APS LogoAPS – diese drei Buchstaben rufen bei Zeitzeugen eines der größten Fiaskos in der Geschichte der Fotografie in Erinnerung. Das Advanced Photo System und Kodaks (gescheiterter) Versuch, noch unmittelbar vor der digitalen Wende ein neues, kleineres Filmformat zu etablieren, in der Retrospektive:

Wir schreiben das Jahr 1996: Es ist ein photokina-Jahr und Hobby- sowie Berufsfotografen haben den 18. September als Eröffnungstag der weltgrößten Branchenmesse fett unterstrichen auf ihrem Kalender markiert. Denn es werden unter anderem das neue Nikon-Flagschiff F5 sowie erste rein digitale Kompaktkameras (also keine analog aufzeichnenden Still-Video-Kameras mehr) für den Amateurmarkt erwartet. Doch noch lange vor dem ersehnten Stichtag findet am 22. April (am 96. Jahrestag vom Verkaufsstart der ersten Kodak-Kamera durch George Eastman) eine Pressekonferenz statt, bei der das Advanced Photo System (kurz: APS) offiziell vorgestellt wird. Ganz überraschend kommt die Nachricht nicht; wurde die Fachpresse doch schon ein paar Monate früher auf der PMA in Las Vegas eingeweiht und wurden die Groß-/Laborbetreiber sogar schon ein ganzes Jahr früher (im Oktober 1995 auf der Photo and Imaging Expo in London) auf das neue System „eingeschworen“.

Doch was ist dieses ominöse APS? Im Grunde genommen ist es nichts anderes als der Versuch, den Übergang von der analogen zur digitalen Fotografie mit einem neuen Filmformat zu überbrücken. Die Initiative dafür geht auf Kodak zurück, wobei man sich – im Gegensatz zu früheren Alleingängen wie mit dem 126er-Instamatic Film, dem 110er-Pocket Film und dem Disc-Film – diesmal mit den wichtigsten Akteuren des Markts zu einem Konsortium zusammengeschlossen hatte. Schon 1991 hatte man sich Canon, Fujifilm, Minolta und Nikon ins Boot geholt, um gemeinsam das Advanced Photo System zu entwickeln und auszubauen. Mit Kodak und Fujifilm waren die zwei größten Anbieter von Filmmaterial und Großlabor-Betreiber im Konsortium vertreten; mit Canon, Nikon und Minolta die drei größten Kamerahersteller.

APS-Patrone

Im Mittelpunkt des Advanced Photo Systems stand der APS-Film; ein vollständig in der Patrone eingeschlossener Film mit einem Format von 16,7 x 30,2 Millimetern. Das war zwar deutlich größer als der Disc-Film (8 x 10,5 mm) und der 110er-Pocket Film (13 x 17 mm), aber eben auch ein gutes Stück kleiner als der klassische Kleinbildfilm (24 x 36 mm). Den formatbedingten Qualitätsunterschied sollten neuartigste Emulsionen kompensieren, die angeblich dem APS-Film eigen waren (mehr zu diesem (Schein-)Argument später). Dabei sollte der – ebenfalls neue – dünnere Schichtträger aus Polyethylen-Naphtalat (kurz: PEN) eigene Vorteile wie die bessere Planlage, die höhere Kratzfestigkeit und die bessere Umweltverträglichkeit in sich vereinen.

Das kleinere Film- und folglich auch Patronenformat (39 mm hoch und mit einem Durchmesser von nur 21 mm an der schmalsten Stelle) sollte neue, kleinere bzw. kompaktere Kameras ermöglichen. Das bewiesen auch einige Kameramodelle wie zum Beispiel Canons Ixus, Konicas Revio Z2 oder Minoltas Vectis 300 ziemlich eindrucksvoll. Vor den Spiegelreflexkameras machte das APS-System auch nicht Halt: Canon lancierte die recht schicke EOS IX, Nikon das Pronea-System und Minolta die Kameras der Vectis-S-Serie. Die waren zwar z. T. um einiges kompakter als ihre großen Schwestern (Canon EOS, Nikon F, Minolta Dynax etc.); kamen aber auch mit neuen Objektiven, die aufgrund ihres kleineren Bildkreises nicht ohne Einschränkung auf die KB-SLRs der jeweiligen Hersteller passten. Bei Canon und Nikon bestand immerhin die Möglichkeit, umgekehrt Kleinbild-Objektive an den APS-SLRs zu verwenden (natürlich unter Berücksichtigung des entsprechenden Brennweitenverlängerungs-Faktors); bei Minolta wurde man hingegen dazu gezwungen, in ein völlig neues Objektivsystem zu investieren, das gerade mal acht Objektive umfasste (neben ein paar Zooms mit bescheidener Lichtstärke auch eine 17-mm-Festbrennweite, ein 50-mm-Makroobjektiv und sogar ein 400-mm-Spiegeltele) und das eben nur mit den Vectis-S-Kameras kompatibel war. Da kam es einem nur wie ein schwacher Trost vor, dass die Vectis-Objektive außerordentlich kompakt und spritzwasssergeschützt waren.

Gemeinsam hatten alle APS-Kameras (unabhängig von der Marke und egal ob SLR- oder Kompaktkameramodell) den so genannten Drop-In-Mechanismus und den Formatschalter. Ersterer erleichterte den schnellen Filmwechsel (die Filmpatrone wurde einfach wie eine Batterie in die Kamera eingelegt); letzterer erlaubte die Wahl zwischen den drei Bildformaten H (16:9-Format), C (klassisches Bildformat mit 3:2-Seitenverhältnis) und P (Panorama-Format mit 3:1-Seitenverhältnis). Der entsprechende Bildausschnitt wurde gleich im Sucher angezeigt; je nach Kamera mittels Leuchtrahmen, durch Anpassung des Sucherbilds über einschwenkbare Masken oder durch Schraffierung der ungenutzten Bildbereiche mit Flüssigkristall-Technik im Sucher. Doch für welches Format auch immer man sich entschieden hatte: Aufgenommen wurde das Bild immer im H-Format. Die eigentliche Anpassung des Bildformats erfolgte später im Labor, wo das Bild einfach nur bei der Ausbelichtung auf das gewählte Format zugeschnitten wurde. Mit dem APS-System würde übrigens auch der so genannte Index-Print als eine Art „Miniatur-Kontaktabzug“ eingeführt, der später auch beim Entwickeln von Kleinbildfilm von den Laboren kostenlos mit angefertigt wurde.
 

Foto Ixus L-1

 
Doch wie konnte das Labor wissen, welches Format man an der Kamera eingestellt hatte? Zu diesem Zweck verfügte der APS-Film über eine „Datenspur“. Ähnlich wie heutzutage Digitalkameras im EXIF-Dateianhang diverse Aufnahmeinformationen speichern, konnte sich der APS-Film auch schon Einiges „merken“. Unter anderem eben das gewählte Bildformat – aber zum Beispiel auch den aktuellen Bildzähler-Stand, den Film-Typ, das Datum und/oder die Zeit der Aufnahme, die Belichtungsdaten oder die Filmlänge (APS-Filme gab es mit 15, 25 oder 40 Aufnahmen). Noch bevor DPOF (Digital Print Order Format) für Digitalkameras erfunden wurde, konnte man bei einigen APS-Kameras schon festlegen, wie viele Abzüge man von einer bestimmten Aufnahme haben wollte; bei manchen APS-Kameras konnte man auch aus einer Liste von fest eingespeicherten Bildkommentaren (z. B. „Hallo!“ oder „Happy Birthday!“) eins auswählen, das dann im Labor entweder in das Foto einbelichtet oder auf die Rückseite des Foto-Abzugs aufgedruckt wurde. Welche Daten die Kamera festhielt und wie sie das tat (der APS-Film bot dafür zwei Möglichkeiten in Form mehrerer schmaler Magnetspuren auf dem Film und/oder der optischen Speicherung über die Einbelichtung verschiedener Codes und Markierungen an), hing stark vom Preis-/Ausstattungsverhältnis der jeweiligen Kamera ab. Einfachere Kameramodelle aus dem untersten Preisbereich speicherten nur die allernötigsten Daten meist optisch ab, während die teureren Modelle beide Aufzeichnungssysteme (optisch und magnetisch) nutzten und mehr Möglichkeiten bei der Daten-Aufzeichnung boten.
 

Grafik Magnetaufzeichung

 
Durch dieses Form des „Datenaustauschs“ (weshalb diese Technologie auch auf den Namen „Information eXchange“ oder kurz IX getauft wurde), war es sogar möglich, den Film zu wechseln, noch bevor man ihn vollgeknipst hatte. Auf dem Film wurde die letzte Bildnummer vor dem Filmwechsel vermerkt und die Kamera spulte beim erneuten Einlegen des Films automatisch auf die nächste freie Position vor (was praktisch war, wenn man z. B. zwischendurch einen Film mit anderer Empfindlichkeit benutzen wollte). Auch sollte die IX-Technologie zur Verbesserung der Bildqualität beitragen, weil das Labor anhand diverser Informationen (Filmtyp, Belichtungsdaten, Farbcharakteristik, etc.) den Entwicklungs- und/oder Belichtungsprozess optimieren konnte. Zumindest in der Theorie…

Denn in der Praxis sah nicht alles so revolutionär und fortschrittlich aus, wie es die Marketing-Leute von Kodak und Konsorten einem vorschwärmten. So werteten die Labore aus Zeit- und / oder Kostengründen meist nur einen Bruchteil der aufgezeichneten Informationen aus und die Kamerahersteller implementierten die IX-Funktionen auch nur recht halbherzig. Der größte Widerstand kam aber von den Minilabs und von den Endverbrauchern. Die Fotogeschäfte mit eigenem Minilab sahen sich gezwungen, Unsummen an Geld in neue APS-kompatible Minilab-Geräte zu investieren und die Endverbraucher sahen es auch nicht ein, warum sie sich für dieses neue Filmformat extra eine neue Kameraausrüstung anschaffen sollten und dann auch noch für APS-Filme und die Abzüge vom APS-Film mehr bezahlen sollten als bisher für den Kleinbildfilm. Schon lange vor den Glaubenskriegen zum Thema „Vollformat vs. kleinere Bildsensoren“ war es darüber hinaus auch schwer, den Leuten zu vermitteln, dass ein kleineres Aufnahmeformat eine bessere (oder zumindest eine dem Kleinbildfilm ebenbürtige) Bildqualität abliefern sollte. Und als dann auch noch die technologischen Entwicklungen in Sachen neuartiger Emulsionen und Schichtträger doch beim Kleinbildfilm Einzug hielten und dieser seinen Qualitätsvorsprung wieder ausbauen konnte, war es mit der Akzeptanz für das APS-System endgültig vorbei.

Dazu kamen andere Faktoren, die noch weiter zur Kaufzurückhaltung beim gemeinen Konsumenten beitrugen: dank moderner Filmtransportsysteme war ein umständliches Einfädeln des Films auch bei Kleinbildkameras nicht mehr nötig, lange Zeit waren Dia- und SW-Filme im APS-Format nur in homöopathischen Mengen im Handel zu finden (und das oft zu verhältnismäßig teuren Preisen) und die eigene Entwicklung der Filme in der heimischen Dunkelkammer war auch nicht wirklich möglich (u. a. wegen des Konzepts des vollständig in der Filmpatrone eingeschlossenen Films, der fehlenden Entwicklungsdosen bzw. Spulen fürs APS-Format sowie der meist nicht für Endanwender erhältlichen Chemikalien für die speziellen Entwicklungsprozesse der APS-Filme). Selbst der Größenvorteil der APS-Kameras zog nicht immer; bewiesen doch z. B. die Minox 35, die Ricoh GR1 oder die Olympus :mju, dass man auch rund um den guten alten Kleinbildfilm recht kompakte Kameras bauen konnte.
 

Foto

 
Den Todesstoß versetzten aber die Digitalkameras dem APS-System. Noch im selben Jahr, in dem das APS-System offiziell vorgestellt wurde, kamen erste halbwegs erschwingliche Kompaktdigitalkameras wie die Olympus-Modelle C-400L und C-800L, die Agfa ePhoto 307, Canons PowerShot 600 oder Casios Schwenkobjektiv-Digicam QV-300 auf den Markt. Zwar Anfangs noch mit sehr bescheidenen Auflösungen (VGA und XGA), aber der Trend zum Digitalen zeichnete sich schon ab. Und musste man beim APS-System den Film noch entwickeln lassen und sich dann einen teuren Bildbetrachter (wie z. B. Fujifilms Photo-Player AP-1 oder den nahezu baugleichen Canon IP-100 mit Preisen von knapp 1000 DM) kaufen, um seine Bilder auf dem Fernseher ansehen zu können, ging das bei den Digitalkameras mit dem meist mitgelieferten Videokabel.

Wie auch immer: Hätte das APS-System fünf Jahre früher das Licht der Welt erblickt, hätte es vielleicht noch eine faire Chance gehabt, aber angesichts der rasanten Entwicklung der digitalen Fotografie war APS quasi eine „Totgeburt“. Nur mit viel Mühe bzw. Marketingaufwand sowie mit dem späteren Ausverkauf der APS-Kameras zu Schleuderpreisen gelang es Kodak und Konsorten, das APS-System nicht zum vollkommenen Flop verkommen zu lassen.

Zu besten Zeiten wurden weltweit gerade mal 2,5 Millionen APS-Kameras pro Jahr verkauft, so dass ein Hersteller nach dem anderen die Reißleine zog und das System einstampfte. Nur acht Jahre nach der Einführung des APS-Systems stellte auch Kodak selbst die Herstellung von APS-Kameras ein; 2011 dann gaben Kodak und Fujifilm die Produktion von APS-Filmen auf.

Und die Moral von der Geschichte: Vertraue die Einführung irgendeiner technischen Entwicklung nie allein Marketing-„Spezialisten“ an, die mit ihrem BWL- / VWL-Wissen meist an den (echten) Bedürfnissen des Konsumenten vorbei entwickeln lassen und die auch im Falle des APS-Systems nur die Dollarscheine vor Augen hatten: man wollte ja im Grunde nur die Film- und Kameraverkäufe wieder ankurbeln, den Fotogeschäften neue Minilab-Geräte für teures Geld verkaufen und durch das kleinere Filmformat bzw. die kleinere Emulsionsfläche am teuren Silber sparen, das in Form von Silberhalogenid bei der Filmherstellung benötigt wird.

Das APS-Exempel kann jedem Unternehmen ein lehrendes bzw. mahnendes Beispiel dafür sein, wie man es nicht macht.
 

(Jürgen M. Beckmesser)