Riesen-Reprokamera Falz & Werner Modell K: 4,40 Meter lang, Negativformat 70 x 70 cm, zentnerschwer und 90 Jahre alt. Wie die Plecher Museumsmacher das Monster vor dem Holzofen retteten.

Text und Bilder: Kurt Tauber

„Das war damals schon ein wenig kühn von mir“, schmunzelt Museumsgründer und -leiter Kurt Tauber, wenn er an das Jahr 2006 zurückdenkt, als sich der heute 71-Jährige ein 4,40 Meter langes, zentnerschweres Monstrum von Reprokamera aus Berlin anlachte, ohne sicher sein zu können, das gute Stück jemals wieder zur Gänze – also aufgebaut – betrachten zu können. Denn das Deutsche Kameramuseum in Plech, wo der „Goliath“ des Leipziger Herstellers Falz & Werner seit 2011 zu bestaunen ist, war noch in weiter Ferne und Tauber wusste nicht, ob es jemals zu einer Museumsgründung kommen werde.

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Heute steht das Prunkstück im Plecher Museum unverrückbar dominant im sogenannten Reprosaal und wird von den durchwegs schwer beeindruckten Besuchern ehrfürchtig umrundet. Möglich gemacht hat das der Pegnitzer Pumpen- und Armaturenhersteller KSB, einer der Hauptsponsoren des Deutschen Kameramuseums im benachbarten Plech. KSB-Mitarbeiter fuhren im Falle der Riesenkamera extra mit einem überlangen Sprinter nach Berlin, um das gute Stück abzuholen und dann in der Pegnitzer Firma erst einmal ein paar Jahre einzulagern. Die zwei großen Holzbalken passten, schräg gestellt, gerade so ins Auto.

Auf die Größe kommt es an

Ein pensionierter Physiker im früheren Ostteil Berlins hatte mit dieser Kamera auf dem Dachboden seiner Villa zuletzt noch Kleinserien von elektrischen Leiterplatten für Messgeräte produziert. Das Prinzip: Die vervielfältigte Zeichnung mit den Stromleitungen und Beschriftungen für Kondensatoren, Transistoren und Widerstände wurden zunächst auf eine lichtempfindlich beschichtete Kupfer-Pertinaxplatte abfotografiert. Danach wurde die große Platte entwickelt und geätzt, sodass nur die stromführenden Kupferbahnen auf der selbst nicht leitfähigen Pertinaxplatte stehen blieben. Die große Platte wurde dann entsprechend aufgeteilt und mit den Bauelementen bestückt. Das kann man zwar theoretisch auch mit jeder handelsüblichen Plattenkamera machen, aber bei einem Negativformat von 70 x 70 cm ergibt das eben in einem Arbeitsgang auf einen Schlag dutzende solcher Leiterplatten und damit eine enorme Zeit- und Kostenersparnis.

raster-hebel

Vorrichtung zum Einstellen des Rasterabstandes bei Druckvorlagen: Der Zeiger zeigte den Abstand Negativmaterial zu Rasterscheibe an.

Es kommt also doch manchmal auf die Größe an: bei Postern, Werbeplakaten, bei Messtischblättern, Landkarten, Reproduktionen in Originalgröße, Druckvorlagen für die grafische Industrie. Und beispielsweise – auch das kann man mit so einer Kamera machen – beim Fotografieren von Gruppenbildern mit 100 Personen oder mehr. So sind auf den späteren schwarzweißen Kontaktkopien beispielsweise die Soldaten einer ganzen Kompanie in bester Qualität haarscharf zu erkennen – kein Wunder bei dieser Auflösung!

Original von 1930

Das Ganze ist dann noch oft – wie auch in diesem Museumsexemplar – mittels massiver Stahlfedern gegenüber Erschütterungen geschützt, was wichtig war, damit die Aufnahmen nicht durch umherlaufende Personen oder zuschlagende Türen verwackelt wurden. Doch irgendwann ging die moderne Technik über diesen fotografischen Dinosaurier hinweg, das Filmmaterial wurde auch immer besser, sodass auch kleinere Negativformate ausreichten, und dann begann der Siegeszug der digitalen Fototechnik. Die Goliaths hatten gegen die Davids verloren.

Das Deutsche Kameramuseum in Plech

Das Deutsche Kameramuseum in Plech, Ende 2011 eröffnet und an Pfingsten 2012 feierlich eingeweiht, gehört zu den bedeutendsten Foto-Museen Deutschlands. Über 30.000 Exponate – darunter gut 7.500 Fotokameras und hunderte von Filmkameras – wurden hier zusammengetragen.

Das Museum ist barrierefrei zugänglich und bietet einen kostenlosen Audioguide, der über das eigene Smartphone abrufbar ist und 37 wichtige Stationen erläutert.

Die üblichen Öffnungszeiten: Von Februar bis November jeden Sonntag 11 bis 17 Uhr. Letzter Einlass: 16 Uhr.

Weitere Informationen: https://kameramuseum.de

Saisonstart 2023: Sonntag, 5. Februar, 11 Uhr

Im Falle der jetzigen Museumskamera Modell K des Leipziger Herstellers Falz & Werner hieß das: Das Monstrum aus den Jahren um 1930 war überflüssig geworden. Die Familie Seydel beschloss, das Gerät einem Museum zu übereignen und Tochter Felicitas Sandor machte sich auf, einen Abnehmer zu suchen. Als die großen bekannten Institute dankend ablehnten, landete – dank Google und der damals schon bekannten Internetseiten des real noch nicht existierenden Deutschen Kameramuseums – die Anfrage bei Kurt Tauber. 

Die großen Museen waren nämlich allenfalls an der außergewöhnlichen Beleuchtungseinrichtung von Hoh & Hahne interessiert, aber nicht am monströsen Holzgestell. Denn bei den meisten Reprokameras dieser Art waren längst die ursprünglichen stromfressenden, lauten und stinkenden Kohlebogenlampen durch Halogenleuchten oder Blitzlicht ersetzt worden. Nicht so bei dem auch sonst original erhaltenen Exemplar auf dem Berliner Dachboden. Und die Familie Seydel/Sandor wollte nur die Kamera komplett abgeben – also möglichst für die Nachwelt erhalten.

Kurt Tauber zögerte nicht lange und sagte zu, mit dem Vorbehalt, dass es mit einer damals noch nicht absehbaren Museumsgründung klappen würde. Wenn nicht, würde die Kamera schließlich doch noch als Feuerholz enden, womit sich die Berliner Eigentümer fast schon abgefunden hatten.

Die selten gewordene Beleuchtungseinrichtung der Leipziger Firma Hoh & Hahne, gebaut nach 1926. Zwei Kohlestäbe erzeugen wie bei einem Schweißgerät einen Lichtbogen.

Und so fuhr Tauber eines schönen Herbsttages 2006 mit seinem Bayreuther Freund und Journalistenkollegen Udo Bartsch von Pegnitz nach Berlin, wo man sich zusammen mit einem weiteren Freund, dem Berliner Rundfunkjournalisten Robert Seifert, und der Familie Seydel/Sandor an die Demontage der Riesenkamera machte. Jeder Schritt wurde fein säuberlich mit der Kamera dokumentiert. Das daraus erstellte Fotobuch bildete im Mai 2011 die Grundlage dafür, dass die gut vier Jahre eingelagerten Einzelteile wieder passgenau von einem Schreiner zusammengebaut werden konnten. Keine noch so kleine Schraube fehlte, jeder winzige Splint kam wieder an seinen Platz, keine Mutter oder Beilagsscheibe blieb übrig …