Das sagen wir nicht jeden Monat: Wir haben eine Ausstellung gesehen, die so ziemlich alles übertrifft, was derzeit als Fotokunst in Galerien, Museen und Kunstvereinen ausgestellt wird. Ort dieses Spektakels ist die Kunsthalle in Mainz. Jeder, der die Gelegenheit hat, sollte dort die Ausstellung von Nico Krebs und Taiyo Onorato sehen – Sie werden sie nicht vergessen! Und sonst? Neue Bücher! Weitere Ausstellungen in Berlin, München und Wien:

 

Foto SpringerParker, aus: On Broadway, 2008

SpringerParker, aus: On Broadway, 2008

 
Wir haben schon einmal ausführlich über das komplexe multimediale Werk des Berliner Künstlerduos SpringerParker berichtet, diesmal möchten wir nur kurz auf eine aktuelle Ausstellung hinweisen. SpringerParker zeigen bis zum 8. Oktober im Petra Rietz Salon neue, zum Teil auch fotografische Arbeiten, die den Betrachter auf ungewöhnliche Weise in Bann ziehen.
 

Foto Meike Fischer
 
 
Foto Meike Fischer

Copyright Meike Fischer

 
Auch Meike Fischers Fotobuch „8 qm – Tisch – Bett – Stuhl“, gerade erschienen im Kehrer Verlag, entführt den Betrachter an einen ungewöhnlichen Ort. Fischer hat in dem kurz zuvor geschlossenen Frauengefängnis in Frankfurt-Preungesheim fotografiert – eine stille Serie über die karge Welt des Gefängnisses, über Zellen, die nur 8 Quadratmeter groß sind – normierte Ordnung, doch immerhin ein Ort, an dem man träumen, verharren, alleine, autark sein kann. So ist auch ein ungewöhnlicher Blick in die Innenwelt der ehemaligen Insassen entstanden. Eines der schönsten Fotobücher dieses Sommers!
 

Foto Robert Rauschenberg: Untitled [Jasper with flag painting, Pearl Street studio], ca. 1955

Robert Rauschenberg: Untitled [Jasper with flag painting, Pearl Street studio], ca. 1955

 
Weniger überzeugend dagegen das vollmundig angekündigte Fotobuch des 2008 verstorbenen „Allround-Modernisten“ Robert Rauschenberg: Die unveröffentlichten Photographien (PDF-Datei). So wegweisend Rauschenbergs Arbeit auf dem Feld der Malerei war, so mittelmäßig ist sein fotografisches Schaffen. Das Buch „Robert Rauschenberg: Photographs 1949-1962“ ist die erste Publikation, die Rauschenberg als Fotografen vorstellt. Wie immer bei Schirmer/Mosel vorzüglich gedruckt, doch im Grunde ist es vor allem als Zeitdokument interessant. So finden wir hier zumindest einige interessante Porträts von Zeitgenossen wie Cy Twombly, Jasper Johns, John Cage, Merce Cunningham oder Willem de Kooning, welche die amerikanische Kunstszene der 50er und 60er beleuchten.
 

Foto Carlo Mollino, Untitled Polaroid, circa 1962-73 Foto Carlo Mollino, Untitled Polaroid, circa 1962-73

Carlo Mollino, Untitled Polaroids, circa 1962-73

 
Bis zum 25. September zeigt die Kunsthalle Wien das fotografische Werk des 1905 geborenen Turiners Carlo Mollino: Polaroids mit inszenierten Akt-Porträts von Schönheiten des Turiner Nachtlebens – angefertigt in seiner Turiner Villa „Casa Mollino“. Eine spannende Schau, die Einrichtungsgegenstände aus dieser Villa mit Polaroids des Künstlers zusammenbringt. Zur Ausstellung erscheint ein Katalogbuch im Verlag für moderne Kunst Nürnberg. Ab 16. September 2011 ist dann im Münchener Haus der Kunst eine Ausstellung zum Gesamtwerk Mollinos zu sehen: Carlo Mollino – Maniera Moderna. (Siehe auch: Tröstliche Schönheiten des Turiner Nachtlebens.)

Der Berliner Galerist Cai Wagner hat ein Buch geschrieben, das einen einfachen Titel trägt: „Eine Galerie finden“ heißt es und versteht sich als „Ratgeber für Künstler“. Auf 144 Seiten vermittelt der Autor Grundlegendes zu einem schwierigen Thema: der Suche nach der richtigen Galerievertretung. Themen sind weiterhin der Kunstmarkt, aber auch Spezielles zum Vertragsrecht. Eine gut geschriebene, präzise Einführung.
 

Hans-Martin Asch, Heliogramm, 30x40 cm

Hans-Martin Asch, Heliogramm, 30×40 cm, Galerie Alessandra Nobilia

 
Selten habe wir uns bisher mit der Fotoszene in Rheinland-Pfalz befasst. In Mainz zeigt seit einigen Monaten die Galerie Alessandra Nobilia immer wieder gute Fotoausstellungen. So auch zur Zeit: Hans-Martin Asch – „nicht von ungefähr“. Asch ist ein in Berlin lebender Fotokünstler, dessen Thema immer wieder die Natur ist. Das Ergebnis seiner fotografischen Recherchen sind zeitlose Bilder – präsentiert als Heliogramme, Bilder, die ohne Kamera entstanden sind, wie Asch sagt: „Der Schatten ist per se bereits ein zweidimensionales Phänomen, daher musste es möglich sein, ohne die Verwendung einer Kamera, den Schatten zu behandeln wie ein bereits auf eine Ebene projiziertes reelles Bild, das nun nur noch mit Hilfe von lichtempfindlichem Material aufgezeichnet werden muss.“
 

Foto Thomas Zacharias, Serpillières

Thomas Zacharias, Serpillières

Die Lumpen hat Zacharias im Pariser Marais-Viertel entdeckt. Die Straßenreinigung funktioniert dort so: Aus den Gullys fließt zu bestimmten Tageszeiten Wasser und schwemmt die Abfälle den Rinnstein entlang. Damit das Wasser nur in eine Richtung fließen kann und entsprechend Druck hat, wird es durch die Lappen gelenkt und gestaut.

 
Noch zwei weitere Fotobücher möchten wir Ihnen in diesem Monat vorstellen. Das eine ist auf den ersten Blick etwas unspektakulär. Thomas Zacharias’ Band „Serpillières“ ist in Paris aufgenommen und ist ein gutes Beispiel dafür, wie poetisch der Alltag sein kann. „Ich sehe wie ein Sammler, etwas am Boden liegen und hebe es auf. Es sammelt sich viel an, man wirft das meiste wieder weg, aber manchmal sieht man etwas Interessantes erst über das Foto. Oder umgekehrt: erst das Foto gibt dem Ding eine Bedeutung“. Zacharias hat für sien Buch im Marais-Viertel fotografiert; ausschließlich Lumpen, welche bei der Straßenreinigung benutzt werden – alte Stoffreste, die man jedoch genauer betrachten sollte. Sie alle unterscheiden sich – und entwickeln, nach und nach, eine poetische Schönheit.
 

Foto Andreas H. Bitesnich, Delhi, 2007, Jama Masjid

© India by Andreas H. Bitesnich, Delhi, 2007, Jama Masjid
published by teNeues, € 79,90, www.teneues.com
Photo © 2011 Andreas H. Bitesnich. All rights reserved. www.bitesnich.com

 
Von ganz anderer Art ist „India“, der neue Prachtband von Andreas H. Bitesnich – bereits das achte Buch, das Bitesnich im Verlag teNeues herausbringt. Der Blick des Fotografen gilt dem exotischen Indien, seine Bilder wollen nicht weniger, als alle Seiten des Lebens dokumentieren. Nostalgisch muten die Farben an, prächtig leuchten diese Bilder. Bitesnich versteht sein Buch auch als eine Hommage an ein Land, das sich „leidenschaftlich der Tradition wie der Moderne verschrieben hat“.
 

Nico Krebs vs. Taiyo Onorato, Leadville 4, 2008

Nico Krebs vs. Taiyo Onorato, Leadville 4, 2008
C-Print gerahmt, 18×24 cm
Mit freundlicher Genehmigung der Künstler und FELDBUSCHWIESNER-Galerie

 
 

Nico Krebs vs. Taiyo Onorato, View 1, 2008

Nico Krebs vs. Taiyo Onorato, View 1, 2008
C-Print gerahmt, 50×67 cm
Mit freundlicher Genehmigung der Künstler und FELDBUSCHWIESNER-Galerie

 
Das Beste am Ende. In der Kunsthalle in Mainz ist derzeit eine Ausstellung zu sehen, welche das Werk des jungen Schweizer Fotokunst-Duos Nico Krebs und Taiyo Onorato erstmals in Deutschland vorstellt: Nico Krebs vs. Taiyo Onorato ist überwältigend in der Vielzahl der Sujets, der ungewöhnlichen Bildideen, der kreativen Präsentation. Selten hat man in den vergangenen Jahren eine Fotoausstellung gesehen, die fotografische Experimente so gelungen mit Sinn für Schönheit und Inhalte zu verbinden wusste. Zu sehen ist etwa die große Fotoserie „The Great Unreal“, die auf mehreren Reisen durch die USA entstanden ist. Überraschend sind auch die Foto-Installationen des Duos. Sie beschränken sich nicht darauf, Bilder an die Wand zu bringen, sondern entwickeln mit ihren Fotoarbeiten vielgestaltige, raumgreifende Installationen. Taiyo Onorato und Nico Krebs studierten Fotografie an der Hochschule der Künste in Zürich und arbeiten seit 2003 als Künstlerduo zusammen. Ihr 2009 erschienenes Künstlerbuch „The Great Unreal“ wurde mehrfach mit Preisen ausgezeichnet und liegt nun in 2. Auflage vor, die auch in der Kunsthalle Mainz erhältlich ist.

Am Ende von Foto-Frisch steht wie immer eine Empfehlung, Fotokunst käuflich zu erwerben. Man kann in Onlinegalerien fündig werden, bei Fotokunst-Galerien, auf Kunstmessen, in Auktionshäusern, bei Kunsthändlern – oder auch in den Ateliers der Künstler selbst. Wir möchten Ihnen in Zukunft Arbeiten vorstellen, die wir für sammlungswürdig halten – angeboten von seriösen Galerien, Verlagen oder Händlern.
 

Nico Krebs vs. Taiyo Onorato, Grow Homes, 2007 / 2011

Grow Homes, 2007 / 2011
Tintenstrahldrucke auf Sperrholz / MDF mit Epoxidharz lackiert
Erde, Bepflanzung (optional), Größen variieren

(Die abgebildeten Objekte sind Beispiele. Sie sind nicht Teil des Editionskonvoluts.)

 
Diesmal empfehlen wir ein Editionsobjekt, das die Kunsthalle Mainz anlässlich der Ausstellung von Nico Krebs und Taiyo Onorato herausgegeben hat. Es handelt sich hierbei um 20 Unikate mit dem Titel „Grow Homes“, Tintenstrahldrucke auf Sperrholz / MDF mit Epoxidharz lackiert; Erde und Bepflanzung, die Größen variieren von 120x50x50 cm bis 30x20x20 cm. Die aktuell in der Ausstellung befindlichen bepflanzbaren Objekte können reserviert und nach Ablauf der Ausstellung zum Preis von je 450 Euro erworben werden.

Übrigens: Wir freuen uns immer über Anregungen in Sachen Fotokunst. Bitte an: redaktion@photoscala.de oder info@marcpeschke.de.

(Marc Peschke)