Logo EuropeanaDie Europäer müssen sich beeilen, wenn ihre digitale Bibliothek „Europeana“ gegen privatwirtschaftliche Unternehmen wie „Google Buchsuche“ (Google books) bestehen will. Eine Entschließung des Europäischen Parlaments soll Europeana neues Leben einhauchen:

Hinter Europeana steht die Idee, das europäische Kulturerbe zu schützen und für kommende Generationen zu erhalten. Insbesondere Werke, die bislang hinter verschlossenen Türen aufbewahrt wurden, sollen der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden. Die Weiterentwicklung der verhalten gestarteten digitalen Bibliothek Europeana wird nun durch einen Bericht und einen Entschließungsentwurf der Bremer Grünen-Europaabgeordneten Helga Trüpel, dem sich das Europäische Parlament Anfang Mai anschloss, eingefordert und konkretisiert: „Europeana – die nächsten Schritte“.

Bislang stellt Europeana 6 Mio. digitalisierte Werke, darunter Bücher, Zeitungen, Filme, Fotos, Textdokumente, Karten, Gemälde, Musik und Fernsehsendungen bereit. Das besondere an dieser digitalen Bibliothek ist, dass sie nicht selbst die digitalen Werke sammelt und speichert, sondern deren Metadaten sammelt und auf die Internetauftritte der Netzwerkteilnehmer (so genannte „Content Provider“, z.B. Nationalbibliothek der Niederlande) verlinkt.

Dabei leisten die jeweiligen Mitgliedstaaten der EU unterschiedliche Beiträge zu Europeana: Frankreich allein etwa stellt derzeit 47 % der gesamten digitalen Objekte zur Verfügung. Bei einem Großteil der bei Europeana zu findenden Werke handelt es sich um Bilder. Lediglich 5 % der digitalen Bücher sind bei Europeana erhältlich. Davon kommt die Hälfte wiederum aus Frankreich. Die Deutschen wollen Europeana mit dem Aufbau einer eigenen, nationalen Digitalbibliothek unterstützen. Dieses deutsche Projekt soll im Jahre 2011 online verfügbar sein. Hier zeigt sich, dass das Projekt „Europeana“ den Prozess der Digitalisierung nur langsam vorantreiben kann. Oder kurz: Die Entscheidungswege sind zu lang.

Die Europaabgeordnete Trüpel mahnt daher auch an: „Angesichts der Massendigitalisierung, die in anderen Teilen der Welt beginnt, muss die breit angelegte Digitalisierung des europäischen Kulturerbes nun dringend ernsthafter betrieben werden.“

Bislang hat sich Europeana drauf konzentriert, Werke zu verarbeiten, deren Urheberrechtsschutz ausgelaufen ist. Die Europäer müssen dringend Lösungen finden; zum einen für urheberrechtlich geschützte Materialien und zum anderen für die akuten Probleme bei verwaisten Werken (der Rechteinhaber kann nicht oder nur schwer gefunden werden). Europeana hat zudem aus rechtlichen Gründen auf vergriffene Bücher verzichtet, die ca. 90 % des Bestands nationaler Bibliotheken ausmachen.

Das eigentliche Dilemma zeigt sich anhand der Vorgehensweise von „Google books“. Es ist hinlänglich bekannt, dass „Google books“ bereits Millionen Bücher, teilweise ohne Rücksicht auf das Urheberrecht, eingescannt hat. Im Zuge einer Sammelklage amerikanischer Autoren und Verlage hat Google einen überarbeiteten Vergleich vorgeschlagen, der für Bücher gelten soll, für die bis zum 5. Januar 2009 in den USA ein Copyright beantragt wurde. Dieser Vergleichsvorschlag ermöglicht Google den Zugriff vor allem auf verwaiste Bücher, indem eine Ausgleichszahlung an einen Treuhänder geleistet wird. Außerdem wird darin festgehalten, dass Google nur Bücher digitalisieren darf, die in den USA, Australien, Kanada und Großbritannien verlegt wurden. Für die bereits bei Google verfügbaren Bücher sollen die Kläger eine Pauschalsumme für das Urheberrecht erhalten. Wie dieser Rechtsstreit ausgehen wird, ist bislang ungewiss. Denn selbst die US-Regierung ist mit dem Vorgehen von Google nicht wirklich zufrieden. Zudem wird durch den Vergleichsvorschlag Europa, bis auf Großbritannien, ausgeklammert. Google muss demnach mit den europäischen Verbänden Einzelverträge abschließen. „Google books“ hat aber bereits auch deutsche Bücher eingescannt, wogegen sich die deutschen Interessenverbände wehren und vor dem US-Gericht ihre Ansprüche geltend machen. Die Europäer kritisieren vor allem die Vorgehensweise von Google: vor dem Einscannen wurde keine Erlaubnis des Rechteinhabers eingeholt, sondern der kann der Nutzung nur nachträglich widersprechen.

Die Franzosen stehen bereits kurz vor der Kapitulation gegenüber Google. Die staatseigene Digitalbibliothek „Gallica“ hat knapp 200.000 Bücher digitalisiert, wohingegen Google über Exklusivverträge mit französischen Bibliotheken rund 12 Mio. Bücher in einem viel kürzeren Zeitraum digitalisiert hat. Schön nachzulesen ist das Für und Wider einer Zusammenarbeit unter den Farben der Trikolore im Börsenblatt unter Frankreich und sein Verhältnis zu Google. Aber auch in Deutschland wird bereits mit Google kooperiert – trotz aller Kritik seitens offizieller Vertreter wie der Bundesjustizministerin oder der Bundeskanzlerin. So arbeitet beispielsweise die Bayerische Staatsbibliothek seit 2007 mit Google zusammen.

Kritiker bemängeln an „Google Buchsuche“, dass vor allem englischsprachige Titel verfügbar sein werden und über das Google-Ranking eine Vorauswahl in der Suchfunktion erfolgt. Im Gegenzug kann kritisiert werden, dass das Wenige, was Europeana enthält, wohl eher auf Französisch einzusehen ist. Die Europäer müssen daher dringend die Digitalbibliothek Europeana mit Inhalten aus möglichst allen Mitgliedsstaaten in gleicher Konzentration füllen. Eine echte Mammutaufgabe, die zudem einer rechtlichen Grundlage für das Digitalisieren aller Werke bedarf. Die Wahrscheinlichkeit einer Zusammenarbeit mit Google auf europäischer Ebene wächst, wenn das Projekt Europeana nicht endlich richtig in Gang kommt.

(agün)
 
 
Siehe auch:
„Join Europeana!“ (Europagruppe Grüne)
Digitale Weltbibliothek geht online