Titel von Sibylle; Heft 1, 1956Modefotografie in der DDR, die mehr sein wollte als Abbildung, das war zumeist Fotografie, die in der „Sibylle“ erschienen ist – einer Zeitschrift, die wie keine andere Mode als kulturelles Phänomen vorgestellt hat. Jetzt sind die schönsten Fotografien aus „Sibylle“ wieder zu entdecken – in einem Buch von betörendem Reiz:

Im Jahr 1956 erschien die erste Ausgabe der „Sibylle“ und sollte über drei Dekaden die führende Modezeitschrift der DDR werden. „Zeitschrift für Mode und Kultur“ nannte sie sich – und seit im Jahr 1961 der Modeteil des Magazins unter der Ägide von Dorothea Bertram gestaltet wurde, war der Anspruch kein geringer: anders sollte das Heft nun sein. Anders und ungestellt.
 

Titel von Sibylle; Heft 1, 1956

Titelseite Sibylle; Heft 1, 1956

 
„Als die Mannequins bei meiner ersten Modeproduktion vor dem Pergamonaltar so gekünstelt posierten, habe ich den Fotografen überzeugt, sie einfach ganz natürlich auf die Stufen zu setzen. Da war der Anfang gemacht …“ erzählte Dorothea Bertram einmal, die später den Fotografen Roger Melis heiratete. Dorothea Melis arbeitete mit den besten Fotografinnen und Fotografen der DDR zusammen: mit Roger Melis, Arno Fischer, Günter Rössler, Sibylle Bergemann, Sven Marquardt oder Ute Mahler – allesamt Lichtbildner, die mehr wollten als reine Abbildung.
 

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Foto: Sven Marquardt. Aus Sibylle, Jahrgang 1987
 
 
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Foto: Ute Mahler. Aus Sibylle, Jahrgang 1979

 
Beim Blättern in dem jetzt erschienenen Band „Sibylle. Modefotografien 1962-1994“ bemerkt man, das solche Modefotografie heute selten geworden ist: Bilder voller Atmosphäre, mit guten Bildideen, gelungenen Kompositionen. Auch das hier gezeigte Frauenbild ist selten geworden: Wir bewundern zumeist natürliche Eleganz in den Schnitten – vorgeführt von selbstbewusst in die Kamera blickenden, alles andere als koketten Frauen. „Die berufstätige, selbstbewusste, emanzipierte Frau wollte man zeigen, sich von alten Klischees trennen. Mode ins Verhältnis setzen zu den gesellschaftlichen Idealen“, so erinnerte sich die 1938 in Berlin geborene Dorothea Melis in einem Interview.
 

Foto: Sibylle Bergemann. Aus der Serie „Seebäderbilder“ in Sibylle 2/1981

Foto: Sibylle Bergemann. Aus der Serie „Seebäderbilder“ in Sibylle 2/1981

 
Es ist ein Jammer, dass sich die unter der strengen Aufsicht der SED stehende Mode- und Kulturzeitschrift in der DDR halten konnte, doch im wiedervereinigten Deutschland bald nicht mehr. Seit 1994 ist die „Sibylle“ Geschichte, geschluckt von einem zusehends konformistischer werdenden Zeitschriften-Markt. So bleibt dieses Buch, um auf Spurensuche zu gehen – und etwa die blutjunge Katharina Thalbach zu entdecken, fotografiert von Sibylle Bergemann.

So sind auch die besten Schwarzweißfotografien dieses berührenden Bandes keine reinen Modefotografien, sondern ästhetische Zwitter zwischen Porträt, Reportage und Mode, selten im Studio inszeniert, meist auf öffentlichen Plätzen, Straßen oder auch vor tristen, grauen Industriegebäuden. Nachdenkliche, versonnene Bilder, die eine sehr eigenständige Idee von Schönheit formulieren. „Wir haben nicht nur Mode fotografiert, wir haben Bilder gemacht, die uns wichtig waren“, so sagte die Fotografin Ute Mahler einmal.

(Marc Peschke)
 

Titel: Sibylle. Modefotografie 1962-1994

Buch:
Dorothea Melis (Hrsg.)
Sibylle. Modefotografie 1962-1994 (bei amazon.de)
176 Seiten, € 24,90
Lehmstedt Verlag, Mai 2010
ISBN-13: 978-3-937146-87-4
 
 
Ausstellung:
Modefotografie und Frauenbilder in der DDR
Bis 22. August 2010
Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte
Am Neuen Markt 9
14467 Potsdam
Dienstag bis Freitag 10-17, Samstag und Sonntag 10 bis 18 Uhr