Ende der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts begann in Deutschland das große Sterben einstmals großer Kamerahersteller. Aufstrebende japanische Unternehmen produzierten nicht nur günstiger sondern zunehmend auch bessere Kameras. In dieser schwierigen Situation ging die Ernst Leitz Wetzlar GmbH (heute: Leica Camera AG) 1971 eine auf Jahre fruchtbare Kooperation mit dem japanischen Hersteller Minolta ein. Eine unternehmerische Entscheidung, die sich bald als sehr glücklich erwies. So wie schon 1924, als Ernst Leitz II beschloss, die von Oskar Barnack entwickelte Leica auf den Markt zu bringen.
Wie es zu der Kooperation zwischen Leitz und Minolta kam und wie diese sich entwickelte, erinnert sich der damalige Geschäftsführer der Ernst Leitz GmbH, Dr. Knut Kühn-Leitz, im Interview. Zuerst erschienen ist der folgende Text auf prophoto-online, photoscala gibt ihn mit freundlicher Genehmigung wieder.
Verantwortungsvolle unternehmerische Risikobereitschaft zählte zu den Erfolgsfaktoren der Industriellenfamilie Leitz in Wetzlar. Das bekannteste Beispiel dafür ist die Entscheidung von Ernst Leitz II aus dem Jahr 1924, die von Oskar Barnack entwickelte Leica, ausgestattet mit einem von Max Berek gerechneten Hochleistungsobjektiv, in das Fertigungsprogramm aufzunehmen und damit ein neues fotografisches System auf den Markt zu bringen. Denn die Risiken für den Mikroskophersteller waren groß. Leitz fehlte die Vertriebsstrecke für Amateurkameras. Der für die Kleinbildfotografie mit der Leica vorgesehene Kinofilm mit seiner geringen Filmempfindlichkeit und seiner Grobkörnigkeit war nur begrenzt einsetzbar. Außerdem hatte die Hyperinflation die Geldvermögen in Deutschland vernichtet. Damit fehlte die Kaufkraft für die Anschaffung einer teuren Kamera wie der Leica. Schließlich war der Fotohandel nicht geneigt, das florierende Geschäft der Herstellung von Kontaktkopien von großen Negativen durch eine neue, aufwändige Vergrößerungstechnik mit Negativen in der Größe einer Briefmarke zu ersetzen. Ernst Leitz ging dennoch das Risiko ein, weil er an die Zukunft der Kleinbildfotografie glaubte, vor allem aber, weil er die Arbeitsplätze seiner Mitarbeiter in seinem Unternehmen absichern wollte. Die Entscheidung war richtig. Die Leica revolutionierte die Fotografie.
Dr. Knut Kühn-Leitz, Anfang der 1970er Jahre einer der Geschäftsführer der damaligen Ernst Leitz GmbH, Wetzlar, (heute Leica Camera AG) war etwa 50 Jahre später maßgeblich am Zustandekommen einer ungewöhnlichen Kooperation beteiligt: Zwischen Leitz, dem durch die Leica weltbekannten deutschen Unternehmen, und der japanischen Firma Minolta Camera Co. In dem nachstehenden Interview äußert er sich sowohl zu den Gründen als auch zu den Ergebnissen einer 25-jährigen Zusammenarbeit.
Herr Dr. Kühn-Leitz, Ihr Großvater hat vor über 90 Jahren mit seiner risikovollen Entscheidung, ein neues fotografisches System einzuführen, den Grundstein für den Weltruhm der Leica gelegt. Das Traditionsunternehmen Leitz und heute die Leica Camera AG mussten immer wieder große unternehmerische Risiken eingehen, um überleben zu können und seine Mitarbeiter vor drohender Arbeitslosigkeit zu bewahren. Sie als damaliger, junger Geschäftsführer von Leitz haben ebenfalls eine solche Risikobereitschaft gezeigt, als Sie es vor 45 Jahren übernahmen, eine auf Dauer angelegte technische Zusammenarbeit mit einem der größten japanischen Wettbewerber anzubahnen und aufzubauen. Was waren damals die Gründe für Leitz, eine Kooperation mit Minolta einzugehen?
1971 war ein Schicksalsjahr für die deutsche fototechnische Industrie. Angesichts exorbitanter Lohnerhöhungen in Deutschland und der um die Hälfte niedrigeren Produktionskosten der japanischen Mitbewerber konnte Leitz in Wetzlar die Leica nicht mehr zu kostendeckenden Preisen herstellen. Daher fällte die Geschäftsführung von Leitz zwei weitreichende Entscheidungen:
- Eine Zusammenarbeit in Entwicklung und Fertigung auf Augenhöhe mit einem bedeutenden japanischen Unternehmen der fototechnischen Industrie sollte angebahnt werden.
- Insbesondere zur Montage von Kameragehäusen sollte gleichzeitig ein Standort in einem Niedriglohnland gesucht und dort ein eigenes Zweigwerk aufgebaut werden.
In einer Sitzung der Geschäftsführung im Januar 1971 erklärte ich mich dazu bereit, die Möglichkeiten einer Kooperation mit Minolta auszuloten, während mein Onkel Ernst Leitz es übernahm, eine eigene Fertigungsstätte in einem Niedriglohnland aufzubauen.
Man munkelte damals in der Fotobranche, dass sich Minolta auch am Stammkapital von Leitz beteiligen wolle, verbunden mit dem Ziel, letztlich die Firma Leitz zu übernehmen. War dies wirklich nur ein Gerücht?
Es bestand zu keinem Zeitpunkt von Minolta die Absicht, die Kapitalverhältnisse zu verändern, um auf die Geschäftspolitik von Leitz Einfluss nehmen zu können.
Was waren die Folgen der damaligen Wirtschaftskrise für die deutsche fototechnische Industrie ganz allgemein?
Die Folgen für die deutsche Fotoindustrie waren gravierend:
- Die Rolleiwerke verlagerten ab 1970 schrittweise ihre gesamte Fertigung nach Singapur. Deren Geschäftsführung hatte mit der Regierung des Stadtstaates vereinbart, bis 1980 etwa 10.000 Arbeitsplätze zu schaffen. Dafür erhielt Rollei das Recht, dort alleiniger Hersteller fotografischer Geräte zu werden. Rollei hatte aber weder in Singapur noch in Braunschweig das Potential, für eine derart große Fertigungskapazität genügend neue Produkte entwickeln zu können. Das gesamte Projekt scheiterte und Rollei musste 1980 Konkurs anmelden.
- Zeiss Ikon stellte 1972 die Fertigung hochwertiger Kameras ein. Auch Voigtländer mußte aufgeben. Der größte deutsche Hersteller von Kameraverschlüssen, die Firma Friedrich Deckel, schloss 1973 ebenfalls die Tore ihrer Fabrik für Kameraverschlüsse und konzentrierte sich ganz auf die Herstellung von Werkzeugmaschinen.
- Auch Leitz musste einige Jahre mit hohen Verlusten hinnehmen, bis das Unternehmen die Früchte einer umfangreichen strategischen Neuausrichtung auf dem Kamerasektor ernten konnte, die 1971 eingeleitet wurde.
Bitte geben Sie uns einige Informationen zu Minolta. Wann wurde das Unternehmen von wem gegründet und wie hatte sich das Werk bis Anfang der 1970er Jahre entwickelt?
Der Gründer von Minolta, Kazuo Tashima, war eine beeindruckende Unternehmerpersönlichkeit. Nach seinem Studium arbeitete er im väterlichen Handelsunternehmen und lernte dabei England, Frankreich und Deutschland kennen. Gegen den Widerstand seiner Eltern gründete er mit zwei deutschen Freunden 1928 das erste Kameraunternehmen Japans. Zunächst wurden nur einfache Sucherkameras gebaut, später folgten hochwertige Spiegelreflex- und Filmkameras. Von 1928 bis 1970 hat Minolta Millionen von Kameras hergestellt und sich eine Spitzenposition auf dem Gebiet der Spiegelreflexkameras erobert.
Wie nahmen die Führungskräfte von Leitz damals die Entscheidung der Geschäftsführung auf, eine Zusammenarbeit mit einem bedeutenden japanischen Wettbewerber anzubahnen und, wenn möglich, langfristig auszubauen?
Es gab – wie nicht anders zu erwarten – viele Vorbehalte. Dabei wurden insbesondere die Sprachprobleme, die unterschiedliche Kultur und die große Entfernung angeführt. Sorgen bereitete auch das Problem einer schnellen Kommunikation zwischen den beiden Firmen. Es gab damals weder Fax noch E-Mails, sondern nur einen langsamen Fernschreiber mit Lochstreifen. Der Postweg nahm viele Tage in Anspruch. Man hatte auch keine Erfahrungen, wie gemeinsame Entwicklungen patentrechtlich zu behandeln waren.
Aber wie war es dann möglich, dass die Kommunikation über 25 Jahre gut funktionierte?
Ein großer Vorteil war, dass Minolta in ihrer deutschen Vertriebsorganisation, aber auch in Osaka eine Reihe von Mitarbeitern hatte, die ausgezeichnet deutsch sprechen und schreiben konnten. So wurden alle Kooperationsvereinbarungen zwischen Leitz und Minolta in deutscher Sprache abgefasst. Außerdem erledigte eine Mitarbeiterin von Minolta von Wetzlar aus die tägliche Korrespondenz per Fernschreiber. Ein halbes Dutzend Führungskräfte aus Entwicklung und Fertigung von Leitz gingen für Monate nach Japan, um eine enge Zusammenarbeit aufzubauen. Wichtig ist hier auch zu erwähnen, dass Deutsche und Japaner eine Reihe von Gemeinsamkeiten haben, wie beispielsweise der ausgeprägte Sinn für Ordnung und Disziplin. Nicht zu Unrecht werden die Japaner als „Preußen Asiens“ bezeichnet. Die Mitarbeiter von Leitz stellten bei ihren Besuchen in Osaka immer wieder fest, wie gut die japanischen Kollegen über Deutschland informiert waren. Deutsche Lieder und deutsche Literatur waren bei den älteren Führungskräften hochgeschätzt.
Warum startete die Kooperation mit der Fertigung der Leica CL, einer für Minolta eher ungewöhnlichen kleinen Messsucherkamera, und wie wurden die Probleme gelöst?
Die kleine und kompakte Messsucherkamera Leica CL (Abkürzung für Compact Leica) war in Wetzlar unter der Leitung des Leitz-Chefkonstrukteurs Willi Stein entwickelt worden. Die Kamera war die leichteste Leica, die je entstand, besaß das Leica M-Bajonett und bot eine CdS-Belichtungsmessung durch das Objektiv. Das Objektivsystem bestand aus dem kompakten Standardobjektiv Summicron-C 1:2/40 mm und dem handlichen Teleobjektiv Elmar-C 1:4/90 mm. Als die Entwicklung der kleinen Leica 1970 abgeschlossen war, sah Leitz auf Grund der exorbitant gestiegenen Löhne keine Möglichkeit mehr, diese kostengünstig in Deutschland fertigen zu können. Der Aufbau eines eigenen Zweigwerks in einem Niedriglohnland würde Jahre dauern. Daher sollte ich es übernehmen, die Fertigung des Kameragehäuses der Leica CL durch Minolta in die Wege zu leiten. Minolta war dazu bereit und es wurde vereinbart, dass Leitz die Leica CL mit Objektiven aus Wetzlar weltweit vertreiben sollte. Nur in Japan sollte der Vertrieb dieser Kamera mit in Japan hergestellten Objektiven dem künftigen Partner unter der Produktbezeichnung „Leitz Minolta CL“ vorbehalten bleiben.
Wie entwickelte sich in der Zwischenzeit der Aufbau des Leitz-eigenen Zweigwerks in Portugal?
Bereits 1974 waren dort in gemieteten Räumen 100 Mitarbeiter beschäftigt. Ende 1975 war der erste Bauabschnitt des neuen Werks fertig. Die Belegschaft stieg auf 175 Personen, die in Vorfertigung, Rund- und Planoptik sowie in der Montage tätig waren. Ging es anfangs nur um die Herstellung von kompakten Ferngläsern sowie von Studenten- und Labormikroskopen, so begann 1976 die Montage der Leica R3 mit der Zulieferung von Baugruppen aus Osaka und Wetzlar. Bis 1994 stieg die Zahl der in Vila Nova de Famalicão Beschäftigten auf über 500. Das Zweigwerk von Leitz war ein großer Gewinn für den Ort und die umliegenden Gemeinden, die unter Arbeitslosigkeit litten.
Wie nahmen die maßgebenden Mitarbeiter in Marketing und Vertrieb, wie nahmen die Märkte im In- und Ausland die Entscheidung auf, eine Leica Spiegelreflexkamera in Kooperation mit einem japanischen Mitbewerber fertigen zu wollen?
Obwohl bekannt war, dass die neue Spiegelreflexkamera aus der Zusammenarbeit von Leitz und Minolta wesentlich auf dem in Wetzlar entwickelten neuen Metalllamellen-Schlitzverschluss basierte, musste der Bereichsleiter Marketing Foto, Wolfgang Müller, – viele Jahre auch Mitglied des Marketingausschusses des Photoindustrie-Verbandes – zunächst erhebliche psychologische Barrieren bei Vertretern und Fotohändlern im In- und Ausland überwinden, bis die Leica R3 auf der photokina 1976 vorgestellt werden konnte.
Wesentliche Komponenten der neuen Kamera wurden kostengünstig in Osaka in Großserie gefertigt und zusammen mit Komponenten aus Wetzlar im Zweigwerk von Leitz in Portugal montiert. Das erlaubte die Kalkulation eines deutlich niedrigeren Verkaufspreises im Vergleich zum Vorgängermodell Leicaflex SL2. Dennoch wurde kritisiert, dass sich die „Schwesterkameras“ XE-1 von Minolta und Leica R 3 von Leitz im Design ähnelten. Heute würde dies bei unterschiedlichen Leistungsmerkmalen niemanden mehr aufregen, wenn wir nur an die Gemeinsamkeiten des VW-Touareg mit dem Porsche-Cayenne denken.
Die Leica R3 bot zudem ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal: Sie war die erste SLR-Kamera mit Zeitautomatik und umschaltbaren Belichtungs-Messmethoden integral und selektiv sowie der Möglichkeit der Messwertspeicherung bei selektiver Belichtungsmessung. Weitere Unterstützung erhielt der Vertrieb durch die wachsende Palette neuer Leica R-Objektive von Leitz „Made in Germany“. Schließlich spielte auch die Zuverlässigkeit dieser Kamera im Dauerbetrieb eine bedeutende Rolle. Leitz konnte daher insgesamt mehr Leica R3 absetzen als ursprünglich geplant.
Fast alle damaligen Kleinbildkameras nutzten den von Oskar Barnack, dem Erfinder der Leica, konstruierten verstellbaren Schlitzverschluss mit zwei Vorhängen, der für Spiegelreflexkameras wegen des zusätzlichen Einbaus des Spiegelgetriebes in den Spiegelkasten sehr aufwändig war. Welche Überlegungen hatte man bezüglich neuer Kameraverschlüsse bei Leitz für zukünftige Generationen von SLR-Kameras angestellt?
Der seit 1963 bei Leitz in der Fotokonstruktion arbeitende Ingenieur Peter Loseries hatte frühzeitig die Aufgabe bekommen, für eine neue Generation von Spiegelreflexkameras einen Metalllamellen-Schlitzverschluss zu entwickeln, der als separates, getestetes und vorjustiertes Modul schnell und einfach an das Spiegelgehäuse anmontiert werden konnte. Zudem sollte das Verschlussmodul klein sein, um den Bau einer kompakten Spiegelreflexkamera zu ermöglichen. Diese Entwicklung musste außerdem die Fertigung in einer Großserie zu niedrigen Stückkosten erlauben und damit die Montagekosten für das Kameragehäuse deutlich senken.
Dem 35 Jahre alten Leitz-Konstrukteur gelang mit seinem Kreisschieber-Verschluss, der auch Leitz-Sektoren-Verschluss, kurz LSV genannt wurde, eine Meisterleistung. Durch eine genial konzipierte Geometrie ziehen die führenden Metalllamellen in einer kombinierten Dreh- und Schiebebewegung über das ganze Bildfenster, während die abdeckenden Lamellen diesen in einer Drehbewegung folgen. Weiterhin gelang es Loseries, den Drehpunkt der den Schlitz für die Belichtung bildenden Lamellen mit einer ausgeklügelten Antriebsgeometrie virtuell weit nach außerhalb des Verschlusskörpers zu verlagern, womit diese wiederum nur über einen relativ kleinen Winkel schwenkten. Diese Anordnung war der Schlüssel zu einem besonders kleinen und leichten Kameraverschluss und wird daher auch als Hauptanspruch in dem Leitz-Patent Nr. 1904751 vom 14. September 1972 genannt.
Leitz hat daher mit seinem neuen Metall-Lamellen-Schlitzverschluss für SLR-Kameras einen wesentlichen Beitrag zum Zustandekommen der Kooperation mit Minolta geleistet?
So ist es. Denn auch Minolta wollte sich von einem in das Spiegelgehäuse eingebauten Tuchverschluss trennen und einen kostengünstigen, leicht montierbaren Metalllamellen-Schlitzverschluss von einem Hersteller wie Copal oder Seiko beziehen. Der seit Jahren angebotene „Copal Square“ kam dafür aber nicht mehr in Frage, denn dieser hatte eine Bauhöhe von 62 mm und war damit für die Konstruktion einer kompakten Spiegelreflexkamera, die seinerzeit im Trend lag, nicht geeignet. Auch war dieser „Oldtimer“ sperrig und laut. Da kam Leitz mit seinem Vorschlag gerade rechtzeitig, mit seinem neuen Verschluss gemeinsam eine neue Generation von SLR-Kameras zu entwickeln.
Der Prototyp des Verschlusses, den Minolta begutachtet hatte, sollte dazu von Copal, dem bekannten japanischen Hersteller von Kameraverschlüssen, für die Großserienfertigung optimiert werden. Er erhielt den Namen „Copal Leitz Shutter“ (CLS) und sollte exklusiv für Leitz und Minolta gefertigt werden.
Minolta hatte für seine XM, die 1972 auf den Markt kam, bereits eine elektronische Verschlusssteuerung entwickelt. So entstanden in relativ kurzer Zeit die Schwesterkameras Minolta XE-1 und Leica R3. Diese Art der Zusammenarbeit zwischen einem japanischen und einem deutschen Großunternehmen der Fototechnik war neu und sorgte in der internationalen Presse für eine umfangreiche Berichterstattung.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Thema Autofocus: Seit wann hat sich Leitz mit diesem Thema beschäftigt?
Es ist heute wenig bekannt, dass sich Leitz schon Ende der 1950er Jahre mit der Frage beschäftigte, ob es nicht möglich sei, die Scharfeinstellung unabhängig vom jeweiligen Sehvermögen des Fotografierenden mit elektronischen Mitteln zu realisieren. Bereits am 21. Oktober 1960 wurde unter der Nummer 1423655 ein deutsches Patent für einen „automatischen Entfernungsmesser“ sowie 1964 unter Nummer 1263325 ein weiteres Patent zum Thema „Pupillenteilung bei SLR-Kameras“ angemeldet. Das Ergebnis weiterer Entwicklungen war die Correfot genannte Einrichtung, die, eingebaut in eine Versuchseinrichtung auf Basis einer Leicaflex SL, auf der photokina 1976 erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Dieses war das erste voll funktionsfähige automatische optoelektronische Fokussiersystem der Welt. Dieses von Leitz entwickelte System bildete die Grundlage späterer Autofocus-Technologien – auch für Minolta.
Was war das Herzstück der von Leitz entwickelten Autofocus-Einrichtung Correfot?
Die Einrichtung arbeitete nach dem Prinzip der sogenannten „Pupillenteilung“: Über einen teildurchlässigen Hauptspiegel und einen kleinen Hilfsspiegel der SLR-Kamera wurde eine zur Mattscheiben- und zur Filmebene konjugierte zusätzliche Bildebene erzeugt, in der das Bild durch eine schwingende Rasterscheibe analysiert wurde. Die Fotoempfänger waren paarweise angeordnet und erhielten ihr Licht jeweils aus der linken und der rechten Pupillenhälfte. Dabei waren die modulierten Lichtströme nur dann phasengleich, wenn die Bildebene exakt in die Rasterebene fiel, was durch die Auswerte-Elektronik sehr präzise erkannt wurde.
Was ist für Sie als direkt Beteiligtem das Fazit der langjährigen Zusammenarbeit zwischen Leitz und Minolta?
Der Erfolg von mehreren Generationen von Spiegelreflexkameras von Leitz und Minolta, die in vielen Varianten auf den Markt kamen, war groß, insbesondere, wenn man die verkaufte Stückzahl einer breiten Palette von Wechselobjektiven einbezieht. Hinzu kamen die kompakten Messsucherkameras Leica CL von Leitz und CLE von Minolta.
Nicht vergessen werden darf die erfolgreiche Zusammenarbeit bei der Entwicklung neuer Wechselobjektive. Hier setzten Leitz und Minolta Computer der jeweils neuesten Generation ein, tauschten Forschungsergebnisse zur Entwicklung neuer optischer Gläser aus und halfen sich gegenseitig mit neu erworbenem Know-how in der Fertigung. Im Ergebnis war die Kooperation auf beiden Seiten ein ständiges Geben und Nehmen.
Beide Partner verfolgten in der Spätphase der Kooperation jedoch zunehmend unterschiedliche Verkaufsstrategien. Und so lief die langjährige, erfolgreiche Zusammenarbeit nach und nach aus. Nichtsdestoweniger waren die Geschäftspartner aber in der langen Zeit der Kooperation zu Freunden geworden, so dass die guten zwischenmenschlichen Kontakte auf Dauer erhalten blieben.
Die hohen Lohnkosten in D werden gerne dafür verantwortlich gemacht, dass es mit der Fotoindustrie bergab ging. Die japanischen Lohnkosten waren damals bereits auf einem ähnlichen Niveau wie hierzulande. Es war eher die vergeigte Modellpolitik wie sie Frank Mechelhoff beschreibt.
Ha, wie gerne hätte ich eine spiegellose digitale KB-Kamera, so gut und kompakt und preislich vernünftig wie die Minolta CLE! Und ebenso kompakte Objektive dazu … mit Linearmotor-AF … das trägt nicht dick auf.
Aber leider bis dato Fehlanzeige.
genau – so isses!
Das wird schwierig mit dem digitalen KB-Format, möglichst gut, möglichst kompakt und dann noch
mit Autofokus und das Ganze preislich vernünftig!
Sony ist ja mit der Kamerasparte der Konica-Minolta Nachfolger, aber ist mit seinen spiegellosen
KB-Kameras und den AF-Objektiven weit von den genannten Wunschkriterien entfernt.
Und Leica mit seinen digitalen M Kameras?
Wohl kompakt, gute Optiken, aber kein Autofokus und preislich nicht wirklich vernünftig.
So ist Leica eben für viele, auch anspruchsvolle Photofreunde, eher eine Luxusmarke.
Da war dann die wirklich gute Leica CL mit den beiden durchaus guten Optiken aus den
1970 -ger Jahren eine Ausnahme.
Ich hab so eine: heißt FUJI X-E2, es gibt super Festbrennweiten dazu…. Steht bloß nicht Leica drauf. Und für die, die auf optische Meßsucher stehen heißt die Lösung X-pro 2.
Die Original CL mit 40 + 90mm hatte ich auch mal 10 Jahre lang für die Bergtouren.
Achim Kostrzewa
Immer wieder gerne von Leica aufgewärmt, die beliebte Correfot-Erzählung mit dem technischen Vorsprung, der leider keiner war und es nicht in eine Serienkamera schaffte, so ein Pech aber auch?! Canon dagegen hatte bereits 1963 eine funktionsfähige Autofokus-Kamera – und präsentierte diese auf der photokina im gleichen Jahr. Nikon zeigte 1971 ein funktionsfähiges Teleobjektiv – bis zum endgültigen "Durchbruch" dauerte es noch etwas, aber Konica verkaufte erfolgreich ab 1977 die erste AF-Serienkamera (C35-AF), übrigens ein Verkaufserfolg! Asahi Pentax lieferte 1981 die erste Autofokus-Spiegelreflex, Olympus folgte, Nikon steuerte die professionelle F3AF als verkaufsfertiges "Testmodell" dazu und letztendlich hatte Minolta 1985 großen Erfolg mit der "7000", dadurch die meistverkaufteste Spiegelreflex der Welt – und Leica? Wann kam denn von denen die erste eigene AF-Kamera, jetzt bitte nicht wieder einen japanischen Zulieferer nennen!
Der Vorsprung war schon da – leider zu groß, groß genug für die Rüstungsindustrie, wo sich wohl mehr Geld verdienen ließ, als mit baskenbemützen Lodenmantelträgern.
Auf eine Anfrage nach Details zum Correfot hieß es in der Antwort auf offziellem Leica-Briefbogen:
»Leider wünscht Leitz Wetzlar nicht, dass in den Zeitungen und Zeit-
schriften über Entwicklungsarbeit von Leitz beim Leopard berichtet wird.
Wir haben dafür Verständnis, wenn es andererseits auch bedauerlich ist,
dass diese Leistung nicht hervorgehoben werden darf.«
Interessanter Artikel. Wenn ich aber wiederholt etwas von "exorbitant gestiegenen Löhnen in Deutschland" lese, dann kann ich nur den Kopf darüber schütteln! Es ist ja nicht so, als ob die deutsche Arbeiterklasse damals völlig überzogene Lohnforderungen gestellt hätte; die Leute wollten nur einen ++angemessenen++ Lohn für ihre Arbeit bzw. ein Gehalt von dem man auch leben konnte (jetzt nicht auf großem Fuß, sondern bloß die Grundbedürfnisse stillen). Dass man dann die Ausbeutungsmethoden in Billiglohnländer verlagert hat, ist aus kaufmännischer Sicht vielleicht nachvollziehbar, aber aus ethischer Sicht IMO doch sehr diskutabel. Mensch, jetzt höre ich mich schon wie ein Altkommunist an; kann das sein, dass man mit zunehmendem Alter tatsächlich weiser wird und von seinen ehemaligen neo-konservativen Ansichten etwas Abstand nimmt!?! 😉
Leica ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass es auf die Vermarktung ankommt, nicht auf das Produkt. Die konnten z.B. auch Minolta-Zooms für den 10-fachen Preis verkaufen. (35-70 und 35-105), nur weil ein vorne eine andere Gravur und hinten ein anderes Bajonett dran war. Rational hätte man sich eine Minolta Kamera mit Zoom für weniger Geld gekauft. Aber Leica-Kunden sind (abgesehen vom Bereich Sports-Optics) nicht rational.
Minolta stand auch zur Verfügung, als Leitz ein Fischauge und ein Spiegelobjektiv verlangte, Sigma steuerte später ein Standard-Zoom dazu, Fuji eine kompakte Digitalkamera und danach erschien (das läuft bis heute) Panasonic auf der "Bild"fläche.