Seit Mitte Oktober lief auf Kickstarter eine Crowdfunding-Kampagne für die Yashica digiFilm Camera Y35, eine äußerst ungewöhnliche Digitalkamera. Wie bei einer analogen Kamera legen bei der Y35 eingelegte „Filmpatronen“ die wichtigsten Aufnahmeparameter fest. Jetzt ist die Kampagne überaus erfolgreich beendet worden, sodass die Yashica Y35 in besserer Ausführung kommen wird als zunächst projektiert.
Exakt 10.035.296 Hongkong-Dollar, umgerechnet 1.094.400 Euro, hat Yashica für seine digiFilm Camera Y35 auf Kickstarter eingesammelt. Ein Erfolg, mit dem zumindest in der westlichen Welt wohl kaum jemand gerechnet hat. Denn die Y35 vereint die Nachteile der digitalen Fotografie mit denen der analogen. Konfiguriert wird die Kamera über Programmmodule, die Filmpatronen ähneln und wie diese in die Y35 eingelegt werden müssen.
Zumindest technisch wertet Yashica die Y35 nun auf – der überwältigende Erfolg der Kickstarter-Kampagne macht’s möglich. Anstelle eines winzigen 1/3,2-Zoll-Sensors erhält die Y35 jetzt einen kaum größeren 1/2,5-Zoll-Wandler. Und die Lichtstärke des Set-Objektivs wächst von F/2.8 auf F/2.0.
Außerdem hat Yashica weitere „Filmmodule“ angekündigt: Die Patrone „Yashica Blue“ erzeugt blaustichige Bilder, „Unexpected 2017“ gibt den Aufnahmen einen verwaschenen, warmen Look.
Aus Spaß an der Sache
werde ich mir die Y35 kaufen, egal welcher Sensor verbaut wird. Alleine schon die Nachteile, wie „Filme“ einlegen und den Verschlusshebel betätigen fördern das „Entschleunigen“ beim Bilder machen. Kein Display stört die Konzentration beim Blick durch einen Leuchtrahmen Sucher. Dazu noch das ungewisse Kribbeln im Bauch ob die Bilder auch „geworden“ sind. Die Neugierde und die Vorfreude auf dem heimischen PC die Ergebnisse zu kontrollieren sind jeden Cent wert den die Y35
kosten wird.
"Kribbeln im Bauch" kann man auch mit einer Einmalkamera haben.Die Ergebnisse werden ähnlich sein.Gibt`s sogar als Schwarzweiß Modell.Das nenne ich Entschleunigung.
Eine Mal-so-tun-als-ob-ich-eine-Analogkamera-hätte. Aha! Hätten wir nicht gerade erst Dezember, würde ich es für einen Aprilscherz halten.
Auf die Idee jede Einstellung via eines Stückchens wechselbarer Hardware ("digiFilm") extra zu verkaufen, muss man auch erstmal kommen. Da hätte ich auch noch einen Vorschlag: den digiFilm "Film vergessen" oder "Labor hat gepfuscht" mit wahlweise 24 oder 36 schwarzen Bildern für 66 bzw. 100 Euro. Für Urlaub gleich im 6er Pack!
Ich fass es nicht! Ein blaustichiger Elektrofilm!
Und dann macht man in der EBV einen Weißabgleich?
Unter 6 oder 7 Milliarden Menschen sind scheinbar immer genug dabei, die für sowas Geld ausgeben.
Man sollte sich darueber nicht wundern.
Wirft man einen Blick auf die Herkunftsländer der Backer, kommen diese überwiegend aus Asien. Die US-Backer relativieren sich nochmal, wenn man bedenkt, dass viele Mainlander eine US-Kreditkarte haben – so wie ich auch – um dem arg beschränkten chinesischen App-Store zu umgehen. Möglicherweise gilt Gleiches für UK und AUS. Ich wage mal zu behaupten, dass 99% der Backer aus Asien stammen. Die wirtschaftlichen Aussichten und überhaupt das Wirtschaftsklima in Asien ist sehr gut und entsprechend sitzt das Geld deutlich lockerer. So geben die Chinesen im Auslandsurlaub deutlich mehr aus, als die Deutschen, die auf Platz zwei verdrängt wurden. Da kauft man sich nach einem Jahr ein neues iPhone oder Huawei … weil man es kann. Die ca. 1,000 RMB der Yashica sind für die meisten Mittelklassechinesen ein Witz. Den Spaß gönnt man sich einfach. Dies ist ein Punkt.
Der Zweite: Für die meisten Leute, mit denen ich über das Ding gesprochen habe, ist die Yashica ein Schmuck-Accessoire, welches zusätzlich mit ein paar Gimmicks aufgeladen wurde. Kein Mensch, wirklich keiner den ich gesprochen habe, führte irgendwelche technischen Argumente ins Feld. Meine Tochter oder meine Frau würden im Leben keine hässliche Kamera nutzen – scheißegal, was da an Technik drinsteckt. Dito einen Windows-PC usw. Für sie muss ein Hobby auch schön sein. (Wobei der Begriff natürlich fishy ist). Will man technisch argumentieren, dann führt das dazu, dass HB, P1 und Fuji ihre MF und generell die hochpreisigen Kameras, vor allem in Asien abgeworfen werden. So wie Jelly Tea, Instax und nicht zu vergessen der ganze Lomokram, Wellen sind, die in Asien ihren Anfang nahmen, wird man sich im Sekundärmarkt EU/US auf weitere ähnliche Produkte einstellen müssen/dürfen/können.
Der dritte Punkt korrespondiert ein wenig mit den beiden erstgenannten. Z.Z. führt China das Patent-Anmelderanking. Das Innovationsklima und auch die Finanzierung ist in den konfuzianischen Ländern (CN, TW, SP, SK, J) erstklassig. Ich halte es für keinen Zufall, dass z.B. die Androidszene zu beinahe 100% asiatisch geworden ist, dass Firmen wie DJI reihenweise aufpoppen oder dass die eMobilitaet in Asien deutlich weiter entwickelt ist als anderswo. Um nur ein paar Beispiele zu nennen. Dieses innovationsfreudige und finanzielle entspannte Klima sorgt dafuer, dass man SPIELT. Und zwar im besten Sinne des Wortes. Der Größte Teil dieser Produkte verschwindet wieder, aber manches bleibt oder etabliert sich sogar. Ich kann mit vorstellen, dass Fuji anfänglich nicht mit dem Erfolg der Instax gerechnet hat. Verspieltheit gepaart mit Innovationsfreude sind eine unscharfe, aber wichtige Größe für Emerging Markets. Wer mal wissen will, ob es das auch in DE gegeben hat, der schaue in die ersten Illustrierten Deutschlands aus der Gründerzeit. Was wurde dort nicht alles Kurioses – auch in der Fotografie – rausgehauen.
Fazit: Aus 1-3 kann man Schlussfolgerungen ziehen. Will man mehr Produkte in Asien verkaufen, dann muss man auch mal Wege gehen, die einem vielleicht ungewöhnlich vorkommen oder gar widerstreben. Der Sekundärmarkt EU/US kommt dann von ganz allein. Leica hat das m.E. sehr gut erkannt. Und das Wichtigste: Erst mal machen! Nichts ist dämlicher, als auf Foren-Experten oder – was qualitativ auf dem gleichen Niveau läuft – deutschen Marktforschern oder gar Coaches vertrauen. (Ich hab da letztens ne schlimme Sendung im deutschen Unterschichtenfernsehen gesehen. Irgend was mit Tigern oder so.) Einfach mal mit ein paar Asiaten mehrere Flaschen BaiJiu leeren, Karaoke machen und die Ideen sprudeln lassen. Bringt mehr, geht schneller und man versteht Projekte wie die Yashica plötzlich.
Den spielerischen Umgang mit vielen Dingen und keine teutonische Oberlehrer-Mentalität – das lässt ganz andere Visionen und Umsetzungen zu, da gebe ich Ihnen vollkommen Recht.
Was mich fasziniert: Dass aus dem asiatischen Raum (um es nicht nur auf China einzugrenzen) sehr viele filmbasierte Kameras kommen. Gaoersi, Dayi, Chamonix, Wista, Horseman (immer noch erhältlich). Ausserdem gibt es in China viele Fotografen, die mit diesen 'alten' Kameras fantastische Fotos machen. Ich frage mich zwar immer wieder, woher sie die Filme bekommen und den Service für Digitalisierungen, aber da wird es sicher Wege geben, an die wir Europäer nicht einmal im Traum denken. Ist so ähnlich wie in Russland – da frage ich mich ebenfalls, wie die weit ab in der Pampa an einen Imacon X-1 oder X-5 kommen.
Als die Meldung raus kam, habe ich mir einen Kommentar verkniffen. Sonst hätte ich damals schon angemerkt, dass der "Digifilm" Dongle das Aussehen eines APS Film imitiert, die Yashica aber eine Kleinbildkamera war. Schon vergessen, ihr Kickstarter, wie sowas aussah? Ich denke, wir wissen alle, wie groß die elektronische Entsprechung eines Kleinbild- bzw. APS Formates ausfallen müsste. Solche Sensoren gibt es übrigens bereits, ist ja nicht so, dass man da groß was erfinden müsste. Sind jedenfalls größer (und teurer) als eine Sommersprosse, egal wieviele bucklige Zollbruchteile diese jetzt haben mag.
P.S.: Vorschlag für die nächste Generation an Yashica Kickstarter Kameras:
Digitale Version der Yashica Mat 124. Mit 1/2,7" Sensor, welcher mit Klebeband auf ein quadratisches Format maskiert wird. Mit Rollfilmdongle 120, welcher – natürlich in fix programmierten Varianten – verschiedene Negativ- und Dia-Profile bereit hält. Um kein Volumen zu verschwenden, könnte ja eine Li-Ion Zelle drin sein, um das Handy nachzuladen. Das empfhielt sich auch sehr als Sucher, da hier die richtige Haltung des Mittelformatfotografen – Kamera vor der Brust und Blick von oben in den Lichtschacht – gut nachgeahmt wird.
Also ich finde die Idee richtig geil! Wenn mein deutsches Vernunftshirn mir nicht die rote Karte gezeigt hätte, dann hätte ich die knapp 400€ dafür bezahlt.
Gruß
Michael