… fesseln den Betrachter nur für kurze Zeit. Sagt Ulrike Adler, eine junge Galeristin, die in Frankfurt am Main und New York lebt und arbeitet, und deren Programm gespickt ist mit ungewöhnlichen Positionen zeitgenössischer Kunst. Die Dame hat uns noch mehr zu sagen
photoscala: Liebe Ulrike Adler, auf Ihrer Internetseite ist zu lesen, Ihre Galerie fokussiere sich auf „junge und frische Talente, die eine eigene Handschrift, verbunden mit starker und herausfordernder Thematik aufweisen.“ Mal etwas kritisch gefragt: Ist der Begriff der „jungen Kunst“ denn nicht zu einer Phrase verkommen?
Ulrike Adler: In der Tat konnten in den vergangenen Jahren die Künstler nicht jung genug sein. Dieser Hype führte dazu, dass Galeristen, Sammler und Kuratoren bereits vor den Akademien Schlange standen. Ich empfinde es aber auch als die ureigenste Aufgabe einer Galerie für zeitgenössische Kunst, sehr gute junge Künstler zu entdecken und aus diesen Talenten die etablierten Positionen der Zukunft zu entwickeln. Eine Galerie sollte nicht nur bereits erfolgreiche Künstler auf ihrem Weg begleiten, sondern sich insbesondere der Nachwuchsförderung widmen. Und nicht zuletzt macht es als Galeristin große Freude, junge Künstler zu entdecken und aufzubauen. Schafft es einer von ihnen mit Soloshows ins Museum, dann löst das bei uns ein Glücksgefühl aus! Alter hat nichts mit Qualität zu tun.
photoscala: Gehen wir ein paar Jahre zurück. Vor der Eröffnung Ihrer Galerie in Frankfurt starteten Sie www.BigArt.de eine Internetgalerie für zeitgenössische Kunst. Was ist daraus geworden?
Ulrike Adler: Die Idee hinter dieser Internetgalerie war von Anfang an, die virtuelle mit der realen Welt zu verbinden. Es gab schon früh parallel Ausstellungen an verschiedenen Orten. Atelierbesuche wurden organisiert. Nach zwei Jahren machte ich bereits die Galerie unter meinem Namen auf, unter anderem, um Künstler stärker fördern und auf Messen zeigen zu können. Aus Zeitgründen habe ich die Online-Plattform vor einiger Zeit übertragen.
Artists Anonymous: Wie man die Liebe zum Bleiben bewegt … (Afterimage). 2009, C-Print, 150×150 cm
photoscala: Dann eröffneten Sie Ihre Galerie in Frankfurt. Ist Frankfurt denn heute noch ein guter Standort für Kunst? Die Stadt hat klamme Banken und nicht mal eine eigene Kunstmesse …
Ulrike Adler: Frankfurt ist natürlich nicht mit der Galerien- und Künstlerszene in Berlin zu vergleichen, dennoch ist die Kunstszene sehr aktiv, nicht zuletzt durch die namhaften Museumsdirektoren und die Städelschule, die einen internationalen Ruf genießt. Nachdem Birnbaum die Venedig Biennale und die Triennale in Turin kuratiert hat, schaut die ganze Welt nach Frankfurt.
photoscala: Die Künstler Ihrer Galerie sind oft den schweren, existenziellen Themen zugetan. Da geht es um Tod, Verzweiflung, Angst oder auch Gewalt. Denken Sie, diese Themenstellungen kommen in der aktuellen Kunst zu kurz?
Ulrike Adler: Die Kernfragen des Lebens beschäftigen uns alle und sind deshalb auch häufig Thema in der Kunst. Seichte Themen und dekorative Motive fesseln den Betrachter nur für kurze Zeit.
Sigurdur Gudjonsson: Breed. 2007, DVD, 17 min
photoscala: Ihr Programm ist Medien übergreifend neben Malerei, Zeichnung und Skulptur finden sich interessante Positionen aus Foto- und auch Videokunst, die sie in zwei Projekträumen, subZONE1 und subZONE2 zeigen. Wie beurteilen Sie die Entwicklung zeitgenössischer Fotografie?
Ulrike Adler: Derzeit sehe ich keine große Weiterentwicklung im Bereich der Fotografie, denn der Trend zur digitalen Nachbearbeitung beziehungsweise Computerkunst ist ja nicht neu, sondern findet seit ein paar Jahren statt.
photoscala: Vor einiger Zeit haben Sie einen zweiten Ausstellungsraum in New York eröffnet. Wie kam es dazu?
Ulrike Adler: Bereits vor 10 Jahren habe ich dort schon einmal gelebt und durch zahlreiche Besuche und Messebeteiligungen die Stadt und ihre lebendige Kunstszene sehr schätzen gelernt. Die Öffnung von Galerie-Räumen in 2006 lag daher nahe. Von vorneherein war der Mietvertrag befristet und zur Zeit habe ich ein Büro in der Stadt, ich sehe mich aber aktiv nach einer neuen Location um. Die Hälfte meiner Zeit verbringe ich in New York und knüpfe gezielt Kontakte zu Kuratoren und Sammlern.
photoscala: Was unterscheidet die Arbeit in New York von der in Frankfurt und wie können Sie die Arbeit an beiden Standorten gleichzeitig stemmen?
Ulrike Adler: Es gibt definitiv Unterschiede im deutschen und amerikanischen Kunstmarkt, die meine Arbeit dort aber nicht beeinflussen. Generell ist in Europa ein kunsthistorisches Wissen weiterverbreitet, was man natürlich „am Auge“ der Käufer sieht. Konzeptkunst und nicht-kommerzielle Positionen werden in Amerika eher von Profis gekauft. Während in Deutschland ein Lebenslauf länger studiert wird, das heißt, das Alter des Künstlers und bisherige Ausstellungen wichtig sind, sowie die Sammlungen, in denen die Künstler vertreten sind, wird in Amerika häufig spontaner gekauft. Der amerikanische Markt ist viel stärker durch vermeintlich unabhängige Art Consultants geprägt. Die Amerikaner sind uns in Ihrer zeitgenössischen Kunst-Entwicklung aber nicht voraus.
photoscala: Lassen Sie uns über eine fotografische Position Ihrer Galerie sprechen. Besonders eindringlich war zum Beispiel die Ausstellung „Vom Wasser verweht“ von Susanna Majuri. Sie zeigten die erste Einzelausstellung der finnischen Fotokünstlerin. Diese studierte an der sehr renommierten „Helsinki School“. Was zeichnet ihre Arbeiten aus?
Susanna Majuri: Gone. 2007, C-Print auf Diasec, 90×135 cm, Auflage von 5 + 2 AP
Ulrike Adler: Susanna Majuris Fotoarbeiten entführen in eine mystische und surreale Welt, voller Farben, Geschichten und Gefühl. Ihre Bilder sind voll von dem, was sein könnte, sie sind so mehrdeutig, dass der Betrachter nur erahnen kann, was außerhalb des Rahmens bleibt. Es wird der Eindruck hervorgerufen, dass der Betrachter nur Teile einer viel größeren Geschichte zu Gesicht bekommt. Susanna Majuri suggeriert mannigfaltige psychologisch und symbolisch aufgeladene Szenen. Sie sagt: „Ich möchte zeigen, dass man Fantastisches auch ganz in der Nähe finden kann. Fiktion vermischt sich mit unserem Leben. Die Fantasie ist in Wirklichkeit gegenwärtig.“
photoscala: Oft ist die Natur ein Bildthema der „Helsinki School“, die in leuchtenden Farben dargestellt wird. „Ich brauche Farbe, um zu leben“, sagt Majuri. Und auch: „Für mich ist das Wichtigste an der Fotografie, dass sie die Fähigkeit hat, Gefühle zu transportieren.“ Was ist Ihnen das Wichtigste an der Fotografie?
Ulrike Adler: Wichtig ist, dass sie von der klassischen Fotografie weggeht und sich thematisch und formal mit den anderen Gattungen der Kunst misst. Gute Fotografie muss, wie alle anderen Formen der Kunst, in der Lage sein, Emotionen zu wecken. Deshalb ist uns die Vermittlung von Gefühlen genauso wichtig wie Susanna Majuri, denn schließlich ist Kunst Leidenschaft.
photoscala: An fotokünstlerischen Positionen vertreten Sie zudem Alex McQuilkin aus Boston, Iska Jehl aus Nürnberg und Sigurdur Gudjonsson aus Island. Was verbindet diese Künstlerinnen und Künstler?
Ulrike Adler: Allen Künstlern ist gemeinsam, dass sie nicht als reine Fotokünstler arbeiten hierzu zählt nur oben genannte Susanna Majuri aus Finnland sondern die Fotografie als Medium für bestimmte Werkgruppen nutzen.
photoscala: Ganz selbstverständlich nehmen Sie an verschiedenen Kunstmessen teil. Im vergangenen Jahr etwa an der „Art Amsterdam“ oder an der „NEXT Art Fair“, in diesem Jahr an der ARCO in Madrid, an der „Art Rotterdam“ und an der „VOLTAshow“. Es muss sehr schwierig sein, heute zu entscheiden, auf welcher Messe man präsent sein will, oder? In den vergangenen Jahren sind viele neue Messen ins Leben gerufen worden …
Ulrike Adler: Der Launch zahlreicher Satellitenmessen spiegelte in der Vergangenheit gut die Überhitzung des Marktes wider. Ob aber beispielsweise 20 Nebenmessen auf einer Art Basel Miami Sinn machen, darf gerne bezweifelt werden. Als Galerist sollte man sich auf die Hauptmessen konzentrieren. Aber auch kleinere, gut kuratierte Messen wie die sehr lebendige Art Rotterdam sind interessant für uns. Wir sind in der Zwischenzeit mit den holländischen Kuratoren und Museumsdirektoren so gut vernetzt, dass Museen wie das Boijmans van Beuningen oder das Gemeentemuseum unsere Künstler ankaufen und in Gruppen- und Soloshows präsentieren.
photoscala: Liebe Frau Adler, bitte noch einen Ausblick! Was erwartet uns in den kommenden Monaten bei Ihnen in fotografischer Hinsicht?
Ulrike Adler: Die nächsten Ausstellungen widmen sich dem Thema Zeichnung, Skulptur und Performance. Ab dem 4. September zum Saisonstart werden wir die junge Schweizer Künstlerin Clarina Bezzola präsentieren, die in ihrer Ausstellung „Zwei Welten“ den Zwiespalt zwischen der Ebene des Zwangs und der der Freiheit beschreibt und uns am Vernissage-Abend bei einer Performance ein fließendes Verschmelzen und Einswerden mit der Natur in Aussicht stellt. Neben Gouachen, Skulptur und Video werden auch Fotoarbeiten zu sehen sein.
Das Interview führte Marc Peschke.
Susanna Majuri: Raven. 2009, C-Print auf Diasec, 100×150 cm, Auflage von 5 + 2 AP
Informationen:
Galerie Adler Frankfurt – New York
Hanauer Landstraße 134
60314 Frankfurt
069-43053962
mail@galerieadler.com
Öffnungszeiten Di, Mi 15-18 Uhr, Do, Fr 12-19 Uhr, Sa 11-15 Uhr und nach Vereinbarung
Seichte Themen und dekorative Motive …
das sehe ich hier. Mehr nicht.
OhWeh
danndublind
danndublind
Klischees und dekorative Motive
Völlig einverstanden.
postergalerie
..ja wo find ich denn jetzt solche Bilder. In welcher Postergalerie?????Wenn man natürlich nur Bilder aus Postergalerien im Kopf hat kann man solche Bilder nicht verstehen….Also einfach mal Fotogalerien besuchen…
Interessant, wie versucht
Interessant, wie versucht wird, das hier irgendwie in etwas zu pressen.
Vergleichssicht ist nur eine Sicht der Dinge, vielleicht die einfachste Sichtweise: Ich sehe einfach, was auf dem bild abgeibldet ist, benenne das und das war’s dann. Die eigentlich Frage ist aber immer das “Warum?” Der Schweinekopf z.B.: Was sehen wir? Einen Schweinekopf am Haken, der von einer Person in Gummistiefeln und Gummihandschuhen getragen wird. Diese Person stapft durch eine nächtliche Schneelandschaft. Die Handschuhe sind auch noch blau, die Stiefel weiss. Der Kittel – Labor? usw.
Warum? Was steckt da für eine Geschichte hinter? Ist das ein Metzger? Wenn ja, wieso läuft er mit dem (grinsenden) Schweinekopf durch die Nacht? Wo geht er hin? Warum? Oder ist das gar kein Metzger, sondern … eben usw.
Das nur mal als, kritikfreie, Anregung, wie man die Dinge auch sehen kann. Bilder sind nicht immer nur Oberfläche, obwohl das die Masse ist, wie ich hier mal wieder rauslesen kann.
Den Raben unter Wasser finde ich großartig, allein von der Geschichte dahinter, die jeder Betrachter frei erfinden kann. Da stößt sich Realität mit etwas Phantastischem.
Trotzdem gilt: Jeder, wie er will, aber doch nicht immer alles gleich leichtfertig abtun. Mir erschließen sich auch viele Sachen nicht, darum finde ich sie aber nicht direkt immer Scheiße. Aber so ein bisschen Zeit nehmen und versuchen zu analysieren ist doch ok, oder?
Nun ja.
Deckmantel Kunst
Schon sehr, sehr armselig was da unter Kunst gezeigt wird und schade das Photoscala solchen Subjekten ein Forum bietet.
Wenn man, wie diese Tante und Konsorten meint, nur mit “Schockbildern” fesseln zu können, zeigt das die ganze Einfallslosigkeit, einen Schweinekopf tragend…
So sinkt die Hemmschwelle immer weiter und die Perversen werden immer ungenierter ihren Dreck zeigen.
Eigentlich sehr schade, denn das versaut den Ruf der Kunst, obwohl es ja auch kreative Künstler gibt die nicht auf so was zurückgreifen müssen…
Jürgen
selberbessersein.
selberbessersein.
Klischees
Es sind halt die üblichen langweiligen Motive: man tut so, als ob man provozieren will.
Ein Schweinskopf und, damit es besser wirkt, nicht vom Metzger am Arbeitsplatz getragen, sondern auf einer Art Kraterlandschaft, damit es ein bisschen nach Endzeit ausschaut – flach! (Ein Bild im Schlachthof etwa wäre wirklich kritisch gewesen, aber das ist dann wieder zu hart für die zahlende Klientel)
Die Wasserleiche im Pool – so was hängt sich der Designer gerne ins Zimmer, ist aber so interessant wie ein röhrender Hirsch. Auch hier nichts wirklich kritisches im Bild, die Verbindung von Reichtum und Wüstenlandschaft, nach dem Motto wer sich mit Geld einläßt wird untergehen – ach wie originell. So soft umgesetzt, dass es beim abendlichen Cüpli den Neureichen nicht stört, sondern er sich in seiner Selbstkritik zufrieden sonnen kann.
Der Rabe ist dann nur noch Kitsch, bekommt man in jeder Postergalerie billiger und auch nicht schlechter.
Aber viele Galerien bieten solch leichte Pseudokunst an. Verkauft sich anscheinend gut.
OhWeh