Die CP+ ist die wichtigste Fotomesse Japans. Nun könnte man meinen, da müsste ein wahres Neuheitenfeuerwerk gezündet werden. Ist aber nicht so. Gelohnt hat sich unser Besuch dennoch. Ein Messebericht in drei Teilen: Trends, Produkte, Kuriositäten.

Zum zehnten Mal veranstaltet die CIPA, der Verband der japanischen Kameraindustrie, seine eigene kleine Messe in Yokohama in der Nähe von Tokio. Und klein meinen wir genau so: kein Vergleich zu einer photokina. Die CP+ ist im Prinzip eine Messehalle und das war’s. Klar, alle Großen sind dabei und in 10 Minuten hat man die Stände von Sony, Nikon, Canon und Fujifilm (in der Reihenfolge) abgeschritten. Und es ist voll, das Interesse am Thema Foto also ungebrochen groß – von der Dichte auf den Gängen vergleichbar mit einer photokina, was aber fehlt ist das Lebensgefühl Foto. Es ist kein Raum der Begegnung, sondern einer, wo man hinkommt um ein Stück Technik anzufassen und vielleicht noch einem kurzen Fotografen-Vortrag zu lauschen. 70.000 Besucher kommen an vier Tagen und frönen einem klassischen Messebesuch. Das wirkt ein wenig aus der Zeit gefallen und ist weit entfernt von einem Messekonzept der Zukunft. Aber dennoch kann man klare Trends erkennen, wenn man mit offenen Augen durch die Halle läuft:

Trend 1: Starker Start für L-Mount

Eines der großen Highlights der photokina war die Ankündigung der L-Mount Alliance und der ersten Produkte unter dem neuen gemeinsamen Schirm von Panasonic, Sigma und Leica. Ein halbes Jahr später gibt es nicht nur die ersten Kameras – sondern es dauert nicht mehr lange, und die Kunden haben die Auswahl aus sage und schreibe 36 Objektiven. Darunter 11 neue, die Sigma jetzt frisch zur CP+ fürs L-Mount angekündigt hat. Dazu kommt noch ein Adapter, mit dem 29 Sigma-DSLR-Objektive (SA- und EF-Mount) an den L-Mount passen. So eine Auswahl für ein so junges System kann sich sehen lassen!

Trend 2: Mit Software gewinnen

Vieles, was eine Kamera besonders macht oder wirklich nützliche Features, haben wenig mit der Hardware zu tun. Erst mit der richtigen Software wird eine moderne Kamera zu dem, was sie ist. Immer mehr Firmen gehen dazu über, mittels Firmware-Updates neues Funktionen auszurollen. Meist sind es minimale Verbesserungen, etwa um die Kompatibilität mit Objektiven sicherzustellen. Es kann aber auch etwas ganz großes sein, wie das von Nikon angekündigte Z-Firmware-Update, das im Mai kommen soll – hierfür hat man auf die Kunden gehört und die haben einen Eye-Tracking-Autofokus gewollt. Erstmals auszuprobieren übrigens auf der CP+.

Bildgalerie: Eindrücke von der CP+ 2019

9 Bilder. Alle Fotos: © Florian Schuster

Trend 3: Offenblende ohne Ende

Ob das neue Tamron 35 mm f/1,4, das Sony 135 mm f/1,8, Samyang 85 mm f/1,8 oder das Nikon Noct f/0,95 – das aktuelle Motto lautet wohl: je größer die Lichtstärke, desto besser. Faszinierende neue fotografische Möglichkeiten und ein Bokeh zum Niederknien versprechend die Hersteller. Und haben damit durchaus recht. Die ersten Testbilder vom neuen Tamron machen einen großartigen Eindruck, die neue Porträt-Linse von Sony ebenso. Und wer die Anwendungsbeispiele vom Nikon Noct sieht, von Party bis Sternenhimmel, der möchte es am liebsten gleich selbst ausprobieren. Die Kunden indes definieren sich offenbar gerne über diese neu in den Fokus gerückte Zahl. Man könnte auch sagen: Nachdem Vollformat immer bezahlbarer wird, muss man ja ein neues Unterscheidungsmerkmal finden …

Neue Produkte

Produktseitig gibt es in Yokohama nichts zu sehen, was nicht auch schon im Vorfeld bekannt wurde. Aber was interessiert die Besucher? Auffällig viel los ist am Stand von Ricoh, wo die GRIII das erste Mal der Öffentlichkeit gezeigt wird. Eine starke Kompakte, die ganz offensichtlich viele Fans hat. Bei Canon bilden sich Schlangen für die schon vor Wochen vorgestellte EOS RP. Wer sie kurz mal ausprobieren will, wartet dafür gut und gerne mal eine halbe Stunde. Das Segment der günstigeren Vollformatkameras ist aber eben ein sehr interessantes. Im Interview mit Nikon haben wir zum Beispiel auch erfahren, dass die Verkäufe des neuen Z-Systems „wie geplant“ verlaufen, allerdings mit einem spürbar größeren Anteil der Z6 als man erwartet hätte. Und sonst: einige Objektive für alle möglichen Bajonette (Tamron, Sony, Sigma, …) und weniger spektakuläres Zubehör.

Zum Schluss noch drei Kuriositäten der CP+

  1. Der „Ribbon Cut“: Wie traditionell (um es mal positiv zu formulieren), die Japaner das Thema Messe angehen, zeigt sich schon, bevor es losgeht. Zur Eröffnung der Messe wird feierlich ein Band zerschnitten – von den Veranstaltern, der Bürgermeisterin von Yokohama und einigen wichtigen Partnern, darunter Christian Müller-Rieker vom deutschen Photoindustrieverband PIV. Da stehen sie also mit Schleifen geschmückt und goldenen Scheren …
  2. Japanische Messehostessen-Kultur: Ähnlich aus der Zeit gefallen wie der stocksteife „Ribbon-Cut“ ist der Einsatz leicht bekleideter Messehostessen, mit kurzen Röcken, Lackstiefeln und bauchfrei – für jeden Geschmack ist etwas dabei.
  3. Vollmundige Werbeaussage: Vieles in Japan ist „Lost in Translation“, klar. Wenn aber eine kleine israelische Firma behauptet, sie führe die mobile Revolution in der Fotografie an, dann stutzt man doch sehr. Wie auch immer: Pictar ist ein Kamerahandgriff, mit dem sich das Smartphone wie eine Kompaktkamera bedienen lässt. Fühlt sich gut an, funktioniert auch ganz witzig und probieren wir demnächst mal aus. Eine Revolution ausgelöst oder angeführt hat das Ding aber sicher nicht.