Screenshot KolosseumEine neue Version der Software Photo Tourism errechnet aus (hunderttausenden) Urlaubsfotos 3D-Modelle von Bauwerken und sogar Stadtteilen. Im nächsten Schritt dann sollen ganze Städte dreidimensional rekonstruiert werden:

Binnen eines Tages hat eine neue Version der Software „Photo Tourism“ aus rund 150.000 Urlaubsfotos aus dem Internet-Fotoportal Flickr 3D-Modelle antiker Sehenswürdigkeiten und ganzer Stadtteile erstellt. Neben dem Kolosseum entstanden auch virtuelle Versionen des Petersdoms, des Trevi-Brunnens und sogar der gesamten Altstadt der kroatischen Hafenstadt Dubrovnik.
 

Sankt-Markus-Platz in Venedig. Die Rekonstruktion fußt auf 13.699 Fotos und ca. 4,5 Millionen 3D-Punkte.

 
Das Programm untersucht für die Erstellung dreidimensionaler Modelle die Bilder auf gemeinsame Punkte, um sie dann ähnlich wie ein 3D-Puzzle zu einem räumlichen Modell zusammenzufügen. Die Vorgängersoftware bietet Microsoft seit 2008 unter dem Namen Photosynth an. „Photosynth und Photo Tourism rekonstruierten einzelne Sehenswürdigkeiten. Wir machen das jetzt mit ganzen Städten“, sagt der Photo-Tourism-Erfinder Noah Snavely, Informatiker an der Universität Ithaca, der die erste Version des Programms bereits vor Jahren im Rahmen seiner Doktorarbeit entwickelt hatte. Die Herstellung von 3D-Modellen einzelner Bauwerke aus Urlaubsfotos wird schon länger erforscht, die neue Software ermöglicht durch ihren stark verbesserten Algorithmus jedoch die sehr viel schnellere Verarbeitung der Bilder und macht so sogar die Virtualisierung ganzer Städte möglich.

Für die Herstellung der räumlichen Modelle römischer Bauwerke analysierte das Programm zunächst 13 Stunden lang die eingangs erwähnten 150.000 Flickr-Fotos, die mit den Tags „Rom“ oder „Roma“ gekennzeichnet waren. Anschließend rekonstruierte es rund acht Stunden lang die Bauwerke. Das 3D-Abbild des Kolosseums entstand dabei beispielsweise aus 2.100 Einzelfotos, die sich an mehr als 800.000 Berührungspunkten überschnitten. Für die aufwändigen Arbeitsschritte wurde ein Rechencluster mit rund 500 Prozessoren verwendet. Wären die ursprünglichen Algorithmen, wie sie in der ersten Version von Photo Tourism zum Einsatz kamen, verwendet worden, hätte die Verarbeitung der Fotos nicht einen Tag, sondern ein Jahr gedauert.
 

Kolosseum in Rom

 
Die Herausforderung bei der Entwicklung der neuen Version von Photo Tourism sei vor allem die Datenmenge gewesen, erklärt Sameer Agarwal, ebenfalls Mitglied des Forschungsteams. Die alte Version, die derzeit von Microsoft als Photosynth angeboten wird, verglich bei der Analyse jedes Foto mit allen anderen. Dies funktioniere allerdings nur effektiv, wenn die Zahl der Bilder einige hundert nicht überschreitet. Kommen hunderttausende Bilder ins Spiel, wie dies bei der Rekonstruktion ganzer Stadtteile der Fall ist, stößt die alte Software schnell an ihre Grenzen. Mit dem verbesserten Algorithmus der neuen Version sei dies jedoch kein Problem mehr. Dieser untersuche die Fotos zunächst grob auf Gemeinsamkeiten und analysiert potenzielle Treffer dann genauer.

Das nächste Ziel sei es, mit Millionen von Fotos eine fotorealistische 3D-Tour durch eine ganze Stadt zu erstellen, so Photo-Tourism-Mitarbeiter Steve Seitz. „Das ist eine der größten Herausforderungen. Wir wollen sehen, wie viel einer Stadt aus den Urlaubsfotos von Touristen rekonstruiert werden kann“, sagt er. Gelingt das Projekt, eröffnen sich verschiedene Einsatzmöglichkeiten für die Software. Von Computerspiel-Entwicklern über die Hersteller fortschrittlicher Navigationssysteme bis hin zu Historikern, die beispielsweise das langsam versinkende Venedig als Modell erhalten wollen, könnten verschiedenste Institutionen von den Möglichkeiten, die das neue Photo Tourism bietet, profitieren. Im Oktober will das Team rund um Snavely, Agarwal und Seitz auf der International Conference on Computer Vision in Kyoto die neue Version von Photo Tourist einer breiteren Öffentlichkeit vorstellen.

(pte / Dominik Erlinger)