Es steht nicht gut um die Zukunft der insolventen Franke & Heidecke GmbH, und es steht auch nicht gut um die Zukunft der Mittelformatkamera Hy6:
Langsam lichtet sich der Rauch, der nach der Insolvenz der Franke & Heidecke GmbH in Braunschweig den Blick auf die Realitäten verdunkelte. Bis auf 15 verbliebene Mitarbeiter, die noch Restarbeiten im Zusammenhang mit der Hy6 abwickeln, sind zum Ende Juni 2009 alle Mitarbeiter fristgerecht entlassen und mit der Kündigung freigestellt worden. Offensichtlich gab es keine Möglichkeit, das Unternehmen in seiner Gesamtheit fortzuführen. Betrachtet man die Zusammensetzung des in Braunschweig gefertigten Produktionsprogramms, so verwundert das nur wenig.
Das Sortiment von Franke & Heidecke war im Grunde ein Sammelsurium aus mindestens sechs Produktlinien, die nur wenige Gleichteile und damit praktische keine Synergiepotentiale boten. Schon mit den Projektoren Rolleivision 66 dual P und den drei Rolleivision twin MSC wurden zwei Linien produziert, die über nur wenige Gleichteile verfügten. Mit der X-Act2 wurde eine Fachkamera für einen Nischenmarkt produziert, auf dem man mit eingeführten Marken von Linhof über Arca Swiss und Plaubel bis Horseman konkurrierte, wobei Letztere ein sehr bauähnliches Modell unter dem Namen X-Act-D in ihrem Sortiment führten. In Lizenz von Schneider-Kreuznach und Carl Zeiss fertigte man Objektive in Stückzahlen, die so klein waren, dass die Lizenzgeber an einer eigenen Produktion weniger interessiert waren. Von der zweiäugigen Rolleiflex wurden bis zuletzt drei verschiedene Modelle gefertigt, die wenigstens teilweise auf die gleichen Komponenten zurückgreifen konnten.
Der Fachverschluss Rollei lenscontrol wurde zwar zur X-Act2 angeboten, fand sich jedoch in erster Linie in den Fachobjektiv-Sortimenten von Schneider-Kreuznach und Linos Rodenstock. Die Nachfrage danach scheint ungebrochen. Wobei die Rechte für dieses Produkt jedoch nicht bei Franke & Heidecke lagen, sondern wohl bei der Rollei GmbH.
Noch komplizierter war und ist die Rechtslage bei der Hy6, die von Franke & Heidecke für Jenoptik bzw. deren Tochter Sinar bzw. als (baugleiche) AFi / AFi-II für Kodak bzw. deren Tochter Leaf gefertigt wurde (Leaf kam 2005 im Zuge der Creo-Übernahme zu Kodak). Die Entwicklung der Hy6 war, wie sich inzwischen gezeigt hat, eine Auftragsentwicklung für Jenoptik, wobei alle aus der Entwicklung herrührenden Rechte bei der Jenoptik lagen. Ob die Rechte heute noch bei Jenoptik in Jena liegen, ist ungewiss. Branchengerüchten zufolge sollen Rechte an der Hy6 in Folge eines Rechtsstreits zwischen Kodak / Leaf und Jenoptik bezüglich der Lieferbarkeit und bestimmter zugesicherter Produkteigenschaften auf Kodak übertragen worden sein. Ob Rechte an der Hy6 eventuell gar mit der Übernahme von Leaf durch Phase One zu Phase One gewandert sind, war nicht in Erfahrung zu bringen.
Die in Braunschweig entwickelte, auf der photokina 2006 vorgestellte und mit viel Vorschusslorbeeren bedachte Hy6 hat, so scheint es heute, keinem der Beteiligten Glück gebracht. Sie zählt augenscheinlich auch nicht zu den Produktsegmenten, für deren Fortführung es Interessenten gäbe.
In Braunschweig versucht man nach Angaben des Insolvenzverwalters derzeit noch Lösungen für die Zweiäugigen, die Projektoren, die Fachverschlüsse sowie den Werksservice zu finden. Der einstige Hoffnungsträger Hy6 ist offensichtlich derzeit nicht mehr Teil weiterer Verhandlungen.
(CJ)
Die Hy6-Anwender…
…können schon mal auf Hasselblad switchen… ;))
Ihr Spassvögel…
[quote=odysseus]…können schon mal auf Hasselblad switchen… ;))[/quote]
…werdet alle nicht mehr lange “switchen”, sondern Euch in der Armenküche anstellen!
Tut sicherlich der Generation “Spass” mal ganz gut, einen deutlich auf die Mütze zu bekommen.
Klingt inzwischen alles nicht mehr COOL, sondern bescheuert….
Schade…..
…dass ein traditionsreicher Nischenhersteller vom Markt verschwindet. Aber wenn man liest, welchen Cirkus sich Franke & Heidecke leistet, dann ist es kein Wunder, das der Markt den Rest erledigt. Anstatt sich konkret in einer Nische zu platzieren, haben die einfach wie eh und jeh in alter Tradition herumgewerkelt, als ob es die Digitalisierung im Fotobereich nie gegeben hätte. Dann noch die Rechteverhältnisse usw. Schade, aber selbst schuld!
Oh je,
wenn man das so liest, kann man verstehen, wie die oberschlauen Abdecker und Verwerter der alten Rollei versucht haben, sich mit mehrfach überkreuzenden und offensichtlich teilweise unklaren Verwertungsrechten, die alte “Schabracke” mehrfach aufzufressen. Dass sowas egal wie nicht funktioniert, ist klar. Tricky Overkill hat funktioniert: alles hinüber.
Dass die Hy6 kein Thema mehr ist, ist ebenfalls klar. Das ist kein Produkt für die Zukunft, bestenfalls etwas fürs Museum und einigen wenigen Enthusiasten.
Aha
Ein echtes digitales 6×6 System ist also nicht zukunftsfähig. Interessante Einschätzung.
Schade, schade….
Es ist (fast) um jedes Produkt schade, daß so einfach vom Markt verschwindet. Die Vielfalt macht’s und bringt auch für andere Vorteile. Aber wer jeden Tag denselben Einheitsbrei fressen will, soll’s doch machen…
Ausgerechnet Projektoren
Also dass die Dia-Projektoren eine Zukunft haben sollen ist mir Schleierhaft.
Heute geht doch eh alles Digital und da werden wohl eher Beamer als Projektoren gefragt sein. Jedenfalls bei Leitz gibts passendes und die sind ja auch nicht die Schnellsten am Markt.
Wenn die Rechte an der Hy6 wirklich bei PhaseOne gelandet sind dann ists Essig mit der Hy6. Wäre Schade wenn damit die technisch Beste 6×6 verschwinden würde. Jedenfalls arbeitet Sinar dran den Service der Hy6 in der Schweiz zu machen. Gard was die neue Firmware und die Justagen angeht solls ab nächster Woche so weit sein.
Vielleicht geht ja die Hy6 komplett an Sinar, mal abwarten.
Rolleiflex kauft man gebraucht
Der Markt ist voll von gebrauchten (analogen) Rolleiflexen und die Dinger halten, “Pech” für den Hersteller, bei entsprechender Pflege ein Jahrhundert… So stellt man sich mit deutscher Wertarbeit irgendwann selbst ein Bein. 😉
Da ist wohl…
der Insolvenzverwalter auch schon mit dem Rollei-Virus, Variante FH1-negativ, infiziert, wie zuvor sämtliche Investoren.
Welche Betriebsform mit dem Werkeln von ein paar hundert Diaprojektoren (jährlich!) bei zweistelliger Schrumpungsrate (in Prozent, nicht Stückzahl) bestehen könnte, war schon immer schleierhaft.
Dennoch wurde es gut 10 Jahre so weitergeschleppt.
Das tote Pferd schien nur leichter zu werden, weil bereits die verwesten Brocken abfielen.
Für das Sammelobjekt “Kult-Zweiauge” (die optische Qualität der Originale war nach nötigen Konstruktionsänderungen unerreichbar) gilt fast das Identische, abgesehen von den Schrumpfungszahlen.
Das “Geschäft” läuft weder lange noch konstant genug, um von Trends zu sprechen. Nur: aufwärts gehts ganz sicher nie mehr.
Für die Fachverschlüsse findet sich vielleicht ein talentierter Zahnarzt.
Das an der Hy6 keinerlei Eigentumsansprüche bestehen, musste selbst der Herr Insolvenzverwalter entdecken; wieso der eigentlich auch “Kirchberg” heißt, nachdem schon im Januar ein “Peter Kirchberg” ans Ruder der gesunkenen Barke gestellt wurde, ist mal was für Ahnenforscher, oder investigativen Journalismus. Wenn die verwandt sind , und Letzterer Wochen vor Konkursanmeldung für den “sauberen Abgang” installiert wurde, wäre das ganz dem alten Rolleianer-Schlawinergeist entsprechend…
Zumindest muss der aktuelle “Kirchberg” in der Lokalzeitung eingestehen, dass F&H praktisch keiner lei Wertgegenstände sein eigen nennt.
Die Formulierung “nur ein Wunder kann F&H retten” (= nur ein Vollidiot würde hier noch Geld versemmeln) aus dem Munde eines Inso.verwalters klingt da fast schon wie ein persönlicher Offenbarungseid…..