Die amerikanische Fotografin Nan Goldin gilt den einen als bedeutende Protagonistin subjektiver Fotografie, die das eigene Leben in den Fokus nimmt, den anderen als schonungslose Voyeuristin. Jetzt sind in Berlin ihre Berliner Fotos zu sehen, dazu bisher unveröffentlichtes Archivmaterial aus dem Besitz der Künstlerin:
Presseinformation der Berlinische Galerie:
Fotoausstellung vom 20. November 2010 bis 28. März 2011
NAN GOLDIN BERLIN WORK
Fotografien 1984-2009
Nan Goldins Fotografien sind Bilder ihres Lebens. Sie zeigen in unerschöpflicher Fülle die „Familie“ Goldins ihre Freunde, Bekannten, Liebhaber. Seit sie mit 14 Jahren ihr Elternhaus verließ, lebte sie mit einer Subkulturszene von Drag Queens, Transvestiten und Homosexuellen zuerst in Boston und ab 1978 in New York. 1991 kam sie durch ein DAAD-Stipendium nach Berlin und blieb hier mit kurzen Unterbrechungen bis 1994. Seither ist sie immer wieder in die Stadt zurückgekehrt.
In der Ausstellung NAN GOLDIN BERLIN WORK des Landesmuseums für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur werden 80 ausgewählte Fotoarbeiten, die zwischen 1984 und 2009 in Berlin entstanden sind, und dazu bisher unveröffentlichtes Archivmaterial aus dem Besitz der Künstlerin präsentiert. Zwei Bildtableaus, die sogenannten „grids“, leisten als narrative Sequenzen einen wichtigen Beitrag zum Verständnis von Goldins Berlin-Bild, dem Ort ihrer Kreation und Transition.

Nan Goldin: Bea with the blue drink, O-Bar, West-Berlin 1984
© Nan Goldin / Courtesy Matthew Marks Gallery, New York
Nan Goldin: Amanda in the mirror, Berlin 1992
© Nan Goldin / Courtesy Matthew Marks Gallery, New York
Nan Goldin: Self-Portait in my Blue Bathroom, Berlin 1991
© Nan Goldin / Sammlung Berlinische Galerie
Die Ausstellung zeigt in thematischer und chronologischer Form einen Überblick dessen, was Nan Goldin während ihrer ausgiebigen Aufenthalte realisiert hat. Künstlerporträts, Interieurs, Selbstporträts, Stillleben und Straßenszenen geben Einblicke in das Leben einer Bohème jenseits der Klischées. Ihre Fotografien scheinen mit ihrer Schnappschussästhetik keinen Wert auf den sorgfältig komponierten und ausgeführten Farbabzug zu legen. Sie erhebt Personen zum Bildgegenstand, die eher Außenseiterrollen in der Gesellschaft und ihrer visuellen Kultur belegen.
Der Bezug zur Berlinischen Galerie stellt sich nicht nur über den Berlin-Aufenthalt der Künstlerin her. Durch eine Schenkung gelangte im Jahr 1996 die Arbeit „Self-portrait in my blue bathroom“ (1992) in die Sammlung des Landesmuseums. Die Ausstellung knüpft somit an den Bestand des Hauses an und unterstreicht seinen internationalen Charakter. NAN GOLDIN BERLIN WORK vereint zum einen bereits andernorts gezeigte und publizierte Fotos, und präsentiert zum anderen auch vollkommen neues Material.
Die Berlinische Galerie gewährt mit NAN GOLDIN BERLIN WORK einer zeitgenössischen künstlerischen Position breiten Raum und bindet die Ausstellungsaktivitäten des Hauses unter Leitung des neuen Direktors Dr. Thomas Köhler einmal mehr an das aktuelle Kunstgeschehen.

Nan Goldin: Siobhan with a cigarette, Berlin 1994
© Nan Goldin / Courtesy Matthew Marks Gallery, New York
Porträts
Neben der Betonung des autobiografischen Aspekts ihrer Arbeiten haben die Aufnahmen Goldins ebenso dokumentarischen Charakter gegenüber der Undergroundkultur. Während die frühen Arbeiten Goldins lediglich in der Akkumulation zugänglich und zu verstehen sind, so ist in jüngster Zeit eine Konzentration auf das Selbst- und das Einzelporträt zu erkennen. In diesen Porträts versucht sie, sich mit der Kamera dem Inneren der dargestellten Personen anzunähern. Berlin als neuer Erfahrungsort bietet Goldin die Möglichkeit, in die Künstlerszene der Stadt einzutauchen und zu porträtieren. Es entstehen neue, ungewöhnliche Aufnahmen ihrer engsten Freunde aus New York. Während Joey nicht mehr als „Queen“ in schillernden Kostümen auftritt, sondern mit ihrem Freund Andres in intimen Momenten und beim Erleben des Berliner Nachtlebens fotografiert wird, generiert Nan Goldin mit den Porträts von Siobhan eine neue Bildsprache, die mit der weitgehenden Reduktion der Farbigkeit und der formalen Konzentration auf eine Person eine strenge, nachdenkliche Bildform hervorbringt.

Nan Goldin: Nan one month after being battered, 1984
© Nan Goldin / Courtesy Matthew Marks Gallery, New York
Selbstporträts
In ihren frühen Selbstporträts stellt sich Goldin häufig in Beziehung zu anderen Personen dar. Sie präsentiert sich dem Betrachter bei sexuellen Aktivitäten oder setzt sich gar als eine Art „Pin-up“ in Szene. Ferner zeigt sie die körperlich destruktiven Konsequenzen ihrer „gefährlichen Liebschaften“. Der Spiegel wird als metaphorisch aufgeladenes Bildelement immer wieder in die Komposition der Selbstporträts miteingebunden und für Selbstanalyse und Introspektion genutzt. Ihr Selbstporträt im Zug („Self-Portrait on the Train, Germany“, 1992), aber auch das erschütternde Selbstbildnis „Nan after being battered“ zeugen von einer Lebensphase, in der ihr Privatleben einen tiefen Einschnitt erfuhr und die geografische Distanz von den USA einer Suche nach persönlicher Veränderung gleichkam.

Nan Goldin: Hafen Bar, Berlin 1991
© Nan Goldin / Courtesy Matthew Marks Gallery, New York
Interieurs
Immer wieder hat sich Goldin mit Innenräumen beschäftigt. Ein in ihren Fotografien stets wiederkehrendes Motiv sind leere Betten und Hotelzimmer. Nicht nur der Verweis auf das Bett als sexuell konnotiertes Möbelstück ist hierbei wichtig, sondern auch vor allem der transitorische Aspekt eines Ortes, den nacheinander viele unterschiedliche Menschen bewohnen, ohne sich zu kennen. Die Städte, die Goldin bereist, finden sich in der Darstellung der bewohnten Hotelzimmer wieder und reichen von großartigen Suiten in teuren Fünf-Sterne-Hotels über heruntergekommene Absteigen bis zu zerwühlten Matratzenlagern in den WGs der achtziger Jahre und fein komponierten Settings in ihrem eigenen Apartment. Manche der Orte, die sie in ihren Interieuraufnahmen festhielt, wie das Bordell Bel Ami im Grunewald oder die Lützow Lampe Bar in Schöneberg, wirken heute wie Zeitkapseln, die vom allgemeinen Transformationsprozess der 1990er Jahre unberührt blieben.
Stillleben
Die Schnappschussästhetik Goldins täuscht über den Sachverhalt hinweg, dass sie, ausgestattet mit einem geschulten kunsthistorischen Blick, auch Bilder komponiert. Kunsthistorische Verweise, angefangen bei Spiegeln, Bildern und Konstellationen im Bild, lassen evident werden, dass ihre Fotos nicht ausschließlich aus dem Affekt heraus entstehen. Manche der Stillleben sind durchaus als „klassisch“ zu bezeichnen und offenbaren Goldins sensiblen Umgang mit ihren Sujets.
Ausstellung:
Nan Goldin Berlin Work
Fotografien 1984-2009
20. Nov. 2010 28. März 2011
Berlinische Galerie
Alte Jakobstraße 124-128
10969 Berlin
Künstlergespräch Sa 20. Nov., 15.00 Uhr: Gespräch mit Nan Goldin
Öffnungszeiten Mi Mo, 10.00 bis 18.00 Uhr
(thoMas)
Tolles BlaBla
Mich fasziniert, was in banale Fotos hinein interpretiert werden kann: „Ein in ihren Fotografien stets wiederkehrendes Motiv sind leere Betten und Hotelzimmer. Nicht nur der Verweis auf das Bett als sexuell konnotiertes Möbelstück ist hierbei wichtig, sondern auch vor allem der transitorische Aspekt eines Ortes“. Reinhard Mey sang vor Jahren mal in „Anspruchsvoll“: „Im Gegenteil, mein Freund, denn je größer der Stuß, desto höher für den Kritiker der Kunstgenuß“ und „wenn sie gar nichts mehr verstehn, hörst du sie Bravo schrein, überglücklich, endlich in und anspruchsvoll zu sein“. Oder Tucho: „sag’s mit Schmus“.
Jetzt weiß ich, warum ich kein Künstler geworden bin, sondern nur ein normaler Knipser…
Jedem, was ihm gefällt
Der Unterschied zwischen einem Knipser und einem Fotografen ist: Letztere können sehen, sich in das zu fotografierende Objekt einfühlen und dieses Gefühl mit ihrem Werk an andere weitergeben. – Solch eine nachvollziehbare Weitergabe von Empfindungen, das eben schafft der Knipser nicht.
in der tat
Ihre Ausstellung im niederländischen Fotografiemuseum in Rotterdam (Diashows mit Musik über mehrere Räume verteilt) erinnerten in der Tat eher an einen schlecht gemachten, nicht enden wollenden Fotoblog. Man scrollt und scrollt aber kein Ende in Sicht. Viele bunte Bilder. Ist das gut? Mich beeindruckte es wenig. … oder ist es Lomo?
Jetzt weiß ich, warum ich
Jetzt weiß ich, warum ich kein Künstler geworden bin, sondern nur ein normaler Knipser…
genau!!! und vielleicht auch ganz gut so…
Tolles BlaBla
Mich fasziniert, wie hier Logik vorgetäuscht wird. Die Banalität der Fotos wird mit der Beliebigkeit des Kommentars begründet. Jene folgt aber keinesfalls aus dieser.
Ein Knipser
Wo Du recht hast, hast Du recht – Du wirst sicher auch ein normaler Knipser bleiben.
Man muß nicht wissen,
wie man Reinhard May schreibt. Das mit dem „hören“ ist mir natürlich ein wenig peinlich.
Verstecken tue ich mich genau wie Sie hinter Ihrem Schmittkin. Und es gibt gute Gründe, das zu tun.
Ich denke, ich hätte hier in unserem gelehrten Disput sowohl Rainhard May als auch Kurt Tucholsky auf meiner Seite. Rainhard Mai hat ja Tiraden gegen den Spießbürger aufgestoßen und Tuckolki sehe ich auch eher in der Goldin-Ausstellung als mit Ihren Bildbänden.
Haben Sie denn irgendwas anzuführen, vielleicht auch nur „irgendwie“, was gegen Frau Goldin spricht. Außer Ihrer Erleichterung, ein heterosexueller Studienrat zu sein, und nicht ein sexuell nicht festgelegter Junkie?
Und seien Sie doch bitte so freundlich und lösen Sie die Tucholsky-Sache auf.
Es entstehen neue, ungewöhnliche Aufnahmen
Goldins wichtiger Beitrag zur Fotografie besteht auch darin, daß uns diese Aufnahmen heute selbstverständlich erscheinen.
Ja
[quote=Plaubel]Goldins wichtiger Beitrag zur Fotografie besteht auch darin, daß uns diese Aufnahmen heute selbstverständlich erscheinen.[/quote]
leider …
Wertvoll
Die Bilder sind deswegen so Wertvoll, weil sie einen sehr intimen dokumentarischen Einblick in eine gewisse Lebensart geben.
Und zwar nicht – wie sonst üblich – aus der Aussenperspektive, sondern aus der Innenperspektive.
Ähnlich wie Larry Clark, Ryan McGinley, Wolfgang Tilmans und andere.
Dass das die meisten Technik-Nerds hier nicht verstehen verwundert nicht, aber der Erfolg von Nan Goldin scheint ihr Recht zu geben.
Und übrigens ist sie durch diese Bilder berühmt geworden und war es nicht vorher schon (wie hier behauptet wird).
Langweilig
Ach so einer sind Sie.
Schön
auf den Punkt gebracht.
Ja das finde ich auch
Ja, ich kann auch nicht so recht verstehen, wo der Reiz dieser steinalten Bilder liegt.
Sowas mach ich doch heute mit links in nem Bildband mit Musikbegleitung (lege aber Wert drauf Knipser zu sein , ja kein so verschnöselter Künstler wie der Goldin, der kriegt auch noch Geld für den Unfug BUähhhh)
Sowas würd ich doch in die Tonne treten.
Eine Bitte, könnt Ihr Kunstsachverständigen nicht beim Guggengeim- Museum oder beim San Francisco Museum of Modern Art anrufen, das die den Uraltquatsch von der Frau Goldin nicht mal endlich auf den Müll werfen ?
Achja und Rotterdam nicht vergessen.
So und jetzt ab zum Fotohandydrucker ap456, 58thUpdate nr 321 , da seit Ihr besser aufgehoben.