freundschaft des Fotografen und des Bildhauers in Porträts und Atelierszenen, deren persönliche Sichtweise bis heute berührt. Das Buch bietet auch einen reichen Einblick in das kulturelle Leben des Nachkriegsparis.
Lucien Clergue, Alfredos Ceschiattis Plastik As banhistas am Palacio da Alvorada
Lucien Clergue, Wechselspiel der Formen, das Abgeordnetenhaus und das Senatsgebäude
Ein wunderschöner, feiner Band ist auch Lucien Clergues „Brasília“, jetzt erschienen bei Hatje Cantz. Das Buch stellt Clergue erstmals als Architekturfotograf vor mit Bildern der brasilianischen Hauptstadt Brasilia, die Anfang der 60er Jahre entstanden sind. Selten hat ein Fotograf die Architektur Oscar Niemeyers so treffend in Szene gesetzt so voller Sinn für die spannungsreichen Bauten, für die zukunftsoptimistische Philosophie seiner Baukunst.
Am Ende von Foto-Frisch steht wie immer eine Empfehlung, Fotokunst käuflich zu erwerben. Man kann in Onlinegalerien fündig werden, bei Fotokunst-Galerien, auf Kunstmessen, in Auktionshäusern, bei Kunsthändlern oder auch in den Ateliers der Künstler selbst. Wir möchten Ihnen Arbeiten vorstellen, die wir für sammlungswürdig halten angeboten von seriösen Galerien, Verlagen oder Händlern.
Anna Kant, Golden Times, 2013
Diesmal empfehlen wir einige kleine, fotokünstlerische Preziosen, welche die Galerie Rothamel anbietet. Anna Kant ist eine junge Erfurter Fotografin mit einem ganz eigenen Sinn für die Kunst der Körperfotografie. Der kleine Abzug „Golden Times“ (2013, Gold auf Foto, 15 x 10 cm) ist schon für 200 Euro zu haben. Die in Erfurt und Frankfurt am Main beheimatete Galerie bietet noch weitere erschwingliche Unikate der Künstlerin an.
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(Marc Peschke)
Ich warte auf den Tag
an dem aus Dunkeldeutschland die farbenfrohen, lustigen und lebensfreundlichen Bilder gezeigt werden. Ich meinte mich erinnern zu können ab und zu auch mal die Sonne gesehen zu haben, natürlich nicht so häufig wie hier im Westen.
Aber vielleicht ist die Sättigung hier bald so weit und wir bekommen so eine Art Vintage DDR. Wäre auch mal Lustig, dann könnte ich meine eingemottete DDR Fahne wieder vom Dachboden holen und sie für 200,- EUR bei E-bay verschachern, schöner Gedanke.
Ich lese hier immer diese zu
Ich lese hier immer diese zu schnell geschriebenen Sätze wie: [quote]Trauer um die Vergänglichkeit.[/quote] Nö, oder? Vielleicht mal wieder ein ‘ob’ verwenden?
Anyway,
in dieser Zusammenstellung schaut für mich Ulrich Seidl heraus: grosse Themen, fies aber wirksam bearbeitet.