Edgar Honetschläger, 1967 in Linz geboren, saugt die Inspiration für seine Kunst oft aus den großen Städten. Aus Metropolen wie New York, Tokio, Rom und Palermo, wo Kurzfilme entstanden und andere künstlerische Projekte denn Honetschläger ist gleich ein mehrfacher Grenzgänger, einer, der sich zwischen den Kulturen so wie zwischen den künstlerischen Medien bewegt:
Honetschläger lebt heute in Wien, doch vor allem in Japan, dem Land, „in dem das Christentum nie Fuß fassen konnte, und in welchem Sigmund Freud bis heute keine entscheidende Rolle spielt“, wie er selbst sagt. Nach Film-, Videoarbeiten, Performances, Malereien, Zeichnungen und Klanginstallationen, die oft die vielfältigen Erscheinungsformen und Wirrnisse kultureller Andersartigkeit zum Thema machten, nach found footage-Filmcollagen und „Pseudo-Dokumentationen“ legt Honetschläger jetzt ein eher klassisches Foto-Buch vor.
„Tokyo Plain“, erschienen in der Salzburger Fotohof edition, mutet weniger intellektuell und konzeptionell an als andere Arbeiten des documenta-X-Teilnehmers. Das Buch beginnt mit dem Ich-Satz „1991 übersiedelte ich von New York nach Tokyo. Von den letzten 17 Jahren habe ich insgesamt neun in der Metropole verbracht. Sie ist mein zu Hause geworden.“ Einige Zeilen weiter beklagt Honetschläger die verfälschte Darstellung der Stadt in Kunst und Film als ein „Meer aus Hochhäusern, die an den Wolken kratzen“. Ein Bild, dass vollkommen falsch sei: „Was ist aber Tokyo zum Großteil wirklich?“, fragt er und gibt die Antwort gleich auf der ersten Seite des Buchs: „Ein unendliches Plastik-Einfamilienhäuser-Meer mit einem halben Meter Gartenstreifen rund ums Haus … Ein herrlicher Dschungel, in dem alles Zahlen statt Namen hat.“
Dieses eher unbekannte, beinahe dörflich anmutende Tokyo hat Honetschläger früh am Morgen mit einer analogen Mittelformatkamera fotografiert: auf den ersten Blick reichlich unspektakuläre Bilder von Straßen, Häusern und Plätzen, die so neuartig nicht sind: Vor allem Araki hat die spezielle Urbanität Tokios, der 1945 vollkommen zerstörten Millionenmetropole mit ihrem gigantischen Kabel- und Schienennetz, auf ähnliche Weise dargestellt.
So auch Honetschläger: Seine farbigen Stadtansichten führen das Grau in Grau im Tokyo der Gegenwart vor Augen, erzählen vom Mit- und Nebeneinander von Hochhäusern und Holzbaracken, von den endlosen Baumaßnahmen, von Schmutz und Verfall: Bilder, die dennoch eine besondere fotografische Nostalgie und Ruhe ausstrahlen.
Wie Araki zeigt auch Honetschläger nur selten Menschen, was wiederum an die Tokyo-Bilder von Thomas Struth erinnert: Der Auszug des menschlichen Lebens aus ihnen lässt die Präsenz der oft verwirrenden Architekturdetails nur um so deutlicher hervortreten. Wir sehen Motive eines verborgenen Alltags innerhalb urbaner Architektur, ein verwirrendes Patchwork des Tokyo der kleinen Leute, in der gerade das Disparate das Miteinander von Autos, Werbeplakaten, Stromleitungen, Klein- und Kleinstarchitekturen die Atmosphäre bestimmt. Verborgene Räume der Großstadt: Orte der Stille und Verlassenheit. Wenn Susan Sontag geschrieben hat, die Fotografie sei ein „einmaliges System der Enthüllungen“, so gilt dies in besonderem Maße für diese Bilder.
Der Bilder-Essay, das Foto-Feuilleton Honetschlägers, wird durch die Beigabe kurzer Texte deutlich auf eine autobiografisch-subjektive Ebene gehoben: Objektivität ist nicht Honetschlägers Sache. Er ist ein eigenwilliger Wanderer durch die engen Straßen einer verlassenen Stadt, ein Fotograf, dessen literarische Einwürfe wie Lesezeichen in das Buch eingefügt von großer Sensibilität sind. Und: Er ist ein Liebender: „Wenn man Glück fassen kann, so sind es immer meine ersten Tage in Tokyo zurückgekehrt von Irgendwo. Dann will ich bleiben für immer und muss doch wieder gehen.“
(Marc Peschke)
Edgar Honetschläger
Tokyo Plain (bei amazon.de)
Fotohof edition Band 96
Broschiert. 108 Seiten. 64 Farbabbildungen
Deutsch / Englisch
Salzburg 2008
ISBN 978-3-901756-96-2
33 Euro
: : :
Daß es wirklich Verleger, die solche Bilder in einem Buch veröffentlichen. Handwerklich jenseits jeglicher Diskussion: zu hell, krumm und schief und vom Auge ganz zu schweigen. Und der Text !!
Das leidige Thema
[quote=Gast]Daß es wirklich Verleger, die solche Bilder in einem Buch veröffentlichen. Handwerklich jenseits jeglicher Diskussion: zu hell, krumm und schief und vom Auge ganz zu schweigen. Und der Text !! [/quote]
Handwerk ist und bleibt halt auch in der Fotografie nur Handwerk – ist also erlernbar und belanglos. Und darum kann man auch mal getrost darauf verzichten.
Immerhin besser als Cartier-Bresson,
denn bei dem ists zusätzlich noch nicht mal ganz scharf.
Ich sehe, wir verstehen uns.
Gast schrieb:
Daß es
[quote=Gast]Daß es wirklich Verleger, die solche Bilder in einem Buch veröffentlichen. Handwerklich jenseits jeglicher Diskussion: zu hell, krumm und schief und vom Auge ganz zu schweigen. Und der Text !! [/quote]
Aua.
Was soll denn das???
Au Backe, keine Tiefenschärfe, kein Bildaufbau, keine Aussage, belanglos in jeglicher Hinsicht, Ssolche Bilder wanderten bei mir bisher in den Mülleimer…wohl zu früh?!
Ich glaube nicht, dass
die Häuser aus Kunsstoff sind. Die Japaner haben ein amoreuses Verhältnis zum Beton und betonieren gerne.
Über die Fotos sag ich: Der Leihe wird hier eine eigenartige und künstlerische Farbanmutung empfinden (schmutziges, gedämpftes Weiss, leicht verschobene Kanäle etc.) Als jemand. der schonmal selber eigenhändig Großformatige Papier-Farbabzöge gemacht hat (Mittelformat, Vergrößerer, CMY-Colorfilter, Colorentwicklung), dem schlägt es eher auf und läuft anschliessend kalt den Rücken herunter.
Altes Papier, das schnell vergraut, unstimmigkeiten im Chemieprozess (zB.Tempereturschwankungen), Filterwerte-Abweichungen. Probleme der Chemischen Farbfotografie eben.
Aber Man muss auch zugeben, dass Man solche Bilder digital nicht so “schön” hinkriegt. Es sei denn, Man macht es mit Photoshop.
Ich sag mal so: Früher saß Man stundenlang im Labor um die Bildfehler zu korrigieren, heute sitzt Man stundenlang am Computer, um die Bildfehler künstlich zu erzeugen.
—–
Senfi
Was Kunst ist
oder jemand persoenlich davon haelt, darueber ist es muessig zu diskutieren.
Ich frage mich aber, ob die Fotografen, die in diesen Bildern handerkliche Maengel entdeckt haben, bei ihren ja dann wohl perfekteren Arbeiten fuer Kunden auch so ehrlich mit einem Thema umgehen, wie hier in diesen Bildern. Oder vielleicht, weils der Auftraggeber so moechte, mit ihren Klasse Fotos den Betrachter letztlich betruegen ??
Gau, B. Tokyo Fan
Kunst soll schön sein?
Kunst beschreibt den Menschen, das, was ihn ausmacht und was sein Leben bestimmt. Kunst kommt von künstlich, also alles, was Menschen erschaffen, erfinden, denken, nicht der Natur entsprungen ist.
Kunst war bis vor wenigen Jahrzenten von einem aus der Klassik herrührenden Dogma befallen: Ebenmäßigkeit (goldener Schnitt), Proportion, Harmonie. Kunst muss “schön” sein!
Das Leben an sich, die des Menschen sieht aber in der Regel vollkommen anders aus. Schmutz, Disproportion, Müll und Verwahrlosung prägen das Menschenbild in der Realität mindestens genauso wie das “Schöne, Edle”. In der Zeit, in die Kunst vor allem ein Propagandamittel der Fürsten und dem Klerus insbesondere, dann den Industriellen und dem Bürgertum diente, war die akademische Klassik das bestimmende Mittel. Der Nachfolger dieser Haltung ist als abhängige “Kunst” die Werbung, das Design.
Kunst hat sich emanzipiert und versteht sich als Reflexion auf das (menschliche) Leben an sich. Und das in allen Wesenszuständen. Also auch das, was man im normalen Leben, und schon gleich in den erbaulichen Stunden des Lebens gerne ausblendet. Trivialität, Banalität, Absurdes und Komisches, Dissonanz. Alles menschlich verursachte Zustände und daraus resultierende Sichtweisen. Künstler heutiger Zeit und deren Sammler oder Unterstützer, Betrachter, interessieren sich für solche Sujets. Ausstellungen und Museumsarbeit reflektiert auf dieses Interesse und in dem Fall natürlich auch die Verlage.
Übrigens: auch die Werbung lebt nicht von der akademischen Betrachtungsweise. Der organisierte Stilbruch ist noch immer die beste Möglichkeit, Menschen zu Aufmerksamkeit zu verleiten.
Muss Kunst schön sein? Nein, sie kann es sein, muss aber nicht.
Schlicht und einfach Geknipse!
“auf den ersten Blick reichlich unspektakuläre Bilder von Straßen, Häusern und Plätzen, die so neuartig nicht sind”
exakt! Schlechtes Geknipse – wie es jeder von uns genauso zustande bringt, wenn er mit einer kompakten digicam durch Tokio rennt und dabei planlos in die Gegend schiesst.
Kunst ist da höchstens im künstlerischen Selsbtverständnis des Urhebers zu erkennen. In den Bildern dagegen nicht.
Lesen
Wie sie wieder wie die Kampfhunde im Zwinger die Zähne fletschen, herrlich. Generation Feininger, ick hör Dir trapsen.
=)
Sagte schon
der Betrachter von Picasso-Bildern, dasss kannn ich auch …
Ganz richtig, Feiniger oder Mante haetten das besser gekonnt
G.B.
Genau das ist ja das Entscheidende:
unspektakuläre Bilder. Banal fotografiert, wie es sich ein von der Allmacht der Werbung verseuchter Amateur niemals trauen würde. So wie es das Leben eben präsentiert. Ein Tourist würde sowas niemals fotografieren und ein zu höheren Weihen berufener Amateurkünstler schon gleich gar nicht. Das müssen Künstler tun. Wenn man solche Bilder in groß sieht, in wirklich groß, dann bekommen die ihr echtes Eigenleben. Erst dann merkt man die Magie des Formates in Bezug auf das abgebildete Sujet.
Und, wenn man wie so oft mit dem Spruch “kann ich auch (oder jeder)” rüber kommt, dann an dieser Stelle die Aufforderung “ja, mache es!”. Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.
my five cent
gemessen an william eggleston, joachim brohm etc.
ist das buch vermutlich kein meisterwerk.
aber: sicherlich keine nichtssagende und belanglose knipserei.
es vermittelt sich die freude des flaneurs am durchstreifen seines terrains und festhalten dessen charakters.
das scheint mir wesentlicher als das bild aus dem reiseführer.
aber woher soll ich wissen wie plain tokyo wirklich ist,
wenn ich es doch noch niemals durchwandert habe?
personel prädikat: sehenswert.
Interessant
aber Avant Garde ist das heute nicht mehr. Das war glaube ich vor zehn Jahren die “Neue Deutsche Fotografie”, die diese Ästhetik ausgearbeitet hat. Farbfotos, die in der ungeschminkten, unperfekten Realität die Schönheit suchen.