Zeitgenössische Tierfotografie – nicht von Naturfotografen – zeigt die Berliner Ausstellung „WILD“:
Eine Ausstellung zeitgenössischer Tierfotografie „WILD“ zu nennen, obwohl es sich weder um Fotografien ausgesprochen wilder noch um wild gewordene Tiere handelt, ist durchaus ironisch zu verstehen. Der Titel spielt auf das Instinktgesteuerte und Ungezähmte an, das Tiere von uns sprachbegabten Vernunftwesen unterscheidet.
Martin Klimas, Untitled, 2006
© Martin Klimas, Courtesy the artist und Galerie Cosar HMT, Düsseldorf
Manche Tiere werden von uns Menschen mythisch aufgeladen und verehrt, andere unterworfen, geopfert, überzüchtet und ausgerottet. Dabei begleitet das Tier uns in wichtigen Bereichen unseres Daseins: sozial, ökonomisch, materiell, kulturell, religiös und symbolisch. All dies spiegelt sich auch in der zeitgenössischen Fotografie wider. Wir begegnen Tieren zuhause, im Wald oder im Zoo, kennen sie von Bildern, aus dem Film, als Spielzeug und nehmen sie als Nahrung zu uns. Seit Darwin wird der Mensch selbst evolutionsbiologisch den Säugetieren zugerechnet, und widmet sich wissenschaftlich dem eigenen wie auch anderen Stammbäumen. Wohl nie zuvor pflegten die Menschen ein aufgeklärteres Verhältnis zu den Tieren und gleichzeitig auch nie ein Entfremdeteres als heute. Je mehr sie zu Objekten unserer Wissbegier werden, desto weiter scheinen wir uns von den Tieren zu distanzieren.
Carina Linge, Dame mit Kaninchen, 2008
© Carina Linge, Courtesy Galerie Jarmuschek + Partner, Berlin
Abgebildet werden Tiere schon seit Jahrtausenden, ja sie gehörten zu den ersten Motiven überhaupt, wie wir unter anderem aus den Höhlen von Lascaux oder Altamira wissen. Auch mit der Erfindung der Fotografie etwa 30.000 Jahre später bleibt das Tier ein zentrales Bildmotiv. Immer seltener wird es allerdings in seinem natürlichen Umfeld fotografiert, stattdessen inszeniert oder als Alter Ego personifiziert. Kein Medium eignet sich so gut, das Verhältnis von Menschen und Tieren zu analysieren wie die Fotografie, deren technische Möglichkeiten vom Schnappschuss bis zur digitalen Konstruktion alle Aspekte unseres Umgangs mit Tieren abzubilden vermag. Zahlreiche Bildbände zum Thema existieren von herausragenden Fotografen des 20. Jahrhunderts, einige werden in der Alfred Ehrhardt Stiftung zu sehen sein.
Birgit Kleber, Animals #27, Berlin 2010
© Birgit Kleber
Andrei Liankevich, Untitled, aus der Serie „Fake Animals“, Grodno / Belarus 2010
© Andrei Liankevich
Die Ausstellung selbst legt den Fokus auf die jüngste Entwicklung: Mit über 70 Werken von mehr als 35 künstlerisch arbeitenden Fotografen werden die unterschiedlichsten Facetten zwischen Nähe und Distanz, inniger Freundschaft und materieller Ausnutzung visuell reflektiert. Darunter sind Bilder von ausgestopften und musealisierten Tieren, von Haus- und Kuscheltieren, von Nutztieren auf der Weide oder toten Tieren als Vanitasmotive in klassischen Stillleben. Wie wir sehen, bekommt ein uraltes Thema immer wieder eine zeitgenössische Ausdrucksform und eine aktuelle Brisanz. Die Aufnahmen zeigen, wie sich der Mensch mit den Tieren identifiziert, sie als Trophäe sammelt oder zu Nahrungsmitteln verarbeitet. Dabei variieren die künstlerischen Herangehens- und Darstellungsweisen, mal wirken sie dramatisch, mal verspielt und ironisch. Schließlich beginnen wir darüber nachzudenken, wie “wild” Tiere heute überhaupt noch sind. Und in einer Mélange aus Angst und Faszination, Mitgefühl und Horror werden wir daran erinnert, dass wir selbst nur Teilchen des großen Mosaiks von Mutter Natur sind, ein Bestandteil des unerschöpflichen Spiels aus Geboren-Werden und Sterben, Essen und Gefressen-Werden.
(Matthias Harder / Maren Polte)
Ingar Krauss, ohne Titel, Zechin 2013
© Ingar Krauss
Ausstellung:
WILD – Tiere in der zeitgenössischen Fotografie
5. Juli bis 14. September 2014
Kuratiert von Matthias Harder
Konzeption Matthias Harder und Maren Polte
Alfred Ehrhardt Stiftung
Auguststr. 75
10117 Berlin
Öffnungszeiten: Di bis So 11 – 18 Uhr, Do 11 – 21 Uhr
Teilnehmende Künstler: Subhankar Banerjee, Katja Bilo, Nadine Blanke, Ursula Böhmer, Thorsten Brinkmann, Franck Christen, Sinje Dillenkofer, Amin El Dib, Fischli/Weiss, Daniel und Geo Fuchs, Mishka Henner, Kai Olaf Hesse, Dieter Hinrichs, Birgit Kleber, Martin Klimas, Ingar Krauss, Silke Krüger, Andrei Liankevich, Carina Linge, Vera Mercer, Ralf Meyer, Thilo Mokros, Bernhard Moosbauer, Stefan Moses, Dan Nelken, Pierpaolo Pagano, Marc Peschke, Romana Prinoth, Christiana Protto, Ria Patricia Röder, Arno Schidlowski, Alnis Stakle, Bernd Telle, Jens Ullrich, Alexandra Vogt, Marc Volk, Sascha Weidner, Tina Winkhaus, Harf Zimmermann
Romana Prinoth, Untitled, aus der Serie „Libelle in Todesangst“, 2011
© Romana Prinoth
Eine Ausstellung zeitgenössischer Tierfotografie …
Die salbungsvolle Einführung weckt hohe Erwartungen, welche allerdings von den gebotenen Beispielen in keiner Weise erfüllt werden.
Die Krise der klassischen Tierfotografie hat sicher ihren Höhepunkt überschritten. Ich denke, dass es in den 80er, 90er Jahren am Schlimmsten war. Biedere Vereinsmeierei mit klassischen Jagdkalendermotiven, Meistersingerei mit gegenseitigem Abfeiern von Bestimmungsbildern, pseudoreligiöses Hochstilisieren weltfremder Reinheitsgebote durch selbsternannte Päpste, auf deren Bildern seltsamerweise nie ein vorwitziger Ast oder ein Blatt am falschen Fleck den Bildeindruck störte und Horden konfrontationsheischender Epigonen in allen angrenzenden Lagern.
Nicht dass es das gar nicht mehr gäbe, aber in den letzten Jahren hat man doch sehr ermutigende Ansätze gesehen. Viele der prämierten Bilder würde Wild und Hund defininitv nicht drucken und das läge beileibe nicht an der Qualität. Selbst die einst so biedere GDT nimmt sich neuerdings künstlereische Freiheiten heraus, welche noch vor 20 Jahren die Inquisition auf den Plan gerufen hätten.
Da gibt es doch Anlass zu hohen Erwartungen, wenn sich Künster, deren Entwicklung frei von Niesters, Pölking und Co. stattfinden durfte, des Themas annehmen.
Na ja.
Anders isses ja irgendwie. Halt ein bissl viel Aas und ein bissl wenig Tier. Und das einzige Beispiel vom lebenden Objekt ist wieder eher der klassische Zugang.
Ehrlich
die letzten deklarierten Tierfotos hier (GDT?) waren recht klasse … das hier fällt mehr unter tierische Fotografie. 😎
Eine Inquisition
gegen die allgemeine Verblödung wird es wohl nie geben.
Das nennt sich
[quote=Gast]gegen die allgemeine Verblödung wird es wohl nie geben.[/quote]
natürliche Auslese … 😎
Kunst hin oder her
…dann aber doch lieber GDT oder eine abschreckende Reportage vom Schlachthof.
GDT (Gesellschaft deutscher Tierfotografen)
Die GDT ist doch sehr gut! Die können es! Die zeigen keine stehenden Erdmännchen oder gähnende Löwen im Zoo, da kommt mehr `rüber! [quote=Gast]…dann aber doch lieber GDT oder eine abschreckende Reportage vom Schlachthof.[/quote]
ha, ha
Vernunftwesen, man schaue sich nur eine Sendung in RTL und Co. und rede dann noch von Vernunftmenschen. Kranke Hirne wäre weit treffender.
Zitat:
Seit Darwin wird der
[quote] Seit Darwin wird der Mensch selbst evolutionsbiologisch den Säugetieren zugerechnet, und widmet sich wissenschaftlich dem eigenen wie auch anderen Stammbäumen. [/quote]
Der Mensch ist kein Tier
Sag das mal
den tieraffinen Vertretern des Darwinismus … da machen sie sich ganz unbefangen zum Affen. 😎