Mit dem Superzoom FE 200-600mm F5.6-6.3 G OSS erweitert Sony den (bezahlbaren) Telebereich für sein spiegelloses E-Mount-System beträchtlich. Und das zu einem Preis, der gemessen an den üblichen Sony-Maßstäben nachgerade als günstig zu bezeichnen ist. Ob das Telezoom für rund 2100 Euro seinen Preis wert ist, habe ich gemeinsam mit meinem Kollegen Peter Wenger ausprobiert.
Das brandneue Sony FE 200-600mm F5.6-6.3 G OSS ist zwar nicht das erste 600er für E-Mount. Aber sicherlich eines der interessantes. Denn das FE 100-400mm F4.5-5.6 GM gepaart mit dem 1,4fach-Telekonverter SEL14TC kostet weit über 3000 Euro. Das Sigma 150-600mm F5-6.3 DG OS HSM (das photoscala bereits ausprobiert hat) schwächelt beim Nachführ-AF und wirkt ausgezoomt etwas wackelig. Und dann wäre da noch zum Preis eines gut ausgestatteten Kleinwagens das FE 600 mm F4 GM OSS, das Sony seit Kurzem im Angebot hat (ca. 14.000 Euro).
In diesem Umfeld sieht es tatsächlich aus, als könnten die 2100 Euro, die Sony für das FE 200-600mm F5.6-6.3 G OSS aufruft gut angelegt sein. Vorausgesetzt natürlich, dass man eine derart lange Telebrennweite überhaupt benötigt.
Das Äußere
Das neue Supertele von Sony gehört der G-Linie an. Es ist also nicht ganz so hochwertig wie die Top-Objektive der G-Master-Serie. Nimmt man das FE 200-600mm F5.6-6.3 G OSS in die Hand, merkt man von etwaigen Sparmaßnahmen indes nicht das Geringste. Alles wirkt wertig und robust. Dazu trägt sicherlich auch bei, dass Sony das Supertele innenzoomend ausgeführt hat. Es ändert seine Länge nicht, da gibt es keinen klapprigen Kunststofftubus, der beim Zoomen herausfährt.
Die Kehrseite dieser Konstruktion. Mit über 31 Zentimeter Länge ist das Objektiv ein Riese, der längst nicht in jeden Fotorucksack passt. Ein Leichtgewicht ist das FE 200-600mm F5.6-6.3 G OSS übrigens auch nicht: Es zerrt mit 2,1 Kilo am Bizeps des Fotografen, das Gewicht der Kamera nicht eingerechnet.
Trotz aller Nachteile beim Transport: Im Einsatz ist ein Objektiv mit gleichbleibender Länge einfach praktischer. Da besteht keine Gefahr, dass das Tele plötzlich zusammenschnurrt, wenn mein Kollege Peter Wenger ein Modellflugzeug verfolgt. Oder immer länger wird, sobald man die Kamera über die Schulter hängt.
Wie bei Sony üblich, ist das FE 200-600mm F5.6-6.3 G OSS mit drei Fokusstop-Tasten versehen, die sich wahlweise mit anderen Funktionen belegen lassen. Für meinen Geschmack liegen sie allerdings etwas zu weit vor dem Schwerpunkt des Objektivs, sodass sie sich nicht wirklich bequem erreichen lassen. Hinzu kommen vier Schiebeschalter, mit denen sich der AF ein- und ausschalten lässt, ein Fokuslimiter aktiviert werden kann sowie der optische Bildstabilisator konfiguriert wird.
Wem 600 Millimeter Maximalbrennweite nicht reichen, kann das SEL200600 übrigens noch mit einem Telekonverter kombinieren. Es passen sowohl der 1,4fach-Telekonverter SEL14TC wie auch der 2fach-Konverter SEL20TC. Somit lässt sich die Brennweite auf bis zu 1200 Millimeter hochschrauben – theoretisch.
Der Autofokus
Ein Supertele vom Schlage des das FE 200-600mm F5.6-6.3 G OSS wird in erster Linie bei Motiven zum Einsatz kommen, die einen schnellen Autofokus erfordern. Also bei Sportereignissen etwa oder bei der Wildtierfotografie. Eine große Herausforderung für Kamera und Supertele – denn je länger die Brennweite desto geringer die Tiefenschärfe und umso exakter muss der Autofokus arbeiten.
Erschwert wird dem Autofokus die Arbeit durch die großen Glasmassen (Durchmesser der Frontlinse: 95 Millimeter), die er beim FE 200-600mm F5.6-6.3 G OSS zu bewegen hat. Ob das gut geht?
Zunächst musste das Supertele an einer Sony Alpha 7R III ran. Eine Alpha 9 war leider nicht zur Hand – doch auch die nicht mehr ganz taufrische Alpha 7R III hat in der Regel kein Problem mit dem FE 200-600mm F5.6-6.3 G OSS schnell und exakt scharf zu stellen. Zumindest nicht, wenn sie bei 8 Bilder/Sekunde Redaktionshündin Janna im vollen Lauf beim Apportieren einfangen sollte. Da war fast jeder Schuss ein Treffer! Selbst wenn Janna im hohen Gras schier unterzugehen drohte, blieb ihr der Autofokus hartnäckig auf dem Pelz.
Falls einmal nicht, lag‘s daran, dass sich der AF für ein anderes Ziel entschieden hatte – und nicht etwa daran, dass er zu langsam war. Und noch eine zweite Fehlerquelle für Fokus-Ausreißer deutet sich an: Wie es scheint, bricht die AF-Leistung voll eingezoomt auf 600 Millimeter etwas ein. Vor allem am langen Ende zeigen einige Aufnahmen einen leichten Fehlfokus. Doch bereits bei 520 Millimeter ist alles wieder OK.
Wie nach dem ersten Test mit der Alpha 7R III nicht anders zu erwarten, hat auch die Alpha 6400 (mit dem fortschrittlicheren AF-System) keine Probleme, Sonys Supertele bei höchster Serienbildrate schnell genug und präzise scharf zu stellen. An der kleineren Kamera gab’s ganz andere Schwierigkeiten zu meistern.
Die Praxis
Actionfotos bei 600 Millimeter Brennweite stellen nicht nur Objektiv und Kamera vor einige Herausforderungen, sondern auch den Fotografen. Und die potenzieren sich noch, falls das FE 200-600mm F5.6-6.3 G OSS an einer Halbformatkamera wie der Alpha 6400 eingesetzt wird. Und nochmals, wenn auch noch ein Telekonverter ins Spiel kommt.
Die erste Herausforderung ist es schon einmal, ein Motiv freihand im Sucher zu halten. Das FE 200-600mm F5.6-6.3 G OSS ist zwar mit einem hervorragenden Stabilisator versehen (der zudem mit dem internen Stabi der Alpha 7R III zusammenarbeitet) – aber das Sucherbild wird erst stabilisiert, wenn man den Auslöser (mindestens) halb durchdrückt. Das initialisiert wiederum den Autofokus, was nicht immer gewünscht ist.
Ansonsten macht der Bildstabilisator einen guten Job – wie Peter Wengers Mitzieher vom Modellflugplatz zeigen. Entstanden sind die Fotos mit der Alpha 6400, deren Sensor nicht stabilisiert ist. Das Handling mit der kleinen Alpha 6400 (für die Sony keinen Hochformatgriff bietet) fordert dem Fotografen jedoch einiges ab.
Wer eine noch längere Brennweite benötigt, als das FE 200-600mm F5.6-6.3 G OSS bieten kann, sollte anstelle einer Halbformatkamera und/oder eines Telekonverters eine Kamera mit hochauflösendem Sensor in Betracht ziehen. Alpha 7R III und noch mehr Alpha 7R IV bieten mit 42 respektive 62 Megapixel eine derart hohe Auflösung, dass sich das gewünschte Motiv später bequem herausschneiden lässt.
Bildqualität
Das FE 200-600mm F5.6-6.3 G OSS hat es zwar nicht in Sonys höchste Qualitätsklasse „G Master“ geschafft. Aber Gedanken über die Bildqualität muss man sich deswegen nicht groß machen. Vor allem in Sachen Schärfe und Detailfülle kann das Supertele überzeugen.
Keine Probleme gibt es mit typischen Abbildungsfehlern. Chromatische Aberrationen treten nicht auf (oder werden bereits in der Kamera wirksam korrigiert), die Vignettierung hält sich in Grenzen und die kissenförmige Verzeichnung ist nur schwach ausgeprägt. Wer auf ein besonders weiches und cremiges Bokeh Wert legt, wird allerdings von Sonys neuem Supertele nicht immer überzeugt sein.
Mein Fazit
Mit dem FE 200-600mm F5.6-6.3 G OSS liefert Sony ein grundsolides Super-Telezoom zu einem ordentlichen Preis ab. Es erlaubt sich kaum Schwächen, in Sachen Auflösung und Autofokus überzeugt es gar auf ganzer Linie. Das Handling ist trotz der beachtlichen Abmessungen noch gut, die innenzoomende Konstruktion hat indes ein großes Packmaß zur Folge. Wem 600 Millimeter Brennweite nicht genügen, kann das FE 200-600mm F5.6-6.3 G OSS mit dem 1,4fach-Telekonverter SEL14TC kombinieren – mit nur geringen Einbußen bei Abbildungsleistung und Autofokus-Performance. Wenn es etwas zu kritisieren gibt, dann das Bokeh, das (auch aufgrund der geringen Anfangsblende) etwas harsch ausfällt.
Mitarbeit: Peter Wenger
PRO
- hohe Schärfe, schneller Autofokus
- noch gutes Handling (da innenzoomend)
- Abbildungsfehler (digital) gut auskorrigiert
- gutes Preis-/Leistungsverhältnis
CONTRA
- großes Packmaß (da innenzoomend)
- Bokeh etwas harsch
Technische Daten: Sony FE 200-600mm F5.6-6.3 G OSS
Anschluss | Sony E-Objektiv |
Format | 35-mm-Vollformat |
Brennweite (mm) | 200–600 |
Äquivalente 35-mm-Brennweite (aps-c) | 300–900 |
Elemente und Gruppen | 24/17 |
Sichtwinkel (35 mm) | 12°30'–4°10' |
Sichtwinkel (Aps-C) | 8°–2°40'1 |
Maximale Blendenöffnung (f) | 5,6–6,3 |
Minimale blende (f) | 32–36 |
Blendenlamellen | 11 |
Zirkulare blende | Ja |
Mindestfokussierabstand | 2,4 m |
Maximale Vergrösserung (x) | 0.2 |
Filterdurchmesser (mm) | 95 |
Bildstabilisierung (Steadyshot) | Optischer SteadyShot |
Zoomsystem | Manuell |
Telekonverter-kompatibilität (x1,4) | SEL14TC |
Telekonverter-kompatibilität (x2,0) | SEL20TC |
Streulichtblendentyp | Rund, Bajonett |
Abmessung (B x H) | 111,5 x 318 mm |
Gewicht | 2115 g |
Lieferumfang | Streulichtblende (Modell): ALC-SH157 Vordere Objektivkappe: ALC-F95S Hintere Objektivkappe: ALC-R1EM Softtasche Objektivband |
Vielen Dank für den interessanten Testbericht. Eine Frage hätte ich noch: Sind die gezeigten Fotos alle aus der Hand gemacht worden oder wurde doch ein Einbein benutzt?
Meines Wissens sind alle gezeigten Fotos freihand entstanden.
Genau so in etwa gehört ein bezahlbares Supertele-Zoom konstruiert. Wobei ich sogar sage, das Objektiv ist nicht nur bezahlbar, sondern sogar preiwert. Wenn es überall eine halbe Stufe lichtstärker wäre und dabei unter 5k€ im Preis bliebe, dann wäre es für mich persönlich perfekt. Nichtsdestotrotz ein großes Plus für Sony Nutzer…
Hallo, kann es sein, dass mit dem SEL14TC an der A7R3 der AF auch nur eingeschränkt funktioniert (also nur Kontrast-AF), da die Lichtstärke ja wieder bei F9 liegt?