Im Winter sollte man auf Reisen gehen, sollte die Segel setzen, aufbrechen in südlichere Gefilde, in ferne Länder. Und wenn das nicht geht, dann sollte man wenigstens Bücher lesen und Fotos betrachten. Am besten gleich Fotobücher, die Fernweh machen.
Jede Menge Fernweh verursacht das Buch Shipbreak von Claudio Cambon, das im Schweizer Verlag Edition Patrick Frey erschienen ist. Das Buch erzählt die Historie eines Handelsschiffes vom Anfang bis zum Ende – bis zu seiner letzten Reise nach Bangladesch, wo es schließlich verschrottet wird. Dem französischen Fotografen sind dabei auf wohltuende Weise alle ästhetischen Sperenzchen fern.

Shipbreak, © Claudio Cambon
Reise und Fotografie. Das verbindet auch das bei Prestel erschienene Buch Forms of Japan von Michael Kenna. In diesem hat sich der Fotograf auf die Suche nach der einfachen Schönheit Japans begeben. Der britische Landschaftsfotograf arbeitet ausschließlich Schwarzweiß – und zwar auf äußerst reduzierte Weise: einfache Formen und Flächen, viel Schwarz, viel Weiß, wenig Grau dazwischen. Er fotografiert Bäume, Berge oder Inseln: Es ist ein konzentrierter Blick auf ein altes Japan, in dem die Verwobenheit der japanischen Kultur mit der Natur noch vollkommen war. „Japan ist ein Teil von mir. Wenn ich nicht dort bin, denke ich darüber nach, wann ich zurückkehren werde“, sagt der Fotograf.
Auf eine Reise zurück in die amerikanische Geschichte nimmt uns der ebenfalls bei Prestel erschienene Band Tiefenschärfe von Walker Evans. Auf 408 Seiten wird das gesamte Lebenswerk des amerikanischen Fotografen ausgebreitet, der als Vorbild von Helen Levitt, Robert Frank, Diane Arbus, Lee Friedlander, Bernd und Hilla Becher, Andy Warhol, Richard Prince oder Jack Pierson als zentrale Figur in der amerikanischen Kulturgeschichte angesehen werden kann. Walker Evans schuf nicht weniger als Ikonen der modernen Fotografie, welche in diesem prächtigen Buch versammelt sind.
In die jüdische Geschichte der heutigen Ukraine entführt uns die Berliner Fotografin Johanna Diehl. Ihr neues Buch Ukraine Series zeigt ehemalige Synagogen, heute oft leere Räume, Reste einer jüdischen Vergangenheit, die im Kommunismus und später durch die deutsche Besatzungsmacht grundlegend zerstört wurde. Doch manches hat sich dennoch erhalten, wie Diehls Bilder offenbaren. Viele Synagogen überlebten als Kinos, Autowerkstätten oder Sporthallen, die selbst schon wieder Geschichte sind.

Pishchanka, 2013. © Johanna Diehl. Courtesy Galerie Wilma Tolksdorf Frankfurt/Berlin
Aus: Ukraine Series, Sieveking Verlag 2015
Ein wirklich opulenter Band ist gerade in der Edition Lammerhuber veröffentlicht worden. In Love With Photography, das Opus Magnum des Porträtisten Volker Hinz, ist ein perfektes Weihnachtsgeschenk: Von Ansel Adams bis Richard Avedon, von Peter Beard bis Alfred Eisenstaedt, von F.C. Gundlach bis Annie Leibowitz, von Peter Lindbergh bis Lee Miller, von Helmut Newton bis Irving Penn, von Sebastião Salgado bis Joel-Peter Witkin – sie alle hat Hinz fotografiert. Ein sehr besonderes Buch für Fotoliebhaber! Es erscheint in limitierter, nummerierter und signierter Edition von 1000 Exemplaren. Eine „zeitlose, psychologisch sezierende Fotografie“ urteilt die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Ein kenntnisreicher Text von Peter-Matthias Gaede begleitet die Bilder und beschreibt das Leben des Fotografen.

Vanessa Beecroft. Berlin. 2006 © Volker Hinz /Edition Lammerhuber
Und noch einen letzten Band möchten wir Ihnen vorstellen. Ebenfalls bei Lammerhuber erschienen, ist The Ghetto Tarot eine mystische Reise in die Symbolik von Tarot-Karten in den Slums von Haiti. Das Fotoprojekt der fotografierenden Globetrotterin Alice Smeets interpretiert die Symbolik der traditionellen Karten neu. Ein aufregendes, ganz ungewöhnliches Fotobuch, das auch unseren Blick auf die Lebenssituation der Menschen in den Slums des 21. Jahrhunderts schärft, die – bei aller Armut und Gewalt – nicht ohne Kraft und Lebensfreude ist.

Der Wagen. Fortwärtskommen. Archetyp: Die Abfahrt des jungen Helden
©Alice Smeets/Edition Lammerhuber
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Claudio Cambon Shipbreak Gebunden. 176 Seiten Edition Patrick Frey 2015 ISBN 978-3-905929-84-3 46 Euro
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Michael Kenna, Yvonne Meyer-Lohr Forms of Japan Gebunden. 312 Seiten Prestel Verlag 2015 ISBN 978-3-7913-8161-9. 65 Euro
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John Hill, Heinz Liesbrock, Walker Evans Tiefenschärfe Gebunden. 408 Seiten Prestel Verlag 2015 ISBN 978-3-7913-8222-7 69 Euro
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Johanna Diehl Ukraine Series Gebunden. 160 Seiten Sieveking Verlag 2015 ISBN 978-3-944874-14-2 49,90 Euro
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Volker Hinz, Peter-Matthias Gaede In Love with Photography Gebunden. 424 Seiten Limitierte, nummerierte und signierte Edition von 1000 Exemplaren Verlag Lammerhuber 2015 ISBN 978-3-903101-00-5 249 Euro
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Alice Smeets The Ghetto Tarot Gebunden. 208 Seiten Verlag Edition Lammerhuber 2015 ISBN 978-3-901753-97-8 59 Euro
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(Marc Peschke)
„Am besten gleich Fotobücher, die Fernweh machen.“
„…entführt uns die Berliner Fotografin Johanna Diehl. Ihr neues Buch Ukraine Series zeigt ehemalige Synagogen, heute oft leere Räume, Reste einer jüdischen Vergangenheit, die im Kommunismus und später durch die deutsche Besatzungsmacht grundlegend zerstört wurde.“
Das verursacht bei Ihnen Fernweh?
Verachten Sie
keineswegs das Fernweh, dass die Bilder von den prekären Arbeitsverhältnissen im fernen Asien zu erzeugen vermag … :-)))
Danke für die Buchvorstellungen!
Jedes Mal wieder schön, was es alles zu sehen gibt … Und dass es nicht in erster Linie um die Gerätschaften geht, sondern um Träume, Ideen, Imagination, Sehen und das (Er-)Schaffen von Bildern.
Zugegeben, …
… eine etwas eigenwillige Zusammenstellung unter der Klammer „Fernweh“ … aber warum eigentlich nicht ? So eine Auswahl muss wohl immer sehr persoenlich sein. Bei mir muesst ich erst ueberlegen, ob Fernweh das gleiche wie Heimweh waere … Dazu unten mehr.
Meine Fernweh-Buecher waeren z.Z. Lanz‘ Groenland-Buch von NG herausgegeben und (!) Kaete Miethe „Hiddensee-Bildband“ von 1962.
Bezgl. Lanz, ja ich weiss, Promi und so, aber das tut seinen Bildern ueberhaupt keinen Abbruch. (Ich hab auch kein deutsches Fernsehen – und wuerde mir Talkshows freiwillig, in egal welcher Sprache, sowieso nicht antun. 50 Shades of TV … oder so.) Lanz hat die Bilder einfach gut fotografiert und das mit jeder Menge Herzblut. Keine Ahnung, wieviele Bilder letztlich fuer die Auswahl herhalten mussten, aber Lanz hat ein Fotografenauge. Ich wuerd mir ja wuenschen, dass er das naechste mal mit einer Grossformat nach Groenland zieht. Apropos, ich kenn auch den Arved Fuchs Groenland-Band und der ist nicht so prickelnd. Lanz werd ich auf jeden Fall im Augen behalten !
Das zweite Buch gibt es immer noch, auch wenn es schon etwas in die Jahre gekommen ist und ich wuenschte Hinstorff wuerde das mal mit ordentlichem Papier neu drucken. Dieses DDR-Papier ist schon eine Zumutung. Kaete Miethe ist evtl. nur den Kennern der Heimatliteratur ums Fischland bekannt – soviel zu Heimweh – dagegen gilt ihr Vater Adolf Miethe als (mit)Erfinder der Farbfotografie – und den sollten die Leser der Photoscala dann doch kennen 😉 … Das ihr Vater Fotopionier war, merkt man ihren Bildern sofort an. Technisch perfekt und beinahe schulbuchhaft „komponiert“. Beim Betrachen wird einem klar, dass sie eine heimatverliebte Heimatdichterin war. Das kommt ja nicht immer so ideal zusammmen. Ich glaub, wenn ich das naechste mal in Europa bin, dann fahre ich mal wieder nach Hiddensee – mit ihrem Bildband unter dem Arm und nem Sack voll Rollfilme ueber der Schulter.
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Umlauts are Overestimated – DER Asienpodcast
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