Der Deutsche Fotobuchpreis, der während Jahren die besten Fotobücher im deutschsprachigen Raum auszeichnete, macht eine „Denkpause“ – es wird ihn in bisheriger Form für 2016 nicht geben. Wann (und ob überhaupt) der Preis wieder aufgenommen wird, steht noch nicht fest.
Der organisierende Institution, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Landesverband Baden-Württemberg, teilt in einer offiziellen Mitteilung folgendes mit:
Der Deutsche Fotobuchpreis, der vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Landesverband Baden-Württemberg, verliehen wird, verordnet sich eine „Denkpause“: Der Preis für künstlerisch wertvolle Fotobildbände, Fotolehrbücher und Coffee Table Books wird bis auf Weiteres ausgesetzt. Eine Ausschreibung für den Fotobuchpreis 2017 wird es daher nicht geben.
Ins Leben gerufen wurde der Preis im Jahr 2003, damals noch unter dem Namen „Stuttgarter Fotobuchpreis“. Seither wurde er alljährlich im Oktober von einer Fachjury an ca. 20 Fotobücher verliehen. Die Siegertitel und die nominierten Bücher wurden im Anschluss an die Preisverleihung auf den Stuttgarter Buchwochen präsentiert und gingen dann als Wanderausstellung im In- und Ausland auf Tournee. Unter anderem wurde die Ausstellung regelmäßig auf der Frankfurter Buchmesse gezeigt.
Nach 13 Jahren wollen wir den Preis sowohl inhaltlich als auch organisatorisch überdenken; wann der Preis wieder aufgenommen wird, steht derzeit noch nicht fest.
„Schade“, so unser Kommentar dazu. Der Buchpreis war eine sehr hohe qualitative Auszeichnung, der nicht nur für die Fotografen und die Autoren eine Ehre war, sondern der auch manchem Buchkäufer den Kaufentscheid erleichterte. Übrigens gibt es diese Auszeichnung nicht erst seit 13 Jahren, denn wir dürfen den früheren „Kodak Fotobuchpreis“ nicht vergessen, der während mindestens weiteren 25 Jahren unter der Ägide von Dr. Karl Steinorth durchgeführt wurde und der eigentlich Ursprung des Deutschen Fotobuchpreises war.
Autor: Urs Tillmanns
Urs Tillmans ist Herausgeber des Schweizer Online-Magazins für Fotografie und Digital Imaging Fotointern.
Bildbände haben sich erledigt:
Inzwischen ist restlos alles mehrfach fotografiert worden und bekannt. Weiterhin bringen Handys, mit denen fotografiert werden kann, für die Masse zufrieden stellende Bildqualität: fotografiert, angesehen, erledigt. Und ins Internet gestellt kann man sich aus dem Rahmen fallende Aufnahmen en masse kostenlos ansehen.
Da bedarf es keiner superteuren Bildbände mehr, die dann irgendwann zu einem Bruchteil ihres Preises bei Erscheinen auf den Grabbeltischen der Buchhändler landen, und wenn dann doch gekauft, ihr Leben in einem Bücherschrank verbringen, um daselbst nie mehr vorgeholt zu werden.
Und Fotolehrbücher, die früher in Masse gestrickt wurden, braucht auch niemand mehr, wenn die Masse allenfalls noch in der Lage ist, einen Auslöser zu bedienen – und auch nicht mehr will. Letzte Stufe dann die Buchwerke zu einer bestimmten Kamera: Da sich die Kameramodelle alle vier Wochen erneuern, viele Male nur mit Kinkerlitzchen, ist das Buch zur Kamera schon am Erscheinungstage Makulatur. Die meisten davon sind zudem nur erweiterte Bedienungsanleitungen. Und schwindelerregende Auflagen sind damit auch nicht zu erreichen. In der kleinen Auflage ist das jeweilige Werk dann überteuert. Fazit: Das war’s mit Bildbänden, Fotolehrbüchern und Kamerabüchern.
So ein Kappes
Fotokultur überlebt überhaupt nur in Bildbänden, wenn Instagramm, Flickr und Apple schon längst verkauft, verschachtelt und vergessen sind.
Bildbände sind die lingua franca derjenigen Fotografen, die mehr im Kopf und im Sinn haben als Elektronikupdates.
Konzentriertes und nützliches Fotowissen ohne Geschwafel läßt sich praktisch nur noch in Antiquariaten finden.
Kamerabücher dienten schon immer nur dem Stolz des Besitzers, der noch ein paar Cent übrig hatte. Der heutige Käufer ist aber nicht mehr neugierig, sondern postet noch am Tag des Kaufes Negativlisten und “Verbesserungsvorschläge”. Ein Buch zur Kamera könnte er sich bei den heutigen Kamerapreisen auch gar nicht mehr leisten. Zumal die jetzige Sony Alpha in sechs Monaten eh schon wieder von der nächsten ersetzt werden muss, die – was nicht ist?
Richtig: Billiger als die Vorgängerin.
Als Kamerabücher boomen derzeit nur diejenigen über historische Modelle und Firmen. Vielleicht, weil man diese Kameras immer noch benutzen kann und will, wenn man mit dem Lesen des Buches fertig ist, und weil diese Kameras noch von Ingenieuren statt von Marketinglern entwickelt wurden und man sie deshalb noch verstehen kann.
Davon, dass Sie mal gerne hingucken, kann kein Verleger
[quote=Gast][quote=Gast]Fotokultur überlebt überhaupt nur in Bildbänden, wenn Instagramm, Flickr und Apple schon längst verkauft, verschachtelt und vergessen sind. Bildbände sind die lingua franca derjenigen Fotografen, die mehr im Kopf und im Sinn haben als Elektronikupdates.[/quote]
Ja, auch ich sehe mir nach wie vor gut gedruckte Bildbände sehr gern an. In komponierten Bildstrecken auf Hochglanzpapier in Büchern spazierenzugehen ist halt doch etwas anderes als Einzelbilder aus den unteschiedlichsten Quellen im Internet zusammensuchen und auf dem Monitor zu betrachten.
Gerade bei der brutal guten Qualität, die die Aufnahmetechnik heute bietet, ist es ein Genuss, entweder extrem detailreiche Fotos im Druck anzusehen oder aber qualitativ hochwertige Fotos, die bei extrem wenig Licht mit hohen ISO entstanden sind. In beiden Fällen erlaubt die heute weit fortgeschrittene Aufnahmetechnik ein technisches Bildniveau, das atemberaubend ist. Wenn dann auch noch die inhaltliche Komponente in den Bildern stimmt, dann sind Bildbände auch heute noch ein wunderbarer Hingucker.[/quote]
leben. Die Frage ist deshalb, wie viele hochwertige Bildbände etc. Sie für ihre Bibliothek kauften. Na also.
Es stimmt natürlich, dass Bildbände etc. Zeitzeugen sind. Aber von den 50 Museen, die solche Bücher archivieren, und weitere 50 Geldsäcke, die sich die teuren Werke leisten können, kann auch kein Verleger leben. Unter allen Betrachtungsweisen hat sich die Angelegenheit damit erledigt.
Die Youngster haben zudem weder Geld noch Interesse an diesen Werken.
Und dann braucht man auch noch die Autoren, die allein zum Leben Geld benötigen. Merkwürdig: Buchmillionär ist mit Fotobüchern, Bildbänden etc. bis dato noch keiner (!) geworden – sowohl was die Auflage als auch die Kohle betrifft.
Und die Kamerabüchern wurden oft von Fotojournalisten gefertigt, die ihr mageres Honorar bei der jeweiligen Zeitschrift als Buchautor auf zu bessern versuchten, was zeitweise immerhin besser ist, als Klimmzüge am Brotkasten zu machen. Und da gab es ‘Buchautoren’ die schrieben schneller als ein Huhn Eier legen konnte. Zwei rechts, zwei links – und wieder war schon ein Kamerabuch gefertigt.
So, so.
Wie viel Euro geben Sie denn pro Jahr für Bildbände zum Normalpreis aus?
Die meisten Bildbände sind nach Ablauf der Buchpreisbindung für rund 10 Euro zu haben. Davon können die Fotografen nicht mehr leben.
Superteure Bildbände.
[quote=Gast]Da bedarf es keiner superteuren Bildbände mehr[/quote]
Ich bin weit davon entfernt, mich der Meinung von Gast anzuschließen, aber den Status Quo hat er korrekt wieder gegeben.
Das war jetzt aber auch vor 30 Jahren nicht so signifikant anders. Allerdings gab es auch damals schon Weihnachten und die zwei Monate vorher machte der Buchhandel gut 80% seines Jahresumsatzes. Pädagogisch wertvolle Geschenke waren auch damals nicht viel beliebter als die Krätze, aber der Nachwuchs war wehrlos und der Bildungsbürger wurde noch nach Meter Bücherregal gemessen.
Heute würde es einen Tritt gegen das Schienbein geben, wenn Onkel Hans zum Lichterfeste mit einem Buch statt eines 850 Euro Handys mit Edge Display antanzen sollte. Da geht nicht einmal ein “Genauso gut, aber viel billiger” ohne Schreikrampf durch.
Dass sich die Bücherwürmer angesichts solcher Entwicklungen erst mal zur Medidation zurück sehen, finde ich durchaus positiv. Wenn man etwas wirklich ernst nimmt, soll man es von Zeit zu Zeit überdenken, speziell im Zeichen des Umbruchs. Für die Autoren, Buchhändler und Leser ändert sich ja nichts. Wer nur kauft, was Preise einheimst, der hat ohnehin etwas falsch verstanden. Und die Zeiten werden sich weiterhin ändern. Vielleicht kommt wieder eine Zeit, wo man für ein gutes Buch dankbar ist. Nach dem nächsten Krieg vielleicht.
Bestimmt
Da liegt dann alle Elektronik dank multipler EMPs flach … :-)))
Sag’ ich ja.
[quote=Gast]Wie viel Euro geben Sie denn pro Jahr für Bildbände zum Normalpreis aus?
Die meisten Bildbände sind nach Ablauf der Buchpreisbindung für rund 10 Euro zu haben. Davon können die Fotografen nicht mehr leben.[/quote]
Ich kaufe Bildbände überhaupt nicht mehr – weder zum überzogenen Erscheinungspreis, noch zum 10-Euronen-Grabbeltisch-Preis. Das Durchblättern und zur Kenntnisnahme für mich hervorstechender Aufnahmen genügt. Ich muss den Brocken nicht nach Hause schleppen und anteilig Miete zahlen für ein Bücherregal, in dem gerade Bildbände vermodern. Für Autoren und Verleger sind Bildbände allenfalls noch zur Selbstbeweihräucherung von Nutzen.
In Sachen Bildbände und Kamerabücher hat die Mehrheit bereits ein negatives Urteil gefällt. RIP
Bildbände waren noch nie
für die breite(!) Masse gedacht.
Wenn der Onkel zu Weihnachten einen Tritt vor das Schienbein bekommt, weil sein Geschenk nicht teuer genug war, dann läuft in der Familie etwas falsch, was auch die engagierteste Sozialfotografie nicht mehr beheben könnte.
Fotobildbände wurden auch noch nie produziert, um Kiddies zu beeindrucken. Bildbände sind die Philharmonischen Orchester und die Operbühnen der graphischen Industrie.
Die Qualität eines Bildbandes hängt nicht davon ab, ob er einen Preis bekommen hat oder nicht. Sehr wohl war die Auszeichnung aber ein Verkaufsargument im Buchhandel. Deshalb galten Fotobücher mit dem speziellen Aufkleber als diejenigen die es im jeweiligen Jahr “geschafft” hatten. Die nicht ausgezeichneten mussten dagegen in der Wildnis selbst überleben.
Ein wichtiges Merkmal des Deutschen Fotobuchpreises war es, dass die Jury relativ hochkarätig besetzt war und tatsächlich sehr gute Bücher ausgezeichnet hat. Der Deutsche Fotobuchpreis war also ein ECHTES Qualitätsmerkmal.
Fast alle anderen Auszeichnungen der Fotoindustrie, gerade die technischen, sprachen und sprechen einer solchen Qualitätsvorstellung Hohn.
Mit dem Renommee des Deutschen Fotobuchpreises ist es einigen Verlagen (Steidl, HatjeCantz, Schirmer/Mosel et al.) gelungen, ein dauerhaft hohes Verlagsniveau zu etablieren, von dem alle Fotografen profitierten:
Während das Ansehen der Fotografie in Deutschland zwar zu den Miesesten in der ganzen Welt zählt, kamen von hier Bildbände die zu den Besten der Welt gehörten. (Von Verlagssingularitäten im Ausland, wie Benteli, Aperture, Flammarion und wenigen anderen, einmal abgesehen.)
Jemand, dessen Interesse an der Fotografie größer ist, als nur auf dem Schulhof mal kurz auf ein Display zu starren, kommt am gedruckten Bild nicht vorbei. Und das bedeutet, sein Geld entweder für Tintenstrahl oder Buch auszugeben.
Da in der Copy&Paste-Gesellschaft niemand Bilder bei einen Fotografen kauft, drucke man sich die 100 oder 200 Fotos eines Bildbandes doch mal zu Hause aus.
Oh, wie preiswert und schön werden Bücher auf einmal wieder!
Die vorherrschende Missachtung
der Verlage und des Buchhandels für Autoren und Fotografen sollte man eigentlich nicht dem ehrlich interessierten Käufer vorwerfen.
Geiz
[quote=Gast]der Verlage und des Buchhandels für Autoren und Fotografen sollte man eigentlich nicht dem ehrlich interessierten Käufer vorwerfen.[/quote]
ist dort genauso geil, und nicht zuletzt ein guter Vorwand, wie beim gemeinen Konsumenten … :-)))
Fotografie ist dank…
…Internet, Blogs, Smartphones und Seiten à la Flickr demokratisch geworden. Das gefällt der “alten Garde”, die sich durch Besitz und Bedienkenntnis der teuren SLR definiert hat (aber nie über Bildinhalte) natürlich verständlicherweise nicht…
Es finden sich so viele interessante Fotoprojekte und Serien exzellenter junger und alter Fotografen im Netz, mann muss sie nur finden wollen. Kein Grund einen Abgesang auf die Fotografie zu singen…ganz im Gegenteil!