Jedes Bild ein Unikat – das ist das Besondere einer Sofortbildkamera. Doch wie fotografiert es sich mit einem Apparat, der keinen Autofokus kennt? Bei dem ein kleiner Guckkastensucher nur eine ungefähre Vorstellung davon vermittelt, was aufs Sofortbild kommen wird – und was nicht. Einer Kamera, die voluminös wie ein Backstein ist und doch nur das Nötigste bietet. Ich habe es ausprobiert, mit der Lomo Instant Wide.

 

Lomo Instant Wide: Beispielbild

 

Dass es sich bei der Lomo Instant Wide um eine Kamera ganz im klassischen Sinne handelt, wird klar, wenn man den Rückdeckel öffnet. Dann blickt man in gähnende Leere, in eine Kammer (lat. camera), die nur einen Zweck erfüllt: Die Filmkassette aufzunehmen. Diese Kassette enthält zehn Sofortbildfilme. Die Instant Wide ist also eine analoge Kamera, aber eine spezielle, denn das fertige Foto entsteht bereits einige Augenblicke nach der Aufnahme.

Lomo Instant Wide

Die Lomo Instant Wide ist eine Kamera im wahrsten Sinn des Wortes.
 

Als die Firma Polaroid zu Weihnachten 1948 die erste Sofortbildkamera auf den Markt brachte, war das ein absolutes Novum. Der Fotograf musste nicht mehr umständlich seinen Film entwickeln (lassen) und Abzüge anfertigen (lassen). Stattdessen hielt er eine Minute nach der Aufnahme ein Papierbild in den Händen, wobei das damals noch nicht ganz so einfach war wie heute bei der Instant Wide. Der bei ihr eingesetzte „Instax Wide“-Film von Fujifilm ist nämlich ein Integralfilm: Nachdem die Kamera das belichtete Positiv ausgegeben hat, muss man nur noch warten, bis sich die Fotografie quasi von selbst entwickelt hat. An den Maßstäben der Digitalfotografie sollte man also den Begriff „Sofortbild“ nicht messen.

Überall, wo ich mit der Instant Wide aufgetaucht bin, hat die Kamera sofort das Interesse auf sich gezogen. Schon alleine aufgrund ihrer schieren Größe. Kleiner kann sie kaum sein, denn die lichtempfindliche Fläche des Instax-Wide-Formats beträgt 62 x 99 mm, das eigentliche Bild ist mit seinem typischen weißen Rand ist sogar noch etwas größer. Im Gegensatz zum ursprünglichen Polaroid-Bild, das quadratisch war, weist das Wide-Format ein Seitenverhältnis von 3:2 auf.

Lomo Instant Wide

Die Lomo Instant Wide ist nicht gerade eine handliche Kamera.
 

Interesse auf sich gezogen hat die Instant Wide aber natürlich auch aufgrund ihrer Funktionsweise, die vor allem für Teens und Twens völlig neu war: Unmittelbar nachdem der Auslöser betätigt wird, rattert ein Motor in der Instant Wide los und schiebt ein zunächst reinweißes Blatt aus dem Auswurfschacht. Sofort beugen sich alle Köpfe darüber, um zu sehen, wie sich die Fotografie entwickelt.

Nicht nur, dass man sieht, wie das Bild entsteht, macht das Konzept der Lomo Instant Wide so spannend. Sondern auch, dass dieses Bild endgültig und ein Unikat ist. Entspricht die Aufnahme nicht den Vorstellungen, gibt es nur eine Möglichkeit: wiederholen. Das allerdings will angesichts der Kosten gut überlegt sein – eine Fotografie schlägt mit rund 65 Cent zu Buche. Ein Umstand übrigens, der gerade das jüngere Publikum schnell sein Taschengeld-Budget überschlagen ließ.

Dass man vor der Aufnahme bestenfalls grob abschätzen kann, wie ein Foto mit der Instant Wide werden wird, macht einen weiteren Reiz aus – oder kann je nach Sichtweise auch nerven. Schon den Bildausschnitt festzulegen, wird mit der Kamera schwierig. Insbesondere bei Nahaufnahmen, denn der kleine Gucklochsucher liegt weit außerhalb der optischen Achse – da hilft auch die „Close Up“-Markierung im Sucher wenig. Fokussiert wird rein manuell, als einzige Orientierungshilfe steht dabei eine grobe Skala mit den Werten „0,6 m“, „1 – 2 m“ und „inf.“ zur Verfügung.

Die Belichtung steuert die Lomo Instant Wide automatisch. Dabei wählt sie entweder Blende f/8 oder f/22, die Belichtungszeit variiert zwischen 8 s und 1/250 s. Daneben gibt es noch eine Bulb-Funktion sowie die feste Vorwahl einer Verschlusszeit von 1/30 s. Letztere ist vor allem in Verbindung mit dem integrierten Blitzgerät sinnvoll, das die korrekte Belichtung des Vordergrunds reguliert. Ich habe zumeist mit der Vollautomatik fotografiert, die sich um +1 und -1 EV übersteuern lässt. Nicht ausprobiert habe ich die PC-Sync-Buchse, über die sich eine Studioblitzanlage ansteuern lässt.

Mehr braucht es eigentlich auch nicht, um mit der Lomo Instant Wide ernsthaft zu fotografieren. Doch dafür ist sie eigentlich viel zu schade. Denn bei dieser Kamera steht auch der Entstehungsprozess einer Fotografie im Mittelpunkt (siehe oben). Und die spannende Frage, wie ein Foto geworden ist. Genau diese Spannung würzt sie mit einigen interessanten Zutaten. So gibt es eine Funktion zur Mehrfachbelichtung, die völlig unvorhersehbare Ergebnisse erzielt. Das gilt ebenso für diverse Vorsatzlinsen in verschiedenen Farben oder den „Spitzler“, mit dem nur ein Teil des Bildes belichtet wird.

Mein Fazit

Die Lomo Instant Wide hat mir ein Stück des Erlebnis‘ „Fotografie“ zurückgebracht, das durch die teilweise überzüchtete Digitaltechnik heute verloren gegangen ist. Bei dieser Kamera ist eher der Weg das Ziel, weniger das Ergebnis. Genau das macht aber ihren Reiz aus – und nicht nur auf einer Party (wo jeder „sein“ Bild gleich mitnehmen kann) oder unter jungen Leuten (für die die chemische Fotografie oftmals etwas gänzlich Neues ist). Wer allerdings nach der perfekten Aufnahme strebt, für den ist die Sofortbildkamera nichts.

(Martin Vieten)