Es ist im Grunde wie immer um diese Jahreszeit in Europa: Ein Jahr geht, das nächste kommt. Diese letztlich willkürliche Zäsur bietet eine Gelegenheit, auf der Basis der vergangenen 12 Monate einen Ausblick auf die kommenden 12 zu wagen:

Von den Römern im Jahre 153 v. Chr. vom 1. März auf den 1. Januar gelegt, hat sich der Jahreswechsel in den meisten Ländern an diesem Tag eingebürgert. Abweichend davon kennt der chinesische Kalender variable Termine. Das kommende Jahr des Wasser-Drachen beginnt am 23. Januar 2012 und endet am 9. Februar 2013. In Thailand beginnt das neue Jahr erst Mitte April (13.-15. April). Tages- und Monatszählung entsprechen dem westlichen Kalender. Die Jahreszählung im buddhistischen Kalender ist jedoch um 543 Jahre weiter und zählt das nächste Jahr als 2555. Für die Fotowirtschaft ist diese Besonderheit insoweit von Interesse, als die Aufräumarbeiten nach der Flut bis zum Jahreswechsel abgeschlossen sein sollen.

Das Erdbeben am 11. März 2011 in Japan und die Flut in Thailand waren zwei Einschläge im gleichen Jahr, welche die Fotowirtschaft sichtbar aus dem Tritt gebracht haben und sich noch weit in das kommende Jahr auswirken werden.

Hersteller

Aufgrund der Produktionsunterbrechungen in Japan und Thailand konnten 2011 zahlreiche geplante Neuvorstellungen nicht mehr in Produktion gehen und standen beispielsweise im Consumer-Markt nicht für das Weihnachtsgeschäft zur Verfügung.

Ob die Kunden im Massenmarkt 2012 Geld für neue Kameras ausgeben werden, hängt von zahlreichen Einflussfaktoren ab. Neue innovative Kameras sind dabei nur ein Einzelargument. Dem Kunden muss die Innovation auch als Kaufimpuls vermittelt werden. Dass dies nicht durchweg gelingt, zeigt sich aktuell an der Markteinführung des Nikon-1-Systems. Die von wem auch immer forcierten Erwartungen an ein spiegelloses Nikon-System haben die beiden Kameras V1 und J1 zumindest in Europa nicht erfüllen können. Die inzwischen in die Öffentlichkeit gedrungene Information, dass die Sensoren des Nikon-1-Systems wohl nicht von Nikon produziert werden, sondern von Aptina kommen, die bislang vorwiegend als Lieferant für Bildsensoren für Fotohandys bekannt waren, hat die Akzeptanz des Systems in Europa auch nicht steigern können. Und dies trotz offensichtlicher technischer Vorteile bei Bildserienfrequenz und AF-Geschwindigkeit.

Bei den Spiegellosen steht Canon in den Startlöchern. Spätestens im 2. Quartal 2012 sollte auch Canon liefern. Zu diesem Zeitpunkt dürften aber auch Nikon (D800), Sony (A99) und wohl auch Panasonic mit neuen Produkten ihr Glück im Markt versuchen.

Zudem will Fujifilm im Frühjahr sein neues X-System mit Wechselobjektiven präsentieren und Leica Camera hat zur photokina 2012 ihr ebenfalls X-System genanntes, aber wohl nicht mit Fujifilm kompatibles, Kamerasystem ohne Spiegel und ohne Messsucher in Aussicht gestellt.

Im Frühjahr will auch der amerikanische Anbieter Lytro mit seiner Lichtfeldkamera auf den Markt kommen und verspricht Aufnahmen ohne AF-Pause, ja ohne Auslöseverzögerung. Preis je nach Speichergröße ab 400 USD.

Ricoh wird sich bald dazu äußern müssen, wie man das zugekaufte Pentax-Sortiment integrieren will. Ein Anschluss für PK-Bajonett an das GXR-System wäre ein durchaus brauchbarer Schritt. Eine Verbesserung des bei der Nutzung von Weitwinkelobjektiven schwächelnden GXR-M-Moduls durch die Verwendung eines aktuellen Sony-Sensors würde auch Sinn machen.

Im Mittelformat mit seinen teilweise nur noch im Manufakturmaßstab arbeitenden Anbietern, die ihre Produkte unter weitgehender Ausschaltung des Zwischenhandels an den Nutzer bringen, sollte sich auch der ehemals schwedische Anbieter Hasselblad äußern, wie er sein System weiterentwickeln will. Auch von der Gruppe Phase One / Leaf / Mamiya wäre ein aktuelles Lebenszeichen durchaus angebracht. Beim Kleinsten in der Runde, der Braunschweiger DHW-Fototechnik, die seit zwei Jahren die Hinterlassenschaften von Franke & Heidecke offensichtlich mit Erfolg assembliert und verkauft, ist wohl zu Beginn des Jahres auf der PMA@CES ein Lebenszeichen zu erhalten.

Für die vier Tage der PMA@CES vom 10.-13. Januar ist auch bei anderen Firmen Näheres für die weitere Produktplanung in 2012 zu erwarten. Und spätestens zur CP+ vom 9.-12. Februar in Yokohama sollten sich die meisten Hersteller hinsichtlich ihrer Pläne für 2012 erklärt haben.

Eine schöne Aufstellung der kommenden Fachmessen findet sich bei Noisycameras: Trade Show Calendar for 2012

Handelsmarken

Für all die Anbieter von Kompaktkameras, die in Fernost einkaufen und sich die Ware von den Auftragsfertigern für den Absatz in regionalen Märkten etikettieren lassen, dürften die kommenden Monate noch härter werden als die vergangenen. Zum Einen sind schon jetzt die Margen der Produzenten so gering, dass damit zu rechnen ist, dass die Lieferanten sich zunehmend neue Produktgruppen suchen werden und den Bereich der Kompaktkameras verlassen. Zum Anderen wird es für die einzelne Marke immer schwieriger, sich durch technische Features vom Wettbewerb abzusetzen. Schon heute gibt es viel mehr Marken als Hersteller. Da diese Hersteller ihre Spitzenmodelle auch den bekannten Marken als Einsteigermodelle anbieten, bleibt für die B-Marken immer weniger vom Kuchen, der auch noch manches Stück an die Fotohandys abgeben muss.

Handel

Immer kleiner werden die Kuchenstücke auch für den stationären Fachhandel. Schon seit den 1970er Jahren totgesagt, haben doch einzelne Händler bis heute überlebt. Leichte Erreichbarkeit und qualifiziertes Personal, sowie ein zahlungskräftiges regionales Umfeld haben die Lebenserwartung einzelner Händler bislang verlängert. Die Einkaufskooperationen wie Ringfoto und Europafoto, oder Zusammenschlüsse wie PCP für den auf die hauptsächlich auf Profis fokussierten Händler, waren offensichtlich auch lebensverlängernd.

Nachdem Leica Camera mit seinen Leica Stores, die in Deutschland zumeist von Fachhändlern betrieben werden, offensichtlich mehr als nur einen Achtungserfolg hat, und mit zahlreichen anderen pfiffigen Maßnahmen für eine Kundenbindung sorgt, die schon Apple’sche Tendenzen erreicht, werden sich auch die großen japanischen Anbieter kaum davon abhalten lassen, in den wichtigsten Zentren mit eigenen Flaggschiff-Geschäften präsent zu sein. Mit diesen Maßnahmen können die Prestige- / Lifestyle-orientierten Kunden angesprochen werden, während der Massenmarkt über die verbliebenen Großflächenanbieter aus Ingolstadt bzw. Köln bedient wird, soweit die Kunden nicht gleich online bestellen.

Aktueller Vorteil der Distribution über Händler mit einem Umsatz über 100 Millionen Euro ist der deutlich reduzierte Vertriebsaufwand für die Anbieter, was eine Reduktion des Personalbestandes ermöglicht und damit die Margen etwas anhebt. Mit den von Amazon gelieferten Daten will man dabei den inzwischen immer brüchigeren Kundenkontakt ersetzen.

Ob sich der Kunde mit dieser Entwicklung abfindet, ist derzeit noch völlig offen. Die zunehmende Nachfrage nach Workshop-Angeboten, über die photoscala in Zukunft auch verstärkt berichten wird, sind ein dezenter Hinweis darauf, dass sich der Markt drehen könnte und Geiz einmal geil war. Clevere Workshop-Veranstalter bieten die Utensilien, mit welchen man im Workshop arbeitet, auch gleich zum Kauf an. Ähnliche Aufgaben könnten in Zukunft gerade in ländlichen Gebieten auch die Fotoclubs übernehmen, die zu analogen Zeiten gemeinsam im Nasslabor gearbeitet hatten.

Analoge Welt

Für den analogen Teil der fotografischen Welt dürfte auch 2012 bestenfalls ein Verharren auf niedrigem Niveau bringen. Bei den Filmmaterialien macht einerseits der Silberpreis den Herstellern zu schaffen und andererseits das zurückgegangene Fertigungsvolumen, das die bestehenden Anlagen kaum noch auslastet. Auch die Labors leiden unter den geringen Auslastungen, die dazu führen, dass manche Prozesse nur noch einmal pro Woche angefahren werden, was negative Auswirkungen auf die Prozesskonstanz und damit die Entwicklungsergebnisse hat. Selbst die kleinsten Maschinen aus den analogen Boomzeiten sind heute noch zu groß.

Für kleine Lichtblicke in der analogen Welt sorgen spärliche Hinweise, dass Nikon nicht nur das analoge Spitzenmodell F6 weiter anbietet, sondern auch ein Messsuchermodell in homöopatischen Dosen mit langen Wartezeiten produziert. Auch Leica Camera liefert die M7 weiterhin, wobei der Großteil wohl individualisierte Modelle sind. Ein Schicksal, das auch die zweiäugigen Rolleiflexen und die aktuelle Rollei 35 aus Braunschweig ereilt hat. Kleine Stückzahlen scheinen sich bei analogen Kameras leichter realisieren zu lassen als bei digitalen Modellen.

Digitale Welt

Was in der analogen Welt nicht so das Problem war – die Verfügbarkeit und Haltbarkeit der Bilder – sollte und könnte die digitale Fotowelt bewegen. Ein sinnvoller Ausbau von Bild-Daten-Speichersystemen, bevorzugt mit Langzeithaltbarkeit, das wäre schon was. Denn ob in der Wolke oder im Heim: noch ist kein allgemein taugliches Speichersystem in Sicht, das digitale Daten zuverlässig und sicher über mehrere Jahrzehnte; geschweige denn Jahrhunderte, bewahrt. Die meisten digitalen Bilder dürften kaum an die nächste Generation weitergegeben werden, vielmehr im digitalen Nirwana verschwinden.

Doch, wie schon die Kamerasparte von KonicaMinolta warb und wusste, bevor sie an Sony verkauft wurde:

Alles wird gut!

(CJ)