Draußen regnet es (mal wieder) … und wir schmökern in Fotobüchern
In diesem verregneten Frühjahr hilft manchmal nur ein Blick in ein Fotobuch. Mein Buch der Stunde ist Martin Parrs „Life’s a Beach“. Parrs Blick auf die Grotesken des Strandlebens ist zwar vielfach nachgeahmt worden, doch auch hier gilt: Meist ist das Original besser als die Kopie.
Martin Parr, Mablethorpe, England, 1992
Martin Parr, Ocean Dome, Miyazaki, Japan, 1996
Was die Menschen an Sonnenstränden so tun, das ist seit vielen Jahren schon ein Thema des britischen Fotografen Martin Parr. Seine grell-bunten, satirischen Fotografien wurden vielfach kopiert, doch ist sein Stil immer noch unübertroffen. Der 1952 geborene Parr führt die Absonderlichkeiten und Spleens des Strandlebens vor Augen. Pointiert, komisch, mit beißendem Humor. An allen Stränden der Welt hat der Magnum-Fotograf gearbeitet, hat Sonnenbrände fotografiert, Menschen beim Picknick, dickbäuchige Sonnenanbeter. Die schönsten Bilder versammelt jetzt ein farbenfrohes Büchlein (PDF-Datei), das bei Schirmer/Mosel erschienen ist.
Farbfotografien von ganz anderer Note fertigt Henrik Purienne, der als Modefotograf bekannt geworden ist. Sein bei Prestel erschienener Band „Purienne“ zeigt auch Bilder von Sonnenstränden doch sein Blick ist ganz anders als der von Martin Parr. Es ist die Erotik des Strandlebens, die den Südafrikaner interessiert. Seine Bilder sind voyeuristisch und sonnendurchflutet. Die Frauen auf diesen Bildern wirken in gleichem Maße unschuldig wie sinnlich. In fotografischer Hinsicht sind die Bilder sonderbar aus der Zeit gefallen und dennoch ungemein hip. Ein Buch über die hedonistische Leichtigkeit des Sommerlebens.
Nils Udo, Radeau d’Automne, 2012, Frankreich
Nils Udo, Winternest, 1996
Nils Udo, Radeau d’Automne, 2012, Frankreich
Ganz anders das Werk von Nils-Udo, das die Grenzen des Fotografischen hinter sich lässt. Der 1937 geborene Künstler arbeitet stets mit der Natur, mit natürlichen Materialien. Er ist ein Landschaftskünstler, der poetische Arbeiten schafft, die er abschließend fotografisch dokumentiert. Die so entstandenen Werke wurden jetzt in dem Buch „Wanderer in Natur und Kunst“ dokumentiert, das bei Wienand veröffentlicht worden ist.
Sonja Braas, You Are Here 16, 1998
Sonja Braas, Firestorm, 2008
Seit vielen Jahren schon gehört Sonja Braas zu jener Gruppe deutscher Fotokünstler, die in ihrer Arbeit einen eigenen Stil etablieren konnten. Braas’ neues Buch „So Far“, das auch Texte von Stephan Berg und Diana Edkins versammelt, führt den ungewöhnlichen Blick von Braas noch einmal vor Augen. Die Monografie der 1968 in Siegen geborenen Fotokünstlerin zeigt Hochgebirgszonen, Lawinen, Brandungen und Feuersbrünste doch nicht die Ursprünglichkeit der Natur ist es, die Braas hier vor Augen führt. Im Gegenteil: Modellwelten inszeniert Braas. Die Erhabenheit der Natur sie ist gebauter Fake. Sie schafft Bilder, die den Betrachter verunsichern.
René Burri, Santiago de Cuba, Cuba 1984
René Burri, Havana, Cuba 1993
Ein neuer Foto-Band von René Burri wird jene überraschen, die nur das Schwarzweißwerk des bekannten Schweizer Fotografen kennen wie etwa seinen Klassiker „Die Deutschen“ von 1962. Doch Burri ist auch ein exzellenter Farbfotograf, wie „Impossible Reminiscences“ zeigt. Ein Text von Hans-Michael Koetzle führt virtuos in das Werk ein.
Fotos und Copyright: Axel Hoedt
„Einmal im Jahr“ von Axel Hoedt ist ein schmales Buch, das die Fastnachts-Tradition im Südwesten Deutschlands auf neue Art und Weise vor Augen führt: Auf den Straßen von Endingen und Sachsenheim, von Kissleg und Singen, von Wilfingen und Triberg hat der 1966 geborene, in London lebende Fotograf die aufwendigen Kostüme des schwäbisch-alemannischen Brauchtums fotografiert, doch ganz anders, als wir sie bisher kannten: ernst, minimalistisch, kombiniert mit Stillleben und kargen, frostigen Landschaftsbildern. Mal in Farbe, dann Schwarzweiß, dann als Polaroid. Ein unheimliches, intensives Buch.
Aus Wilfried Dechau, Trutg dil Flem
„Trutg dil Flem“ von Wilfried Dechau ist ein Wanderführer der besonderen Art. Das Buch dokumentiert mit Landschaftsbildern die Entstehung eines neuen Bergwegs oberhalb des Kurorts Flims, der über sieben neue Brücken führt.
Frank Herfort, Aliye Parusa
Frank Herfort, Ministry Buildings
In „Imperial Pomp. Post-Soviet High-Rise“ stellt der Leipziger Frank Herfort neue Architektur in Russland vor. Wuchtige, pompöse Bauten, die allesamt nach dem Zerfall der Sowjetunion entstanden sind. Die von der Sehnsucht nach ehemaliger Größe erzählen, deren Skurrilität und Exotik überrascht und Rätsel aufgibt.
Bei Kerber ist auch das Buch „Panorama“ von Josef Dabernig erschienen. Dabernig fotografiert seit Jahren schon Panoramen, vor allem solche von Sportplätzen aus aller Welt. Für den Wiener sind diese Plätze Untersuchungsobjekte, kulturell geprägte Strukturen, die sich auf der ganzen Welt ähneln. Texte von Charles Esche und Katrin Bucher Trantow verdeutlichen seine künstlerische Strategie.
Aus Sebastião Salgado, Genesis
„Genesis“ ist das „Opus Magnum“ von Sebastião Salgado. Das große Werk, das Buch mit dem Anspruch, etwas Besonderes, etwas sehr Besonderes zu sein. Und diese Größe trägt es schon im Titel. Wer sein Buch „Genesis“ nennt, der sollte etwas zu sagen haben. Die letzten Paradiese zeigt er in dem Buch, das in verschiedenen Varianten und Limitierungen (teilweise auch mit signierten Originalabzügen) erscheint: Orte an den Rändern der zivilisierten Welt. Verlassene Orte. Orte, die noch kein Fotograf in Bilder gegossen hat. „In Genesis sprach die Natur durch meine Kamera zu mir. Und ich durfte zuhören, sagt der brasilianische Fotograf über sein Buch. Verschiedene Ausstellungen in London, Rom und Toronto zeigen derzeit die Bilder.
William Wegman, Splitting Image, 2005
Large-format Polaroid print 24 x 20 in.
Courtesy of Marc Selwyn Fine Art, Los Angeles; © William Wegman
John Maggiotto, Untitled (Superman), 1983
Polaroid SX-70 print 3 1/8 x 3 1/16 in.
Collection of William Currie; © John Maggiotto
Lucas Samaras, Photo Transformation, November 7, 1973
Polaroid SX 70 print 3 1/8 x 3 1/16 in.
The J. Paul Getty Museum, Los Angeles; © Lucas Samaras
Mary-Kay Lombinos Werk „The Polaroid Years. Instant Photography and Experimentation“ fasst leider nur in englischer Sprache die Geschichte der Polaroid-Fotografie zusammen. Edwin Land, der Erfinder des Polaroid-Verfahrens, hat einmal gesagt: „Fotografie wird nie wieder sein wie vorher. Dieses Buch zeigt in Wort und Bild, warum er recht hatte. Zu sehen sind unter anderem Arbeiten von Chuck Close, Walker Evans, David Hockney, Robert Mapplethorpe, Lucas Samaras und William Wegman.
Andreas Müller-Pohle, Hong Kong Island, From A Boat Near Shau Kei Wan, 2010 / New Territories, Lantau Island, 2009
Andreas Müller-Pohles neue Wasserbilder führen ein Fotoprojekt fort, an dem der Berliner schon seit einigen Jahren arbeitet. Das nun erschienene Buch „Hong Kong Waters“ zeigt die Megastadt Hong Kong aus der Perspektive des Wassers halb unter, halb über der Wasseroberfläche. Ein neuer Blick auf die Wolkenkratzer-Stadt, deren Wasserlandschaft mit ihren Flüssen, Kanälen, Reservoirs und Wasserfällen überraschend vielgestaltig ist.
Am Ende von Foto-Frisch steht wie immer eine Empfehlung, Fotokunst käuflich zu erwerben. Man kann in Onlinegalerien fündig werden, bei Fotokunst-Galerien, auf Kunstmessen, in Auktionshäusern, bei Kunsthändlern oder auch in den Ateliers der Künstler selbst. Wir möchten Ihnen Arbeiten vorstellen, die wir für sammlungswürdig halten angeboten von seriösen Galerien, Verlagen oder Händlern.
Frank Herfort, Bayterek Tower
Diesmal empfehlen wir Frank Herforts „Collector´s Edition“ aus „Imperial Pomp“ für 450 Euro, die in einer Auflage von 4 Motiven a 10 Exemplaren + 2 Artist´s Proofs erschienen ist. Die Pigment-Prints auf Hahnemühle Fine Art Pearl Papier (Format 30×40 cm; Bildformat 28×38 cm) sind jeweils vom Künstler nummeriert und signiert. Zur Edition wird eine begleitende Publikation gratis mitgeliefert.
(Marc Peschke)
Ich geb’s auf…
… ich werd nie verstehen was Kunst ist und was nicht…
Luke schrieb:
… ich werd
[quote=Luke]… ich werd nie verstehen was Kunst ist und was nicht…[/quote]
Ist doch eigentlich nicht so schwer: Was IHNEN ‘was sinnvolles über die Welt und das Leben erzählt und was SIE an rührt, das ist Kunst. Um alles andere brauchen Sie sich nicht zu kümmern.
Laut Kant ist es ein spezieller Irrtum der Deutschen, dass sie meinen, man könne allgemeine Regeln dafür aufstellen, wonach sich ein Geschmack zu richten habe.
Ich finde diese Serie über Fotokunst immer anregend, obwohl mir auch nicht alle vorgestellten Bilder was sagen oder gefallen und ich mir manche Bildbände nie kaufen würde.
1. Kunst ist keine
1. Kunst ist keine Definitionsfrage. Definieren, also festlegen, kann man alles, auch bar jeder Erkenntnis oder im Widerspruch zu dieser.
2. So wie jeder denknotwendig eine Vorstellung von der Welt und ein Bild vom Menschen besitzt, besitzt auch jeder eine Vorstellung von dem was Kunst sein könnte – und sei sie noch so ungenau.
3. Wenn es etwas zu erklären gäbe, wäre es schon erklärt worden (unserem Verstand).
4. Der Kunstbegriff unterscheidet sich in verschiedenen Menschen-Gruppen und unterliegt einem zeitlichen Wandel.
5. Eine weit gefasste Vorstellung von Kunst kann beispielsweise sein, dass alles das Kunst ist, was dies zu sein beansprucht. Eine andere, das Kunst sei, wovon der Künstler leben können, usw. usw. Die Frage hinter dem Kunstbegriff lautet (im Gegensatz zu 1.) vermutlich: was kann ich erkennen, und wie bewerte ich es? Was lasse ich gelten und was lehne ich ab?
6. Nur wer viel anschaut und vergleicht entwickelt einen (eigenen) Maßstab für Qualität.
Lick a shot
Gast schrieb:
Wie wollen
[quote=Gast]Wie wollen Sie denn den Begriff der Qualität definieren?
[/quote]
Ich definiere nicht (siehe 1.), ich erkenne.
Beiden Vor-Kommentatoren
Also von erfolgreichen Amateuren geht Profifotografen bei den Honoraren in der Regel keine Gefahr aus. Die die ich kenne erkundigen sich, was momentan für solche Veröffentlichungen im komerziellen Bereich gezahlt wird und fordern das auch und verzichten ggf. auf die Veröffentlichung ! Habe mich gerade auf 250 € für Bild ” herunterhandeln ” lassen, weil die Publikation nur eine Auflage von 3000 hatte , persönlich habe ich noch NIE eine honorarfreie Veröffentlichung akzeptiert.
Und was die Empathie und Spaß an künstlerischer Fotografie angeht, so habe ich die generell flöten gehen sehen, wenn die Freunde ins Profilager gewechselt sind, das heißt aber nicht, dass ich die Problematik dieses Berufes nicht verstehen würde.
Und was die gepriesene Qualität angeht, Kunst ist Geschmacksache und die liegt in den Augen des Betrachters.
Kunst kommt nicht von Können …
… sondern mehr von: künstlich die Preise treiben.
Können und (er)kennen sind inhärente Bestandteile von Kunst – da mag man sich, vielleicht interessengesteuert, noch so sehr darum herum winden wollen …
Gast schrieb:
… sondern
[quote=Gast]… sondern mehr von: künstlich die Preise treiben.
Können und (er)kennen sind inhärente Bestandteile von Kunst – da mag man sich, vielleicht interessengesteuert, noch so sehr darum herum winden wollen …[/quote]
Nein, auch das ist Gott sei Dank schlichtweg falsch … aber es ist eine einfache Art sich nicht mit Kunst und ihren vielfältigen Richtungen auseinanderzusetzen oder zusetzen müssen