Vor 110 Jahren erblickte Victor Hasselblad im schwedischen Göteborg das Licht der Welt. Bekannt wurde er als Konstrukteur und Fabrikant der legendären Mittelformatformatkameras, die noch heute seinen Namen tragen. Victor Hasselblad war aber auch Fotograf und hat etwas unfreiwillig Schwedens ersten Satelliten produziert.

Victor Hasselblad wurde am 8 März 1906 in eine Familie geboren, in der die Fotografie bereits eine entscheidende Rolle spielte. Sein Großvater, Arvid Hasselblad, hatte während seiner Hochzeitreise in die USA George Eastman kennengelernt und war seit 1888 mit dem Handelsunternehmen „F.W. Hasselblad & Co.“ alleiniger Distributor für Kodak-Produkte in Schweden. Zunächst glaubte Arvid Hasseblad nicht daran, dass sich mit den Kodak-Produkten Geld verdienen ließe, „doch sie ermöglichten mir immerhin, kostenlos zu fotografieren“ wie er sich erinnerte.

Victor Hasselblad

 

Als Victor Hasselblad zwei Jahre alt war, lief das Fotogeschäft derart glänzend, dass die Familie es in ein eigenständiges Unternehmen, die „Hasselblad’s Fotografiska AB“ ausgliederte. Spätestens als Teenager hat sich Victor Hasseblad erst mit der Fotografie und dann mit der Kameratechnik intensiv beschäftigt. Sein Hobby war es nämlich, Vögel zu beobachten und zu fotografieren, doch für Letzteres schien ihm die seinerzeitigen Kleinbildkameras nicht hochwertig genug.
1924 war es erst einmal vorbei mit den Streifzügen durch Schweden

Wälder. Victor Hasselblad wurde im Alter von 18 Jahren von seinem Vater Karl Erik Hasselblad aus der Schule genommen und in führende Unternehmen der Kameraindustrie geschickt. Erst ging es nach Dresden, damals das weltweit wichtigste Zentrum der optischen Industrie. Aber Victor Hasselblad lernte auch bei George Eastman in Rochester, bevor er nach einigen Jahren Wanderschaft nach Schweden zurückkehrte und in den Fotohandel seines Vaters einstieg. 1937 verließ Victor Hasselblad das elterliche Unternehmen und machte sich mit seinem eigenen Fotogeschäft und -labor „Victor Foto“ selbständig.

Bildband „Flyttfågelstråk“

Im Vorwort zu seinem 1935 veröffentlichten Bildband „Flyttfågelstråk“ mit Vogelaufnahmen
beklagt Victor Hasselblad die Qualität der damals für ihn verfügbaren Kameras.

 

Zu Beginn des zweiten Weltkriegs musste ein Aufklärungsflugzeug der deutschen Luftwaffe in Schweden notlanden. Es fiel mitsamt der Luftbildkamera GXN Handkamera Hk 12.5/7×9 in die Hände schwedischer Militärs und offenbarte deren Schwächen bei der Luftaufklärung. Die schwedische Regierung beauftragte darauf 1940 Victor Hasselblad mit der Konstruktion einer vergleichbaren Kamera. Eigens dazu gründete Victor Hasselblad die kleine Werkstatt Ross AB, die im Schuppen eines Autohauses unterkam. Zusammen mit seinem Bruder und einem Angestellten aus dem Fotoladen entwickelte Victor Hasselblad hier abends zunächst die HK7- und dann 1941 die SKa4-Lufbildkamera.

Die sollte bereits wegweisend für die späteren Kamera-Ikonen von Hasselblad werden. Zwar wies sie mit einer Negativgröße von 12 x 12 cm ein ungewöhnliches Format auf. Aber ihr würfelförmiges Design verweist bereits auf die spätere 1600 F/1000 F und 500 c. Zudem wies die SKa4 einige konstruktive Innovationen auf, die sich auch bei späteren Hasselblad-Kameras wiederfinden – ein auswechselbares Filmback zum Beispiel. 1941 waren in Victor Hasseblads Kameramanufaktur bereits über 20 Angestellte beschäftigt, bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs lieferte sie mehr als 340 Kameras an das schwedische Militär.

Luftbildkamera SKa 4

Bei der 1941 für das schwedische Militär entwickelten Luftbildkamera SKa 4 sind
bereits viele Designeigenschaften der späteren Hasselblad-Kameras erkennbar.

 

1942 starb Karl Erik Hasselblad und Victor übernahm das Familienunternehmen. Es produzierte nicht nur Kameras für das Militär sondern auch Armbanduhren und Teile für Wecker. Das blieb auch nach dem Krieg zunächst das hauptsächliche Geschäftsfeld, hinzu kamen Teile für die Autoproduktion bei Saab. Doch Victor Hasselblad verlor nicht sein Ziel aus den Augen, hochwertige Kameras für den zivilen Bereich zu entwickeln und anzubieten. Es sollte noch bis zum Jahr 1948 dauern, bis Hasselblad mit der 1600F dieses Ziel erreicht hatte. Zunächst war sie noch mit Objektiven von Kodak ausgestattet, später wechselte Hasselblad zu Zeiss als Objektiv-Lieferant.

Zunächst war der 1600F kein durchschlagender Erfolg beschieden, die Kamera litt an diversen Kinderkrankheiten, insbesondere Probleme bei kürzeren Verschlusszeiten bekam Hasselblad nicht vollständig in den Griff. Aber die vom Industriedesigner Sixten Sason entworfene Kamera war mit ihrem modularen Aufbau ihrer Zeit weit voraus. Sie war die weltweit erste einäugige Spiegelreflexkamera im Mittelformat (6 cm × 6 cm) mit auswechselbarem Objektiv und Filmmagazin. Bis 1952 wurden von der „Ur-Hasselblad“ rund 2850 Exemplare gefertigt.

Hasselblad 1600F

Die 1948 vorgestellte Hasselblad 1600F (hier aus einem zeitgenössischen Prospekt)
gilt als Ur-Ahn aller 6×6-Kameras.

 

Der 1600F folgte 1952 die 1000F nach, bei der zugunsten der Zuverlässigkeit die kürzeste Verschlusszeit von 1/1600 Sekunde auf 1/1000 Sekunde verlängert wurde. Spätestens mit dieser Kamera gelang Victor Hasselblad endgültig der Durchbruch als Kameraproduzent, die 1000F verkaufte sich bis 1957 über 10.000-mal.

Zum Inbegriff der Marke Hasselblad und der 6×6-Kameras überhaupt wurde die 1957 vorgestellte 500 C. Sie verzichtete auf einen kamerainternen Schlitzverschluss, stattdessen verwendete sie Objektive mit Zentralverschluss. Diese Kamera wurde fortwährend weiterentwickelt und blieb als 503 CW bis 2013 im Programm.

Trotz des großen Erfolgs der Kameras dauerte es noch bis 1960, bis die Kameraproduktion bei Hasselblad auch Gewinne abwarf. Das Unternehmen lebte weiterhin von seinem Großhandelsgeschäft mit Fotoprodukten vor allem von Kodak. Ab 1966 konzentrierte sich das Unternehmen dann ganz auf die Kameraproduktion, das Handelsgeschäft „Hasselblad Fotografiska AB“ wurde an Kodak verkauft.

Astronaut Alan  L. Bean mit Hasselblad-Kamera auf dem Mond

Der Astronaut Alan L. Bean mit Hasselblad-Kamera auf dem Mond.
Aufgenommen wurde das Foto vom Kommandanten der Apollo-12-Mission, Charles Conrad, Jr. –
natürlich ebenfalls mit einer Hasselblad. (Image Credit: NASA)

 

Hatten Kameras von Hasselblad bereits in den 50er Jahren einen guten Namen bei Berufsfotografen, wurden sie mit der in den 60er Jahren einsetzenden Eroberung des Weltraums auch populär. Seit 1962 war bei vielen bemannten NASA-Missionen eine „Hassi“ an Bord des Raumschiffs, ebenso bei den Mondlandungen ab 1969. Am 20 Juli 1966 verlor der Astronaut Mike Collins bei einem Außenbordeinsatz seine Hasselblad, die einheimische Zeitungen daraufhin scherzhaft den ersten schwedischen Satelliten nannten.

1976 verkaufte Victor Hasselblad sein Unternehmen an eine schwedische Investoregruppe. Er starb nur zwei Jahre später am 5. August 1978 ohne Kinder zu hinterlassen. Sein Vermögen fiel an die nicht gewinnorientierten Hasselblad-Stiftung, die bis heute die künstlerische und berufliche Weiterentwicklung von Fotografen fördert und einmal im Jahr den mit rund 100.000 Euro dotierten Hasselblad Award verleiht.

(Martin Vieten)