Foto der alpha 900 von SonyMit der α900 hat Sony eine digitale Spiegelreflexkamera vorgestellt, die in etlichen Bereichen einmalig ist: Eine Auflösung von 24,6 Megapixeln bei 5 B/s gibt es im Kleinbild nirgends sonst. Auch einen Bildstabilisator hat niemand sonst im Vollformatgehäuse untergebracht. Hier erste Eindrücke von einer beeindruckenden Kamera:

 
 

Foto thoMas

Im stillgelegten Spreepark Plänterwald in Berlin

 
Dieser Tage (am Freitag, den 12.9.2008, um genau zu sein) hat Sony die alpha 900 einigen Journalisten in Berlin in die Hand gegeben, zum praktischen Ausprobieren (einige andere bekamen die α900 bereits zwei Tage früher in Edinburgh zu sehen, wobei Berlin, wie ich glaube, ergiebiger und interessanter war, aber das erklärt den Zeitversatz unseres Artikels zu einigen anderen Ersteindrücken – schneller ging nicht, bei einiger Sorgfalt). Zu Beginn gab‘s eine Einführung, und zwischendurch auch immer wieder Gespräche, woraus ich Etliches mitgenommen habe, das Ihnen hier weitergereicht werden soll. Zunächst einmal: Sony hat nach eigenen Angaben 17% Spiegelreflex-Marktanteil nach Stückzahlen in Europa, und das ist doch recht bemerkenswert, zumal die Daten noch aus Vor-900-Zeiten stammen. Es steht zu erwarten, dass die alpha 900 Sonys DSLR-Verkäufe insgesamt beflügelt. Deutschland ist übrigens einer der wichtigsten Märkte für Sony.
 

Foto der alpha 900 von Sony mit Batteriehandgriff Foto des Magnesiumgehäuses der alpha 900 mit Batteriehandgriff

Die Sony alpha 900 mit Funktionshandgriff VG-C90AM. Links von außen und rechts das Magnesiumgehäuse mit Chassis aus Aluminiumlegierung

 
Interna

Das augenfälligste Attribut der α900 ist sicherlich die hohe Auflösung, auch wenn das bei weitem nicht alles ist, was eine Kamera ausmacht und was wichtig an ihr ist. Details zum Sensor hat Sony ja bereits frühzeitig kommuniziert. Für die Datenverarbeitung sorgt „Dual BIONZ“ – das meint keinen Dualprozessor, sondern da werkeln zwei komplette BIONZ-Prozessoren, um der Datenmengen Herr zu werden. 123 MP/s muss die α900 verarbeiten, wenn sie mit 5 B/s aufnimmt. Sie ist damit zur Zeit die Kamera mit der schnellsten Datenverarbeitung, worauf Sony sichtlich stolz war.
 

Die Sensor-Shift-Einheit von Sonys alpha 900 im Vergleich zum Halbformat-Sensorshift

Die Sensor-Shift-Einheiten von Voll- und Halbformat im Vergleich

 
Stolz sind die Sony-Mitarbeiter auch auf den Bildstabilisator nach dem Sensor-Shift-Prinzip. Es war wohl keine kleine Herausforderung, einen vollformatigen Sensor schnell und exakt zu bewegen und so wurde denn auch kolportiert, dass die Mitarbeiter anderer Firmen schon etwas erstaunt und auch ungläubig guckten, als sie auf der PMA 2008 erste Funktionsmuster sahen. Sony ist es tatsächlich gelungen, den Vollformatsensor zu stabilisieren. Auch das ein Novum: die α900 ist die erste Kleinbild-Vollformatkamera mit bildstabilisierendem Sensor. Die Bildstabilisierung gleicht laut Sony bis zu vier Blendenstufen aus und arbeitet damit ähnlich effektiv wie der der alpha 700.
 

Sensor-Shift-Einheit von Sonys alpha 900

Die Sensor-Shift-Einheit von Sonys alpha 900

 
Eine Anmerkung zur In-Gehäuse-Bildstabilisierung: Ob sie nun etwas besser oder etwas schlechter funktioniert als die Objektivstabilisierung, darüber streiten sich die Gelehrten mitunter. Fakt ist, sie funktioniert sehr gut, und zwar mit allen Objektiven. Ob ein 16-mm-Fisheye tatsächlich stabilisiert werden muss, lässt sich in Frage stellen – die verwacklungskritischen Verschlusszeiten (Faustformel: Kehrwert der Brennweite = 1/15 s und länger in dem Fall) werden hier sicherlich nicht so schnell erreicht. Aber stabilisiert wird eben zum Beispiel auch ein 1,4/85 mm – das ist gut und hilfreich, und sowas gibt es als Stabilisier-Objektiv nicht.
 

Foto des Prismensuchers der alpha 900 Grafik des Prismensuchers der alpha 900

 
Mit 100% Bildfeld und einer Vergrößerung von 0,74 zählt der Prismensucher zur „Königsklasse“ – das Sucherbild ist groß und hell, auch die am Bildrand eingespiegelten Daten lassen sich gut ablesen. Die Mattscheibe kann vom Anwender gewechselt werden; angeboten wird z.B. eine Gittermattscheibe.
 

Grafik des Spiegelkastens der alpha 900

Grafik des Funktionsprizips des Spiegels bei der alpha 900

 
Die Mechanik des neu entwickelten Spiegelkastens bewegt den Spiegel um zwei Drehpunkte – das geht laut Sony schneller, benötigt weniger Raum und hat einen geringeren Spiegelschlag zur Folge. Die Spiegelvorauslösung übrigens, die bei bisherigen Modellen auf dem Zwei-Sekunden-Selbstauslöser lag, ist jetzt separat möglich.

Die Kamera hat, so war am Rande zu vernehmen, deshalb kein Live View, weil das die Entwicklung um ein weiteres halbes Jahr verzögert hätte. Das wollte man dann doch nicht.

„Intelligent Preview“ ist Sonys Vorschau-Funktion der Bildergebnisse inklusive aktueller Aufnahmeparameter und eines Histogramms. Mancher mag das schätzen, um sich vorher einen Eindruck von der Bildwirkung (bei bestimmten Effekten) machen zu können. Ich vermag den Sinn nicht wirklich zu erkennen: Aufnahme machen, sie ist auf dem Monitor sichtbar, und ich sehe, obs was ist oder nicht. Speicherplatz kostet nichts, wenn die Speicherkarte einmal gekauft ist. Warum also nicht Speichern + Begutachten in einem Schritt? Da mich „Intelligent Preview“ weder interessierte noch ich es vermisste, habe ich es aber auch nicht ausprobiert. Vielleicht übersehe ich da ja was, was in der Praxis hilfreich sein mag.

Grafik Suchereinblick mit AF-Feldern

Der Autofokus funktionierte flott und zuverlässig. Ich nutzte den zentralen Messpunkt mit lichtstarken Zoomobjektiven (2,8). Die AF-Sensorenanordnung allerdings scheint einer APS-C-Kamera entnommen zu sein. Das Gesamtfeld konzentriert sich doch recht klein in Suchermitte bzw. im mittleren Bildfelddrittel – AF-Verfolgung übers Bildfeld ist da nicht in Sicht. Und außermittige Kreuzsensoren fehlen ebenso wie die Möglichkeit, Sensorgruppen zu wählen.

Die α900 ermöglich auch die Feinjustage der Objektive: +/-20 Feinabstufungen (insgesamt also 40 Werte) kann der Fotograf einjustieren und für 30 Objektive speichern. 26 hat Sony derzeit im Programm, selbst eifrigste Objektivkäufer behalten also noch ein paar Speicherplätze frei.

Die neue Objektivfarbe für die Telebrennweiten nennt sich übrigens „platin“. Sie ist hell, damit die großen Tüten sich im Sommer nicht so aufheizen und auch, weil die anderen das auch so machen, und es ist „platin“ geworden, damit man sie aus der Ferne oder in der Menge eindeutig als Sony-Objektive erkennt.

Was den Energieverbrauch bzw. die günstigen genannten Werte angeht – die α900 soll rund 880 Aufnahmen schaffen, und das mit dem gleichen Akku wie die a700, so liegt das vor allem an der CIPA-Norm. Die nämlich schreibt den Blitzeinsatz bei der Hälfte der Aufnahmen vor – hier profitiert die α900 vom fehlenden Blitz.

Apropos: Damit fehlt natürlich auch der Steuerblitz fürs drahtlose bzw. entfesselte Blitzen. Wer das will, muss sich zwei Blitzgeräte dazukaufen; eins als Steuerblitz auf der Kamera, das andere fürs entfesselte Licht. Für die Verhältnissteuerung müssen das die Modelle HVL-F58AM (Leitzahl 58) oder  HVL-F42AM (Leitzahl 42) sein. Was den Preis für das drahtlose Blitzen im günstigsten Fall auf gut 400 Euro schraubt. Ein Drahtlos-Steuergerät, das dies Unterfangen ein wenig preiswerter gestalten könnte, ist derzeit nicht geplant.

Foto des Blitzschuhadapters FA-HS1AM

Foto der Kartenslots der alpha 900

Es gibt jetzt aber wenigstens einen Blitzschuhadapter FA-HS1AM (ca. 120 Euro), der den proprietären Sony-Blitzschuh in einen normkonformen Mittenkontakt wandelt, der aber, soweit ich das sehe und verstehe, den Blitz zwar zünden, nicht aber leistungs-steuern kann.

Die Direktwahl der Speicherkarte, die früher aus lizenzrechtlichen Gründen nicht möglich war (da musste man den Schacht, in dem die Speicherkarte lag, umständlich im Menü auswählen), ist jetzt verwirklicht. So ganz nebenbei hat Sony CompactFlash-Speicherkarten mit Faktor 300 vorgestellt. 45 MB/s Schreibgeschwindigkeit sollen sie erreichen.

Bildqualität

Und was macht all die Technik für Bilder? Hoch aufgelöste jedenfalls, mit großen Dateien. Ein JPEG ist typischerweise zwischen 8 und 10 MB groß, ein RAW-Datei belegt im Schnitt 36 MB. Im Bildbeispiel sieht das so aus:
 
 

Foto thoMas  Foto thoMas

Klick auf die Bilder! (je ca. 8 MB!)

Freihandaufnahme mit dem 2,8/70-200 mm G und zugeschaltetem Bildstabilisator: Links: Blende 2,8, 1/800 s bei ISO 1600; rechts Blende 2,8, 1/00 s bei ISO 200. Hinterlegt sind hier die originalen JPEG-Aufnahmen ohne jede Bearbeitung.

 
Die Aufnahmen entstanden mit Version 1.00 der Firmware. Die Witterungsverhältnisse – grau bedeckter Himmel, fades Licht und geringe Kontraste – waren nicht unbedingt geeignet, eine Kamera bzw. deren Bildergebnisse glänzen zu lassen. Dennoch zeigen sie, dass die alpha 900 auf höchstem Niveau spielt, die passenden Objektive vorausgesetzt. Mit einer RAW-Entwicklung kann das noch besser werden.

Standardempfindlichkeit der α900 ist ISO 200; auch ISO 100 lassen sich einstellen. Wobei erste Vergleiche darauf hindeuten, dass sich mit ISO 100 nichts an Bildqualität gewinnen lässt, ja sie sogar ein wenig nachlässt.

Quintessenz

Sony hat ja Anfang des Jahres 2006 die Kamerasparte von Minolta übernommen. Sony-Kameras tragen also viel Minolta-Erbgut in sich; vor allem auf der mechanischen Seite. Die elektronische Seite hingegen, die Sensoren- und Siganlverarbeitungstechnik im Besonderen, konnte Sony mittlerweile deutlich verbessern, ja hält derzeit sogar die Bestmarke, was die Auflösung im Kleinbildformat angeht.
 

Foto der alpha 900 in Aufsicht

 
Geblieben sind das Minolta-Aussehen und -Bedienkonzept. Das Hantieren mit der Kamera war für mich wie ein Treffen mit einer alten Bekannten. Sie hat viel von der α700, aber auch viel von einer Dynax 9. Und so werden alte Minolta-Fotografen mit der Kamera ebenso gut zurecht kommen wie neue Sony-Fotografen. Doch auch wem das Gehäuse noch fremd ist, der wird sich schnell einfinden, wenn er denn Tastenbedienung mag. Allein acht Bedienelemente hat Sony rechts oben hingepackt: Steuerrad (Blende, Belichtungszeit, Werte- bzw. Programmshift), Auslöser, Belichtungskorrektur, Serienbildgeschwindigkeit, LCD-Beleuchtung, Weißabgleich, Empfindlichkeitswahl, Langzeitsynchronisation – zu bedienen mit Zeigefinger und Daumen. Was so aufgezählt verwirrend klingen mag ist in der Praxis, wie ich finde, äußerst logisch: Blende, Zeit und Lichtwert (unterschiedliche Zeit- / Blendenkombinationen, die in gleicher Belichtung resultieren) wähle ich mit dem Steuerrad, der Auslöser fixiert Belichtung und Schärfe und macht die Aufnahme. Die restlichen Knöpfe sind für den Daumen bestimmt und müssen nicht zwingend bei jeder Aufnahme benutzt werden, erlauben aber das schnelle Ändern wichtiger Parameter.

Der Daumen bekommt aber noch viel mehr zu tun, denn auf der Rückseite kann er weiter-tasten: Messwertspeicher, Belichtungscharakteristik, Umschaltung AF / MF, ein zweites Steuerrad … – all das ist in Aufnahme-Handhaltung mit dem Daumen erreichbar. Darunter dann noch weitere Daumen-Knöpfe zur Menübedienung, eine Funktionstaste, ein Schieber für den Bildstabilisator, … usw.
 

Foto der Rückansicht der alpha 900

 
Ganz klar, das muss man mögen (ich komme sehr gut damit zurecht) und ganz klar, das ist eine Kamera für Rechtshänder bzw. für den rechten Daumen und Zeigefinger.

Wer das kennt und mag, oder kennenlernt und sich damit anfreunden kann, wird von dieser Kamera begeistert sein. Ich jedenfalls bin es, wenn auch nicht rückhaltlos. Zu bedenken bleibt vor allem das kleine Autofokusfeld. Mir, der ich gerne mit dem zentralen AF-Messfeld hantiere, macht das nichts aus. Aber zu meinen bevorzugten Aufnahmegebieten gehört auch nicht Sport und dergleichen. Anders angegangen: Eine Reportagekamera reinsten Wassers ist die α900 nicht geworden, trotz der respektablen Serienbildgeschwindigkeit ist da der Autofokus vor.

Dennoch: Sony hat mit der alpha 900 eine Kamera vorgestellt, die etliche sinnvolle Bestmarken setzt. Dazu zählt nicht zuletzt der Preis: 2800 Euro. Das ist nicht wenig Geld, aber wenig für eine Kamera mit dieser Ausstattung und dieser Leistung. Relativiert wird der günstige Preis durch den Zubehörkauf: Die Kamera verlangt nach den besten Objektiven, nach G oder Zeiss. Alles andere wäre schade und verschenkte Bildqualität. Doch wer der α900 die adäquaten Objektive spendiert, bekommt eine Bildqualität auch in den Großformaten (wir reden hier von 51×34 cm bei 300 dpi, das ist sehr gut DIN A3), die es bislang zu diesem Preis nicht gab. Ganz abgesehen davon, dass auch das Gesamtkonzept der Kamera zu überzeugen vermag, wenn man denn die Tastenbedienung schätzt.
 

Foto thoMas

Im stillgelegten Spreepark Plänterwald in Berlin

 
Anmerkung: die Beispielfotos sind im Spreepark Plänterwald entstanden, der normalerweise für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich ist. Sony hat‘s für uns möglich gemacht. Eine sehr interessante und lesenswerte Zusammenfassung zur wechselvollen Geschichte des Parks hat Christopher Flade zusammengestellt, der uns während der Foto-Stunden auch sachkundig führte und interessant unterhielt und der auch anderen Interessierten Führungen anbietet: Spreepark Plänterwald.

Weitere Eindrücke von der α900 finden sich u.a. hier:
Beispielaufnahmen alpha 900; Sony Japan
The Alpha 900 arrives; Photoclub Alpha
Sony A900 DSLR takes steady aim at pros; The McNamara Report
A Report on the World’s Highest Resolution dSLR; Luminous Landscape
Sony Alpha DSLR-A900A; imaging resource
Sony A900 DSLR Hands On Preview; AlphaMountWorld.com

Wenig(er) ausführlich und aussagekräftig sind die ersten deutschen Berichte:
Sony Alpha 900 – Praxisbilder aus Edinburgh; d-pixx
Weltrekord-DSLR; CHIP online
 

(thoMas)

Produktfotos von Sony, Beispielfotos von thoMas.