Wenn es zur Qualität eines Objektivs zwei grundsätzlich unterschiedliche Meinungen gibt, macht schnell das Wort von der „Serienstreuung“ die Runde. Der zufriedene Besitzer oder Tester hat demnach einfach das Glück gehabt, ein gutes Exemplar erwischt zu haben. Beim unzufriedenen Fotografen ist dagegen ein nicht optimal gefertigtes Exemplar durch die abschließende Qualitätskontrolle geschlüpft. Doch gibt es diese Diskrepanz zwischen guten und schlechten Exemplaren eines Objektivmodells wirklich? Der amerikanische Objektivverleiher Lensrentals hat das systematisch getestet und kommt zu bemerkenswerten Schlüssen.
Fotoforen und -stammtische sind sich schnell einig, wenn ein hochgelobtes Objektiv die eigenen Ansprüche einfach nicht erfüllen will: Die „Serienstreuung“ ist schuld, das eigene Exemplar ist einfach schlechter als der Durchschnitt. Doch gibt es so etwas wie die Serienstreuung bei der Objektivfertigung wirklich? Bislang hat das kaum eine Publikation untersucht. Kein Wunder, sind derartige Tests doch zeitaufwändig und benötigen entsprechend viele Exemplare eines Objektivmodells, um eine valide Aussage treffen zu können.
Je breiter die Kurven ausgeprägt sind, desto größer ist die Serienstreuung
bei der Auflösungsmessung des entsprechenden Objektivs. Über dessen absolute
Leistung gibt die Grafik allerdings nur indirekt Auskunft.
Lensrentals in den USA geht der Frage nach der Serienstreuung seit Kurzem systematisch nach. Aktuell hat der Objektivverleiher je zehn Exemplare von 14 verschiedenen Teleobjektiven getestet und akribisch festgehalten, wie sehr die Messergebnisse innerhalb einer Baureihe voneinander abweichen. Dabei hat sich die Testcrew um Roger Cicala auf reine Auflösungsmessungen beschränkt – was angesichts von 140 zu untersuchenden Objektiven durchaus verzeihlich ist. Lensrentals hat explizit auch ältere Modelle aus den 90er Jahren mit in den Test einbezogen. Es waren Objektive unterschiedlicher Preisklassen der Hersteller Canon, Nikon, Zeiss und Samyang vertreten, letztere werden in Europa unter dem Handelsnamen Walimex vermarktet, in den USA als Rokinon.
Das Ergebnis der aufwändigen Testreihen ist eindeutig: Eine Serienstreuung gibt es tatsächlich. Und noch mehr: Je nach Objektiv waren deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Exemplaren festzustellen. Um dies zu veranschaulichen, hat Roger Cicala die „Lens Variance Number“ entwickelt, eine linearisierte Skala von 1 bis 10. 10 bedeutet hier, dass alle getesteten Exemplare eine Objektivs identisch sind – ein theoretischer Wert, der naturgemäß von keinem Objektivmodell erreicht wird.
Von den getesteten 85er mit Lichtstärke F/1.4 weist das Zeiss Otus die geringste Serienstreuung auf (links),
das Pendant von Rokinon (Samyang) die höchste (rechts). © Roger Cicala and Brandon Dube, Lensrentals.com, 2015
Glaubt man den im Internet kursierenden Meinungen, minimiert sich das Risiko der Serienstreuung umso mehr, je teurer ein Objektiv ist. Dass die preisgünstigen Objektive von Rokinon (Samyang) diese Vermutung zunächst bestätigen, darf jedoch nicht zur Verallgemeinerung hinreißen; Roger Cicala hält sie sogar für „total falsch“. So kommt das Nikon AF-S 85 mm/1,8G (UVP ca. 530 Euro) auf eine sehr gute „Lens Variance Number“ von 8,1, das Zeiss Otus 85 mm/1.4 (UVP fast 4.000 Euro) muss sich mit dem Wert 7,8 zufrieden geben. Beim Vergleich der Grafiken darf allerdings nicht vergessen werden: Sie geben nur indirekt Auskunft über die absolute Leistung eines Objektivs – und die kann bei einem besonders teuren Modell auch dann noch deutlich besser sein als bei einem preiswerten, wenn man von ersterem ein schlechtes Exemplar erwischt hat.
Der Preis eines Objektivs hat kaum einen Einfluss darauf, ob es vor Serienstreuung gefeit ist oder nicht.
© Roger Cicala and Brandon Dube, Lensrentals.com, 2015
Was viele Diskustanten in Fotoforen und am Stammtisch schon immer zu wissen glaubten, ist also durchaus richtig: Es gibt sie, diese Serienstreuung; wenngleich sich kaum vorhersagen lässt, bei welchem Hersteller oder Modell sie auftritt beziehungsweise nicht. Wer sich noch weiter in das Thema vertiefen möchte (und des Englischen mächtig ist), dem sei der aktuelle Testbericht Variation Measurements for Telephoto Lenses von Lensrentals-Mitarbeiter Roger Cicala ans Herz gelegt. Vertiefende Informationen zum Test- und Bewertungsverfahren gibt der Artikel Measuring Lens Variance desselben Autors, der bereits Ende Juni 2015 erschienen ist. Den direkten Vergleich der Serienstreuung zweier Objektive ermöglicht die Webseite „The Digital Picture“ mit ihrem lens comparison tool.
(Martin Vieten)
Walli
war die Geier Walli in einem Heimatschinken. Der Importname von Fotoartikeln ist Walimex. (Oberlehrermodus wieder AUS)
Ausserdem
ist Rokinon nicht der Hersteller der Samyang Objektive. Die werden von der koreanischen Samyang Optics gefertigt.
Rokinon wie auch Walimex, Vivitar, Bower und noch ein paar andere, vertreiben Samyang Objektive lediglich unter eigenem Namen.
Vielen Dank …
… für die Hinweise zu Walimex und den diversen Handelsnamen, unter denen Objektive von Samyang Optics vermarktet werden.
Beides wurde im Beitrag berichtigt.
Nicht aussagekräftig
Der Test besagt erst mal gar nichts. Jedes Objektiv hat Toleranzen, jede Kamera hat Toleranzen. Addieren sich diese Toleranzen, was normalerweise nicht sein dürfte, da sie so ausgelegt werden müssen dass “schlecht” mit “schlecht” gepaart, immer noch im akzeptablen Toleranzbereich liegt, so kommt es zu einer schlechteren Leistung der Kamera/Objektivkombination als wenn sich die Toleranzen quasi gegenseitig aufheben.
Bei den meisten schlechten Bildern liegt die Ursache allerdings hinter dem Sucher.
Kann nicht schaden,
[quote=Gast]Nicht aussagekräftig. Der Test besagt erst mal gar nichts. Jedes Objektiv hat Toleranzen, jede Kamera hat Toleranzen. [/quote]
sich erst einmal auf Roger Cicallas Blog zu informieren, bevor Urteile abgegeben werden.
Irgendwelche Kameratoleranzen spielen bei diesen Tests zur Serienstreuung keinerlei Rolle. Da addiert sich nichts und da hebt sich auch nichts auf.
Aus dem simplen Grund, weil hier keine Kameras verwendet wurden, sondern eine Prüfstation mit Spiegelkollimator und eigenem Sensor.
Vielleicht interessiert es auch, dass lensrentals dieses Prüfgerät von einem deutschen Hersteller gekauft hat. Das Ganze liegt so im Bereich von 200.000$.
Man darf also davon ausgehen, dass die Toleranzen hier in einer anderen Liga spielen als es eine handelsübliche Kamera/Objektiv Kombination zuwege bringt.
ROG
Alle Hersteller sind betroffen
Wenn man die Möglichkeit hat gleiche Objektive eines Herstellers an einer Kamera zu testen und wählt die volle Lichtöffnung, sind die sichtbaren Unterschiede sowohl bei preiswerten, als auch bei extremen Tele erheblich.
Wer glaubt er muss nur genug Geld ausgeben um das beste optische Bildergebnis zu bekommen – der irrt. Und wer meint er kauft preiswert und generell trotzdem sehr gut – irrt auch.
Wer vermutet das teure Objektive leicht abgeblendet generell besser sind als preiswerte, lichtschwach Objektive bei Offenblende – der ist oft auch auf dem Holzweg.
Zum Glück kann ein versierter Fotograf hinter der Kamera entscheiden ob das Objektiv gut genug ist für sein Licht/seine Motive und kann es dann durch die beste Verwendung ausgleichen und trotzdem beeindruckende Fotos liefern.
Bei weitem die Mehrheit alle Auflösungstests sind Unterhaltung – sonst nichts. Was Lensrentals hier macht leistet beachtliche Aufklärungsarbeit!
Und ist in der Praxis 100x mehr wert als alle Zeitschriften, DPReview, alle Zeitschriften-Tests und vor allem DXO-Unsinn.
Aber Sie allein wissen schon,
weshalb DPReview und DXO Unsinn sein sollen?
Hätten Sie diese unsachliche – weil nicht belegbare – Behauptung gleich am Anfang Ihres Kommentars aufgestellt, hätte man nicht bis zum Ende lesen müssen, um festzustellen, wie sehr Sie Ihre gesamten Aussagen damit disqualifizieren.
Für mich ist jeder seriöse Objektivtest gut, auch wenn Max Mustermann ihn auf seinem Balkon macht. Wichtig ist allein, dass die Ergebnisse aufrichtig wiedergegeben werden, also nicht verfälscht wurden.
Endlich
eine stichhaltige Erklärung dafür, warum mein neues 120-Euro-Fuffziger zur Canon so gut ist, wie es offensichtlich ist … hab ne Sonntagsoptik erwischt. 😎
Danke
Der Artikel zeigt, dass PHOTOSCALA -neu- sowohl thematisch wie auch qualitativ an frühere Zeiten anschließt. Das freut mich und dazu gratuliere ich. Viele Grüße, Werner
Vielen Dank!
Danke für den guten Artikel, Photoscala ist weiter auf dem richtigen Weg. Solche Artikel machen die Seite sehr lesenswert.
Ein Aspekt noch: die Qualität der Mechanik von Objektiven ist für die langfristige Abbildungsqualität entscheident.
Bei schlechter Mechanik funktioniert die Linse nach 1-2 Jahren Nutzung nur noch halb so gut, wogegen bei solider Fertigung ein Objektiv auch noch nach vielen Jahren kaum Abweichungen von der ursprünglichen Abbildungsqualität zeigt. Das schlägt sich wahrscheinlich eher im Preis nieder als die Qualität der Neuware.
Mechanik
[quote=Gast]Danke für den guten Artikel, Photoscala ist weiter auf dem richtigen Weg. Solche Artikel machen die Seite sehr lesenswert.
Ein Aspekt noch: die Qualität der Mechanik von Objektiven ist für die langfristige Abbildungsqualität entscheident.
Bei schlechter Mechanik funktioniert die Linse nach 1-2 Jahren Nutzung nur noch halb so gut, wogegen bei solider Fertigung ein Objektiv auch noch nach vielen Jahren kaum Abweichungen von der ursprünglichen Abbildungsqualität zeigt. Das schlägt sich wahrscheinlich eher im Preis nieder als die Qualität der Neuware.[/quote]
das deckt sich mit meiner Erfahrung –
und deshalb häufig lieber Canon als Nikon
lieber Canon und Nikon als Sony
Sony lieber als Pentax
Sigma und Tamron nur im Ausnahmefall und für seltene Einsätze
lieber Panasonic mFT als Olympus mFT
und beides lieber als Sony Alpha E
bei den spiegelfreien am liebsten Fujinon.
Forenteilnehmer sind doch nicht doof …
“Was viele Diskutanten in Fotoforen und am Stammtisch schon immer zu wissen glaubten, ist also durchaus richtig:”
… das gilt bei (fast) allen Themen und Fragen! Auch wenn sich das notorisch besserwisserische (deutsche) “Experten”, Politiker, Forumsbetreiber, Sys Admins und Moderatoren gar nicht vorstellen können. 🙂
PS: geplante Obsoleszenz gibt es auch bei sehr vielen Produkten. Auch und gerade dann, wenn die Hersteller das energisch abstreiten.
Serienstreuung
Wen wundert das noch?
Es kann einfach nicht sein, dass alle Leute, die über ein teures Objektiv schimpfen falsch liegen. Ich schrieb hier absichtlich teuer, weil das Hochwertigkeit impliziert. Dass dies heute zu Tage mit nichten so ist, hat glaube ich jeder schon einmal festgestellt.
Aber weiter zu eigenen Erfahrungen. So bestellte ich mir im Sommer 2009 ein Tamron 17-50 f2,8, das bei einem Kollegen getestet, mich vollkommen begeistert hat. Dem eintreffen meines Exemplars folgte prompt die Ernüchterung, denn es war, wie man so gern sagt, grottenschlecht. Vor allem die linke obere Ecke. Zunächst wollte ich umtauschen, da aber der Tamron Service mir sagte, man könne das in kürzester Zeit beheben, entschied ich mich dazu es einzusenden. Das hat sich im Nachhinein als sehr richtig erwiesen, weil ich ein hervorragendes und bestens zentriertes Objektiv zurück bekam, dass bei 50 mm und Offenblende ohne weiteres mit diversen 50mm Festberennweiten mithalten konnte.
Ein Frontfokus von über 50cm, fokussiert auf 2-4 Meter Entfernung bei einem 70-200mm, was angeblich nicht beseitigt werden konnte, bestätigen mich in meiner These. Und ich bleibe auch dabei. Gerade bei hochpreisigen Objektiven ist es oft die Serienstreuung (unkorrekte Justage) die zwischen Traumobjektiv und Albtraumlinse entscheidet. Dann hilft nur umtauschen, bis es passt oder zum Service senden. Solange der Service das dann hin bekommt, erhält man schließlich das Produkt, dass man erwartet hat mit einer Qualität, die auch dem Preis gerecht wird.
objektivtest
Sehr geehrter Herr Vieten,
freue mich, daß diese ausgezeichnete seite wieder online ist. Ist das erste Mal daß ich so ein Testverfahren für Objektivstreuungen lese. Hätte dazu noch eine etwas weiterführende Frage: Natürlich kenne ich einige Seiten, auf denen man viele Objektivtestergebnisse finden kann wie dxomark, dprev, lensrental, usw…leider weichen dort die ergebnisse oft ziemlich von einander ab. Können sie mir eine Seite empfehlen, auf deren ergebnisse man sich halbswegs verlassen kann?? Stehe gerade vor dem Neukauf einiger teurer fx Objektive und möchte mich gerne soweit als möglich gut vorinformieren. vielen Dank für ihre antwort, mfG. Roland Stifter
In der Regel kann man sich
In der Regel kann man sich auf Tests verlassen, solange man die Ergebnisse einer Seite vergleicht. Vergleiche über mehrere Publikationen hinweg sind etwas problematisch, weil hier ja unterschiedliche Testverfahren zugrunde liegen.