Foto Thomas Ruff, Substrat 28II, 2006Thomas Ruff ist einer der international bedeutendsten Fotokünstler seiner Generation. Von einer sachlich-distanzierten Bildsprache entwickelte sich sein Werk immer stärker in den Bereich digital bearbeiteter, abstrakter Fotografie. Ein Irrweg, wie man jetzt im Museum Villa Haiss im Schwarzwald sehen kann:

 
 
 

Foto Thomas Ruff, Nudes lk18, 2000

Thomas Ruff, Nudes lk18, 2000

 
Sex sells. Vor allem im Internet. Mindestens zwölf Millionen Seiten mit bis zu vier Millionen Besuchern monatlich zeigen pornographische Bilder – so heißt es in einer Studie. Und 85 Prozent aller männlichen Internet-Benutzer seien Konsumenten jener anonymen Bilderlust. Als Thomas Ruff sich in seiner vieldiskutierten Werkgruppe der „Nudes“ – digitale Farbabzüge in greller, verwischter Farbigkeit – vor einigen Jahren dem Thema der Internet-Pornografie genähert hat, überraschte dies. Schließlich war der 1958 geborene Düsseldorfer für eine exakte Photographie in der Nachfolge Bernd und Hilla Bechers bekannt.

Vor allem seine seit 1981 entstandenen Portraits setzten die Tradition der berühmten Düsseldorfer Fotografenschule fort und verhalfen Ruff zum weltweiten Durchbruch: mit einheitlichem Blickwinkel, neutralem Hintergrund, gleichmäßiger Ausleuchtung und schließlich dem seriellem Charakter der Werke, die an August Sanders "Menschen des 20. Jahrhunderts" denken lassen – bis heute die überzeugendste Werkgruppe des Fotografen.
 

Foto Thomas Ruff, Substrat 28II, 2006

Thomas Ruff, Substrat 28II, 2006

 
Bis zum 31. Dezember sind viele dieser bekannten Aufnahmen in einer konzentrierten Schau im Museum Villa Haiss in Ruffs Heimatstadt zu sehen – ein Querschnitt durch die disparate Bilderwelt des Düsseldorfers. Darunter etwa auch die immer noch weniger bekannten Nachtaufnahmen, die in den neunziger Jahren mit Hilfe von Nachtsichtgeräten entstanden sind.

Eine jüngere Werkgruppe sind seine blankgeputzten, altertümlicher „Maschinen“, mit denen der Fotostar den Weg von manipulierten Pornopikanterien (publiziert 2003 mit einem Text des französischen Autors Michel Houellebecq) zu den sachlich-dokumentierenden Anfängen der Becherschule zurückgefunden hat – doch ohne an die intime Dringlichkeit seiner Porträts anschließen zu können.

Auch zwei ganz neue Arbeiten des im Schwarzwald geborenen Künstlers zeigt die Überblicks-Schau – nämlich zwei Werke aus der Serie „Cassini“, bei welcher Ruff mit öffentlichem Bildmaterial aus dem Archiv der NASA arbeitet. Der Titel verweist auf Giovanni Domenico Cassini – ein Astronom des 17. Jahrhunderts: der Namensgeber einer Raumsonde ist, die Ruff sein fotografisches Rohmaterial lieferte.

Doch gerade im Vergleich zu seinen klassischen Arbeiten können auch diese neuen Bilder nicht überzeugen, nicht inhaltlich, noch weniger in ihrer Anmutung als fotografisches Bild: Ruffs „Cassini“-Serie ist sattsam bekannter kolorierter Ästhetizismus, fotografisch aufgeblasene Farbenspielerei, reine Oberfläche, deren verführerische Einfachheit nicht tieferes Interesse an komplexen kosmischen Welten zum Ausdruck bringt, sondern eher eine zunehmende Wahllosigkeit und Verflachung der Bildideen des Fotokünstlers.

(Marc Peschke)
 
 
Ausstellung:
Thomas Ruff
Bis 31. Dezember 2011

Museum Villa Haiss
Am Park 1
77736 Zell a. H.

Öffnungszeiten: Mittwoch, Freitag, Samstag 12 bis 17 Uhr, Donnerstag 18 bis 22 Uhr, Sonntag 13 bis 18 Uhr