Foto Rudolf MajonicaHandfeste Tipps für sehr bewegte Bilder

„Ein Fotograf zeigt nicht, was er sieht, er zeigt vielmehr, was er zeigen will!“

Welcher kluge Mensch hat das nur gesagt? Ich komme nicht darauf! War es vielleicht doch der berühmte amerikanische Fotograf Robert Mapplethorpe? Wer immer es war: Er hat recht! Manchmal muss man sich also als Fotograf schon etwas einfallen lassen, wenn man ein bestimmtes Anliegen hat, das man darstellen will, zum Beispiel beim Thema „Bewegung im Foto“. Widerspricht diese Aufgabenstellung nicht dem Medium Foto als „Standbild“? Mitnichten – geradezu im Gegenteil: Das Standbild Foto hat viele raffinierte und sehr beeindruckende Möglichkeiten, Bewegung optisch greifbar zu machen.

Foto Rudolf Majonica

Haben Sie schon mal versucht, die Bewegung fließenden Wassers z. B. an einem Wasserfall darzustellen? Am besten schrauben Sie Ihre Kamera dazu auf ein Stativ; damit haben Sie einen festen Aufnahmestandort. Beginnen Sie Ihre Bildreihe mit einer Belichtungszeit von 1/500 s: Auf dem entsprechenden Foto wirkt das fließende Wasser starr, wie eingefroren; verlängern Sie nun schrittweise die Belichtungszeiten bis zu 1/30, ja sogar 1/15 s, wobei Sie natürlich jeweils die Blende des Objektives entsprechend schließen (also höhere Blendenzahl wählen!) müssen – automatisch macht‘s die Blendenautomatik. Vergleichen Sie später die Ergebnisse: Welches Foto zeigt am besten und schönsten das wirklich bewegte Fließen, bei welchem Foto endlich haben Sie den Eindruck, dass das sichtbare Fließen des Wassers auch fast sein Rauschen hörbar macht?

Übung Nummer Zwei: Versuchen Sie, die Fahrbewegung eines Radfahrers einzufangen: Auf einem leeren Parkplatz fährt der Radfahrer – damit die Entfernung stets gleich bleibt – im Halbkreis um Sie herum. Sorgen Sie dafür, dass die Entfernungseinstellung jeweils stimmt! Schwenken Sie Ihre Kamera synchron mit der Geschwindigkeit des Radlers, dann wird der Hintergrund hinter dem Radler unscharf / verwischt abgebildet, der Radler dagegen präzise und scharf. Lassen Sie hingegen den Radfahrer vor der unbewegten Kamera entlangfahren und belichten im richtigen Augenblick mit etwa 1/60 s oder 1/30 s, so wird der Hintergrund wegen der (möglicherweise geringen) Schärfentiefe zwar vielleicht etwas unscharf, aber erkennbar; der Radler dagegen erscheint auf dem Foto in gut verwischter, streifiger Bewegtheit. Diesen Bewegungseindruck können Sie noch erheblich verstärken, wenn Sie Ihre Kamera langsam gegen die Fahrtrichtung des Radlers schwenken. Inwiefern dabei aber noch sinnvolle Fotos entstehen, müssen Sie per Experiment herausfinden.

Mit diesen Übungen bekommen Sie ein Gefühl für den Zusammenhang zwischen Länge der Verschlusszeit und Schnelligkeit der Bewegung.

Für abstrakte Lichtzeichnungen (links ein Beispiel) genügen ein ausreichend langer Autotunnel und ein oder zwei Autos vor Ihnen. In der Dunkelheit des Tunnels öffnet die Kamera selbst bei ISO 100/21° die Blende für 3 bis 6 Sekunden: Zeit genug, dass in dieser Zeit jede Bewegung – Sie selbst halten Ihre Kamera ja auch nicht still! – als bunte Lichtstreifen aufgezeichnet wird. Machen Sie viele Aufnahmen, denn es gibt schon einigen Ausschuss dabei. Dafür sorgen Ihre besten Ergebnisse als echte „Lichtbilder“ überall für große Überraschung, und als Abzüge im Format von 30×45 cm sind sie begehrter Wandschmuck.

Foto Rudolf Majonica

Tiere möglichst genau und bis ins Detail deutlich zu fotografieren, das überlassen Sie in Zukunft doch lieber den Fotografen für Biologiebücher. Sie haben herausgefunden, dass es viel spannender ist, Tiere in ihrer Bewegung mit der Kamera einzufangen. Dafür müssen Sie nicht unbedingt bis nach Lipiza in Slovenien fahren, wo meine Bilder entstanden: Ausflüge aufs Land, galoppierende Pferde auf der Weide, Viehauftrieb oder -abtrieb im Frühjahr bzw. Herbst, last not least der eigene Hund, bieten viele Möglichkeiten, Bewegung in Ihre Bilder zu bringen.

Mein Tipp: Für Aufnahmen bei normalem Tageslicht wählen Sie eine möglichst geringe Empfindlichkeit und offene Blende, denn die geringe Schärfentiefe benötigen Sie trotz „bewegter Unschärfe“!

Um Menschen bewegt in Bewegung zu fotografieren, gibt es viele Möglichkeiten; allzu häufig allerdings stören unpassende Hintergründe. Doch mit wenigen Mitteln können Sie ein kleines eigenes Fotostudio aufbauen. Sorgen Sie vor allem für einen ausreichend großen und dunklen Hintergrund.

Der Stroboskop-Blitz wird im Lexikon für Fotografie „intermittierende Lichtquelle“ genannt. Was er tut? Während der entsprechend langen Belichtungszeit gibt er mehrere Blitze schnell hintereinander ab (die Frequenz ist einstellbar) und erlaubt so, mehrere Phasen auch eines schnellen Bewegungsvorgangs auf ein- und demselben Foto festzuhalten. Dafür muss die Kamera auf einem Stativ stehen; Anzahl und Häufigkeit des Blitzens und die Belichtungszeit der Kamera können aufeinander abgestimmt werden. Haben Sie Lust am Experimentieren? Dann bitte: aber besprechen Sie erst ausführlich mit Ihrem Fotomodell, was Sie planen und was Sie an Bewegung erwarten – und seien Sie nicht zu enttäuscht, wenn Sie zunächst einiges an Lehrgeld zahlen!
 
 

Foto Rudolf Majonica

 
Obiges Foto entstand im Studio mit einer auf Stativ montierten Kamera. Solche Bilder gelingen nur mit ausgebildeten Tänzerinnen oder Tänzern; die Bewegungen von Laien wirken auf solchen Fotos eher unbeholfen bis lächerlich. Seitlich von der Kamera standen zwei Festleuchten, der Tänzer hatte die Aufgabe, vor der Kamera entlang zu tanzen, im entscheidenden Augenblick wurde mit 1/8 s belichtet. Solche Bilder gelingen nur, wenn alle Beteiligten Spaß an solchen Experimenten haben, wenn also die Stimmung und natürlich die Musik stimmen!

Haben Sie Lust bekommen auf bewegte Bilder? Wenn Sie sich das Thema mit einiger Geduld erarbeiten, stehen Ihnen bewegte Zeiten bevor! Bestimmt!

(Text und Fotos: Rudolf Majonica)