Wie war sie wirklich? Auch diese Frage stellt der jetzt anlässlich einer Rüsselsheimer Ausstellung erschienene Bildband „Die Erinnerung ist oft das Schönste“:
Paris im Frühjahr 1964. Romy Schneider will das süßliche „Sissi“-Image endgültig loswerden. Sie ist 25 Jahre alt, dreht bereits mit Luchino Visconti und Orson Welles und hat sich gerade von Alain Delon getrennt. Der legendäre „Twen-“, „Life-“, „Paris Match-“ und „Stern-“Fotograf Will McBride besucht Romy Schneider in einem kleinen Hotel nahe der Place de lÉtoile für ein Interview mit der Zeitschrift „Twen“. In nur zwei Stunden entstehen Fotografien, die in sattem Schwarzweiß und einigen provozierenden Unschärfen vor allem die Ernsthaftigkeit der jungen Frau offenbaren über die Hanna Schygulla gesagt hat: „Es gibt Gesichter, auf denen man lange verweilen kann, Gesichter, in die man träumend versinkt, denn sie sind uns sehr nah und haben doch auch etwas von so fern Herkommendes, dass sie uns weit weg entführen. Romy Schneider hat so ein Gesicht.“
Mit betont subjektivem Interesse rückt McBride die unterschiedlichen Facetten Romy Schneiders ins Licht: Sie sieht verletzlich aus, nachdenklich, vor Energie sprühend, mondän und verführerisch, dann wieder aber auch ganz entspannt, jungmädchenhaft oder verspielt. Zwischen Sofa, Minibar, vollen Aschenbechern und leeren Hotelgläsern fotografiert McBride Romy Schneider, im Morgenmantel auf der Couch oder im Schlafanzug die Frau, über die der Regisseur Claude Sautet gesagt hat: „Sie ist eine Mischung aus tödlichem Charme und tugendhafter Reinheit. Sie besitzt eine animalische Ausdrucksfähigkeit: von männlicher Aggressivität bis zu weiblicher Sanftmut. Sie ist leicht wie ein Allegro von Mozart und gleichzeitig körperlich und sinnlich. Sie ist gleichzeitig strahlend selbstsicher und voll innerer Zweifel, eine Künstlerin, die schon alles wusste, es aber nicht hatte ausdrücken können.“
Im Zentrum der Filme Sautets, einer Symbolfigur des französischen Kinos der siebziger Jahre, steht oft die Gefährdung der Identität seiner Figuren deren Verletzlichkeit nach und nach immer offener zutage tritt. Romy Schneider wurde eine der wichtigsten Schauspielerinnen Sautets und McBrides Fotografien bringen die psychologischen Ambivalenzen ihrer Person auf feinfühlige Art und Weise auf den Punkt: Ob melancholische Frau, Teenager, Vamp oder Diva in allen Rollen ist Romy Schneider von faszinierender Perfektion, doch bleibt die wichtigste Frage offen: Wie war sie wirklich?
Wie war sie wirklich? Auch diese Frage stellt der jetzt anlässlich einer Rüsselsheimer Ausstellung erschienene Bildband „Die Erinnerung ist oft das Schönste“. Zu sehen sind McBrides Fotografien, aber auch jene einiger anderer renommierter Fotografen: Werner Bokelberg, Peter Brüchmann, Roger Fritz, F. C. Gundlach, Helga Kneidl, Robert Lebeck, Herbert List und Max Scheler sie alle fotografierten Romy Schneider.
Lebeck fertigte noch kurz vor ihrem Tod im Jahr 1982 beeindruckende Fotografien an. „Sie hatte immer Angst, dass sie versagen könnte, dass sie nicht mehr Spitze ist, dass sie eine Szene nicht gut bewältigt“, so der Fotograf. Wie unterschiedlich diese Bilder sind: List fotografierte Schneider als junges Mädchen im Jahr 1954. Später ist sie als Frau zu sehen, sehr innig mit ihren Kindern, an der Seite ihres Verlobten Alain Delon und mit Daniel Biasini, dem Vater ihrer Tochter. Roger Fritz fotografierte Romy Schneider zum ersten Mal im Filmset von Luchino Viscontis „Boccaccio“ im Jahr 1961.
Ein Leben in Bildern, das so unterschiedliche Facetten hat, das Trauer, Freude, Glück, Melancholie und Schmerz zeigt und schließlich auch das bei Romy Schneider ungewöhnlich früh nahende Alter. Vor allem macht dieses berührende Foto-Buch mit vielen bisher nicht publizierten Bildern eines sichtbar: die vielen Wandlungen des Menschen und die Vergänglichkeit des Lebens. Im letzten Lebensjahr jagt ein Unglück das nächste: Ihr Ehemann Daniel Biasini verlässt sie, Sohn David stirbt, Romy Schneider muss eine schwere Operation hinter sich bringen. Dann, mit nur 43 Jahren, stirbt die Schauspielerin in Paris an Herzversagen. „Ich liebe es, bis an die Grenzen zu gehen, im Beruf wie im Gefühlsleben. Ich bedaure nichts!“: Die verschwenderische Lebensmaxime Romy Schneiders spricht aus fast jeder der gezeigten Fotografien.
(Marc Peschke)
Ausstellungen:
Rüsselsheim
Bis 21. Januar 2009
Opelvillen Rüsselsheim
Ludwig-Dörfler-Allee 9
Mi, 10 bis 21 Uhr / Do bis So, 10 bis 18 Uhr
Hamburg
6. Februar – 13. April 2009
Museum für Kunst und Gewerbe
Buch:
Beate Kemfert (Hrsg.)
Die Erinnerung ist oft das Schönste (bei amazon.de)
Fotografische Porträts von Romy Schneider
Vorwort von Beate Kemfert, Text von Freddy Langer
Gebunden mit Schutzumschlag
176 Seiten. 138 Abbildungen
Hatje Cantz Verlag 2008
ISBN 978-3775722568
29,80 Euro.