Für viele Marktbeobachter gilt es seit Langem als ausgemacht: Der Smartphone-Boom hat den einstmals so beliebten Kompaktkameras den Markt streitig gemacht. Anfang September hat die Gesellschaft für Konsumforschung, kurz GfK, Zahlen veröffentlicht, die einen weiteren Trend belegen: Auch Actioncams à la GoPro läuten den Kompaktkameras die Totenglocke.
Actioncams verkaufen sich prächtig. Betrug der weltweite Absatz 2010 noch mickrige 200.000 Stück, erwartet die GfK bis 2016 einen Zuwachs für über elf Millionen Einheiten. Der Verkauf von Digitalkameras wird dagegen bezogen auf 2010 bis 2016 um mehr als zwei Drittel zurückgehen. Noch stärker ist der Schwund übrigens bei den klassischen Videokameras, die 2016 kaum mehr 20 Prozent der Absatzzahlen von 2010 erreichen werden.
In Europa greifen vor allem die Franzosen zur Actioncam, hier wird für 2016 ein Absatz von mehr als einer Millionen Exemplare erwartet – gegenüber 750.000 Einheiten in Deutschland. Hierzulande beherrscht übrigens GoPro den Markt mit rund 60 Prozent Anteil, gefolgt von Rollei (ehemals RCP) und Sony. Dabei zeigt sich auch bei den Actionscams ein Trend, der bereits seit Längerem bei klassischen Digitalkameras sichtbar ist: Die Kunden greifen lieber zu höherpreisigen Produkten. Grund dafür ist auch die Nachfrage nach Geräten, die in 4K-Auflösung filmen können – und die sind nun einmal teurer als HD-Kameras.
Dass das Geschäft mit klassischen Digitalkameras nicht gänzlich unter die Räder gekommen ist, liegt nach Interpretation der GfK daran, dass der durchschnittliche Preis einer verkauften DSLR oder Spiegellosen immer höher wird. So sank bei den DSLRs im vergangenen Jahr zwar der Absatz um 18 Prozent, der Umsatz ging aber lediglich um zehn Prozent zurück. Die GfK rechnet spiegellose Systemkameras zu den DSLRs, dort haben sie einen Anteil von rund 25 Prozent, der langsam aber stetig steigt. Wechselobjektive verkaufen sich hingegen weiterhin gut, hier war der Absatzrückgang mit minus drei Prozent moderat.
Schon bald könnten aber Fotodrohnen klassischen Digitalkameras ebenfalls das Leben schwer machen. Die GfK erhebt deren Verkäufe erst seit Kurzem, resümiert aber bereits jetzt: „Quadrocopter und Drohnen entwickeln sich spektakulär“.
Weiterführende Informationen: GfK Ergebnisse zum globalen Fotomarkt – erstes Halbjahr 2015
(Martin Vieten)
Boom, boom, boomerang.
Nutzen wir vielleicht die Stunde vor dem großen Regen – wenn der Forumsdurchschnitt auf dieses Thema anspringt – zu ein paar ironiearmen Betrachtungen über diese Entwicklungen.
Die Kompaktkamera mag durchaus einmal beliebt gewesen sein, weil der „Fotoapparat“ zum gutbürgerlichen Haushalt gehörte wie der Staubsauger oder die Bohrmaschine. Aus fotografischer Hinsicht waren das verlorene Investitionen. Landete ein Film mit 36 Bildern mal im Labor, dann waren darauf zweimal Weihnachten, zweimal Ostern, ein Sommerurlaub und die Enkelinnen im weissen Kleid vor den blühenden Pfingstrosen. Das nur zur Erinnerung an jene, welche meinen, dass im „analogen“ Zeitalter nur Meisterwerke entstanden sind.
Für engagierte Fotografen war das natürlich nicht relevant. Die haben mit ihrer Fotoausrüstung, bestehend aus SLR mit 24mm, 35mm und 135mm (50mm war verpönt) Greisengesichter aufgenommen. Diese wurden im Kellerlabor mit ultraharten Kontrasten entwickelt, um damit bei Staatsmeisterschaften Preise einzuheimsen. Profifotografen gab es auch und sie lebten gut, da – zumindest hierzulande – der Zugang zum Gewerbe reglementiert war und im christlichen Abendland noch mehr geheiratet und mehr getauft wurde als heute.
Harter Schnitt, fünfzig Jahre später.
Den Opel gibt es noch, die Voigtländer gibt es nicht mehr. Jeder Bürger ab sechs Jahren hat ein Smartphone und jedes Smartphone hat eine Kamera. Jede Kamera lädt auf Knopfdruck – ähem, Daumenklick – Fotos in gerade angesagte soziale Medien hoch. Jeder Daumenklicker verwendet soziale Medien um Kontakt zu seinen Followers zu halten. Die Fotos vieler Jugendlichen von heute sind geschätzt hundert mal so gut wie die ihrer Großeltern mit der Vitorex. Davon durfte ich mich selbst überzeugen. Das sind Fotos, welche so aus dem Leben gegriffen sind und so natürlich und unverkrampft den Alltag von heute zeigen, wie es damals nur wenige – heute als „Wahre Meister(tm)“ verehrte – Fotografen umsetzen konnten.
Was hat das jetzt für Auswirkugen auf die digitalen Nachfolger der Vitorex? Verheerende. Siehe zahlenmäßige Entwicklung. Wer ein Smartphone hat, hat nicht nur eine Kamera, sondern auch einen großformatigen und hochauflösenden Bildbetrachter. Aufnahmen können unmittelbar geteilt werden. Entweder per Blick aufs Display oder per Umweg über die digitalen Medien. Wo sie auch mit den entsprechenden Kommentaren und Hintergrundinformationen versehen werden. Wer nimmt da noch die Familienkamera mit auf Urlaub? Falsche Frage, Oma nimmt sie mit. Wer fotografiert damit? Tja, auch Oma. Die üblichen fünf bis zehn Aufnahmen pro Urlaub. So wie schon ihre Eltern, als sie damals mit dem Käfer über den Brenner nach Caorle krabbelten. Wo landen diese Fotos? Auf einem mickrigen 3″ Display auf der Rückseite erst mal. Wenn dann der Enkel die Speicherkarte zum Fotohändler trägt, gibt es auch wieder Bilder. So wie damals alle drei Jahre.
Da hat sich nicht viel geändert. Was sich geändert hat, ist dass kein Haushalt mehr die unnütze Kamera für die paar unnützen Bilder braucht und daher auch nicht mehr haben will.
Schöne neue Zeit? Leider nein. Auf jeden Schritt vorwärts folgen ein oder zwei Schritte rückwärts. Das Stichwort heisst „Selfie“. Alle diese lächerlichen „Guck doch mal her und mach ein freundliches Gesicht“ Aufnahmen für Omas Voigtländer werden heute von langer Hand angefertigt. Zusätzlich verlängert per Selfie Stick, wenn die Arme zu kurz werden. Alle diese dämlich grinsenden Gesichter, die Welt mochte einfach nicht auf sie verzichten. Und auch wenn jährlich mehr Leute bei waghalsigen Selfie Versuchen ums Leben kommen als durch Hornissenstiche, der Trend bleibt ungebrochen.
Die Actioncam kann da nur eine vorübergehende Zwischenstation sein. Sie ist für sich alleine definitiv zu unflexibel. Die auf den waghalsigen Helden gerichtete Actioncam am eigenen Helm zeigt einen stehenden Kopf, während der Körper und die Landschaft wild herum zappeln. Das sieht doch sowas von bescheuert aus. Das muss so bald wie möglich abgelöst werden durch die autonome Fotodrohne, welche per Funksender am Helm so vor, neben oder hinter dem todesmutigen Akrobaten hergesteuert wird, dass dieser ständig im Bild bleibt. Da wird bei ruhiger Kameraführung die ganze Dynamik der Bewegung erst richtig eingefangen. Professionelle Actionfilmer schaffen das per Handsteuerung. Die Ein-Mann-Show für den todesmutigen Aushilfsbuchhalter ist technisch bereits möglich. Es muss nur noch das Set aus Follow-Me Drohne und GoPro zu einem geizgeilen Preis angeboten werden.
Man kann’s auch einfach
als Konsolidierung des Fotomarkts begreifen: Mirrorless als Ersatz für die, auch früher schon vorhandenen Alltagskameras, SLRs dort, wo’s um mehr geht. Das landet beides absehbar dort, wo’s auch schon früher angesiedelt war. Und für die modernen Zeiten halt Smartphones und GoPros.
Offensichtlich
ist der Gedanke abscheulich, dass die Spiegelreflex hinkünftig wieder nur einer Elite vorbehalten bleibt … das schmerzt jeden Nivellierer bis ins Mark. 😉
Quatsch mit Sojasauce …
Auf diesen Beitrag habe ich zwei Antworten. Die kuerzere: Quatsch ! Und hier die etwas laengere …
Fuer gewoehnlich kommen solche Kommentare von Leuten, die keine M kennen, geschweige denn besitzen. Es geht mir als Leica-Fotografen nicht darum, was die A7 resp. die M alles kann oder nicht oder irgend eine andere Kamera – und als Berufsfotograf fotografiere ich mit einem ganzen Zoo an Kameras – sondern darum, was ich kann, will und inwieweit meine Motivation waehrend des Fotografierens das Ergebnis beeinflusst.
Es gibt Segler, die poepeln schon ab der Mole mit dem Flautenschieber zum Anlegeplatz und schauen dabei schwitzend auf ihr GPS. Ich dagegen WEISS wann ich die Segel fallen lassen muss und kann Geschwindigkeit und Entfernung genau genug schaetzen. Und deshalb habe ich Spass dabei, bin schneller und das Ergebnis begeistert die Zuschauer. Allerdings nicht den Hafenmeister und seine Vasallen, die gerade die neusten Flautenschieber samt Rollfock im Angebot haben. Und ja, ich gebe es zu, manchmal rumpelt es ein wenig.
Der Akt des Bildermachens ist die entscheidende Zutat fuer ein gutes Bild. Und wenn dieser Akt z.B. durch Gedoens beeintraechtigt wird, dann wird vielleicht das eine Bild etwas, aber das gesamte Œuvre ist fuer den Hintern. Womit ich nicht gesagt haben will, dass zu jedem eine M passt oder eine X oder eine Y. Genau diese Wahl ist von so unendlich vielen Faktoren abhaengig, dass man dazu einfach keinen Rat geben kann. Und schon allein aus dissem Grunde ist die obige Konkurrenzvermutung ein ziemlicher Bloedsinn.
Hier hab ich das in dieser Podcastfolge auch nochmal erklaert: http://sventetzlaff.com/index.php/home/podcast/145-022-analogfotografie-matcha-kunst
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‚Perfection is finally attained not when there is no longer anything to add, but when there is no longer anything to take away.‘ – Antoine de Saint-Exupéry
http://sventetzlaff.com
Zumindest
auf einen gleich großen „Sensor“ wie die SLRs konnten sie fotografieren … da hatte sie den meisten Spiegellosen der heutigen Zeit schon was Wesentliches voraus.
Und ansonsten kann’s Ihnen sehr wurscht sein, mit was ich warum (nicht) fotografiere und auch in Zukunft (nicht) zu fotografieren gedenke.
Eine Analogie.
[quote=Gast]Aber was hat das mit dem Segel rechtzeitig fallen lassen zu tun? Ich kann nicht folgen[/quote]
Das ist eine Analogie. Segeln ist fuer viele Leute ein sehr koerperlicher Sport, der nicht nur Kraft, sondern auch die geistige Koordination trainiert. Aber auch da zieht zuweilen eine obskure Bequemlichkeit ein. Weil ich zu faul bin eine Fock zum richtigen Zeitpunkt wegzunehmen, drueck ich lieber auf Knoepfchen und lasse von einem Motor aufwickeln, oder weil ich nicht hektisch auf dem Boot umher rennen will, hol ich alle Segel ein und fahr mit einen Motor an den Anleger. Prinzipiell kann ich alles automatisieren, aber was bleibt dann noch vom Segeln ??? Genau nichts ! Man sitzt nur noch auf einem Boot und hat die Illusion zu segeln.
Ganz aehnlich ist das mit der Fotografie. Statt Rollfock kommt der AF daher und statt des Erkennens des richtigen Zeitpunkts springt die Gesichtserkennung an. Selbstredend, das ISO, Blende und Zeit eh schon automatisch sind. Ab diesem Zeitpunkt fotografier ich nicht mehr, sondern bin auf Trophaeenjagt. Der Akt des Fotografierens ist mir Wumpe, ich will nur noch das Wild erlegen, so wie der Automatensegler mit seinen letzten Destinations prahlt.
Das mag arrogant klingen, aber schaue ich mich auf den Kompostanlagen wie Flickr&Co. um, wird mein Urteil zu 100% bestaetigt. Ausser digitalem Humus kann ich dort nichts entdecken, was es wert waere erhalten zu werden.
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Niedrigere Herstellungskosten
sind nicht zwangsläufig niedrige Herstellungskosten.
Wer das verwechselt, ist vielleicht kein teilentmündigter Konsumdummi, outet sich aber als Kommentardummi.
ROG
Sicher?!
Weder haben Sie noch ich Einblick in die Kalkulationen der Hersteller. Da jedoch bei den Spiegellosen noch hohe F&E-Aufwendungen zu vermuten sind (Signalverarbeitung/ASICs/Sucher/System), die noch umgelegt werden müssen, glaube ich erstmal nicht, dass Mirrorless günstiger ist.
back to basic
ich habe mit gestern die vollmechanische analoge Leica MP gekauft, weil sie einfach alles hat, was ich zum fotografieren brauche und nichts, was mich davon ablenkt.
Und wenn früher Familienbilder geknipst wurden, die dann ins Album kamen, dann nicht mit dem Anspruch, sie der ganzen Weltöffentlichkeit zugänglich machen zu müssen. Und auch nicht mit dem Anspruch, um jeden Like betteln zu müssen. Sondern einfach als eine schöne Erinnerung an einen Moment.
Mit der Technik von heute kommen wir immerzu zum Bilder machen- aber kaum noch dazu, sich ein Bild anzuschauen und wiedervorzuholen- weil es in der Masse ersäuft.
Eine Horrorvorstellung für mich sind allerdings die Drohnen, weil sie mit Leichtigkeit übergriffig eingesetzt werden können. Nachweislich wurden bereits erheblich Rettungseinsätze durch Drohnen behindert, bei einem Dorfbrand in Norwegen konnten 90 Minuten keine Rettungshubschrauber eingesetzt werden, weil Drohnen von Gaffern und Glotzern in der Luft waren.
Und die Mehrheit der Drohnenerwerber werden Gaffer und Glotzer sein und nicht Tante Getrud, die mal wieder ein Bild fürs Familienalbum knipst.
Hier fehlt meines Erachtens eine klare gesetzliche Grundlage, die dafür sorgt, dass jede Drohne ein Kennzeichen führen muss und der Besitzer bei Missbrauch zu haften hat. Ferner muss es ganz klare Regelungen geben, wo eine Drohne eingesetzt werden darf und bis in welcher Höhe. Störung der Privatspähre muss hart bestraft werden, um vor Missbrach abzuschrecken. Jede Flugroute muss aufgezeichnet werden können. Aber vielleicht muss erst ein solches Teil in das Triebwerk eines Flugzeuges kommen, eh die Politik hier Richtlinien für einen vertretbaren Umgang mit dieser Technik bietet.
Im übrigen haben wir uns an einen extremen Massenmarkt gewöhnt, wir sind nicht mehr zufrieden, vielleicht, weil wir zu satt sind. Wir wollen immer mehr, ohne es wirklich in seinem Umfang nutzen zu können. Nur, ob wir damit das eine, das ganz persönliche und berührende Foto hinbekommen, das uns begleitet und dessen Inhalt wir dann fühlen können, das ist nicht eine Frage der Technik, sondern eine des Herzens. Und das ist der wichtigste Baustein für ein gutes Foto.
Das
mit dem „arbeitsscheu“ hätten Sie nicht extra betonen müssen …
Sie haben mal wieder bewiesen…
…wie stark ein Brett vor dem Kopf das eigene Weltbild dominiert. Was Sie als gute Bilder ansehen, langweilt mich zu Tode – im Gegensatz zu ihnen spreche ich den Spielarten der Fotografie die ich weniger schätze jedoch nicht ihre Daseinsberechtigung ab, denn das Bildermachen ist ein weites Feld. Und ebenso sollten Sie dem Vorposter seine Meinung lassen. Von der Qualität seiner Bilder können Sie sich ja selbst überzeugen – ich finde sie jedenfalls zum großen Teil sehr gut (aber das ist in weiten Bereichen natürlich Geschmackssache).