Mit Großbildkamera und Stativ, mit Konzentration und Geduld, fotografiert Judith Joy Ross vor allem Menschen; und das durchaus kritisch und politisch, dabei aber mit Offenheit und Respekt. In Köln ist jetzt die bislang umfassendste Ausstellung der Fotografin zu sehen; darunter auch zuvor noch nie gezeigte oder veröffentlichte Werke:
Die SK Stiftung Kultur Köln informiert:
Judith Joy Ross. Photographien seit 1982
Eine Ausstellung der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur, Köln, in Zusammenarbeit mit der Künstlerin
24. September 2011 bis 5. Februar 2012
Die amerikanische Photographin Judith Joy Ross (*1946) zeigt uns psychologisch einfühlsame Portraits von Menschen, die das je Individuelle ebenso wie eine weite Spannbreite emotionaler Befindlichkeiten und Physiognomien vor Augen führen: Kinder, aufgenommen in ihrer Freizeit und Schule, Jugendliche auf dem Sprung in die Erwachsenenwelt, Menschen in der Begegnung mit politischen Fragestellungen, dem Vietnamkrieg in der Vergangenheit oder aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen, Männer und Frauen in ihren Berufen, engagiert im Ehrenamt oder in elterlicher Rolle. Dabei begegnet sie dem Einzelnen mit großer Offenheit und Respekt, sucht sein Bild im Alltag, fern davon, Schönheitsidealen und medialen Klischees nachzueifern. Der Stadtpark, der Spielplatz, der Supermarkt, die Straßen der Nachbarschaft oder das Wahllokal sind ihr willkommene Orte zu photographieren. Dann ist es die spezifische Präsenz, der Augenblick der Kontaktaufnahme, die Judith Joy Ross mit Freude erlebt und faszinieren. Die Kamera wirkt dabei auf ihre eigene Wahrnehmung wie ein klärender Filter. So versteht sich, dass sie, nach dem Rezept für ihre Aufnahmen befragt, einmal antwortete, dass sie sich weniger als Urheberin der Bilder sieht, denn als Vermittlerin einer gemeinsam erlebten Situation. Ihre Arbeit verfolgt die Künstlerin bevorzugt in über längere Zeit entwickelten Bildgruppen, die verschiedene Personenkreise und gesellschaftliche Hintergründe ansprechen.
Judith Joy Ross, aus der Reihe: „Gallagher Junior High School“, Cleveland, 1993. Svyatoslav Gera
Zur Umsetzung ihrer Aufnahmen greift die Photographin zu Großbildkamera und Stativ. In der Handhabung aufwendig, erfordert dies Konzentration und Geduld, ermöglicht aber im Ergebnis bewusst ausbalancierte und fein gezeichnete Photographien von großer Stofflichkeit. Diese werden von Judith Joy Ross als Kontaktabzüge von 8 x 10 inch-Negativen auf Auskopierpapier mit Goldtonung ausgearbeitet, und weisen höchst differenzierte Graustufen auf. Damit nimmt die Künstlerin ein Verfahren aus der Frühzeit der Photographie auf, überführt es in die Gegenwart und konfrontiert uns nachdrücklich mit der Magie des Realität aufzeichnenden Mediums.
Judith Joy Ross hat ab 1966 am Moore College of Art in Philadelphia studiert und wechselte 1968 ans Institute of Design Illinois Institute of Technology in Chicago, wo sie u. a. Kurse bei Aaron Siskind und Arthur Siegel besuchte. Doch den Beginn ihres künstlerischen Schaffens sieht sie, unabhängig von ihrer Ausbildungszeit, in der Serie Eurana Park, Weatherly, Pennsylvania, 1982. Vor allem Kinder und Jugendlichen fanden ihre Aufmerksamkeit. Die Verletzlichkeit der Kinder, ihre Unbefangenheit und ihre Geborgenheit im Freundeskreis werden in dieser Bildreihe ebenso deutlich wie die schwierige Zeit des Erwachsenwerdens. In dieser Serie thematisierte die Photographin bereits Aspekte, die sie auch später wieder aufgreifen und variieren sollte.
Judith Joy Ross, aus der Reihe „Portraits at the Vietnam Veterans Memorial“, Washington, D.C., 1983/1984. Ohne Titel, 1984
Eine wichtige Werkreihe, die unmittelbar auf Eurana Park folgte, ist Portraits at the Vietnam Veterans Memorial, aufgenommen 1983 und 1984 in Washington, D.C. Auf dem Gelände des damals gerade errichteten Denkmals für die Gefallenen und Vermissten des Vietnamkriegs ging Judith Joy Ross mit ihrer Kamera einer der für sie zentralsten Fragen nach: „Wie geht der Mensch mit Trauer und Schmerz um?“ Ihre Bildergebnisse zeigen ganz unterschiedliche Reaktionen, die Gesichtsausdrücke der photographierten Besucher des Denkmals schwanken zwischen Irritation, Erkenntnis und tiefer Betroffenheit.
Judith Joy Ross, aus der Reihe „U.S. Army Reserve on Red Alert“, Gulf War Rallies, 1990. P.F.C. Maria I. Leon, Bethlehem, Pennsylvania
Einmal mehr betonen die Reihen Portraits of the U.S. Congress, 1986/87, U.S. Army Reserve, 1990, Elections, 1996 bis 2010, sowie die jüngere Serie Protest the War, 2006/2007, die kritische und politische Dimension Ross Arbeit. Die Debatte um das Verhältnis zwischen institutionalisierter Politik und einzelnem Bürger steht jeweils im Hintergrund, wenn auch unter verschiedenen thematischen Vorzeichen. Mit den Portraits von Kongressabgeordneten oder deren Mitarbeitern, die Ross in ihren Büros im Kapitol in Washington aufgenommen hat, blickt sie hinter die Fassade der großen Politik.
Judith Joy Ross, aus der Reihe: „Jobs“, 1989/1990. Polizist, Bethlehem, Pennsylvania, 1990
Das Schaffen von Ross geht generell mit einer starken Teilnahme am aktuellen, sie umgebenden Geschehen einher. Dies kommt in den Reihen Pathmark, Allentown, 1984, Easton, 1988, Northeast Philadelphia, 1998 und Freeland, 2004, zum Tragen. Es sind Werkgruppen, die zwar ursprünglich einen anderen Aufnahmeanlass haben, aber alle Personen zeigen, die aus unprätentiösen Lebenskontexten fern des amerikanischen Traums stammen und denen normalerweise nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Der Sinnhaftigkeit des Lebens auf der Spur, nimmt Judith Joy Ross zudem Menschen in ihrem beruflichen Alltag auf, so in der Serie Jobs, 1990, oder anders konnotiert mit Blick auf Freizeit und der Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppierungen in den Bildreihen Baseball, 19891991 und Church People, 2005/06. Wiederholt geht es um Fragen des Miteinanders, der Verantwortung, der Identität und deren Entfaltungsmöglichkeiten.
Seit den 1980er-Jahren ist die Photographin immer wieder mit Motiven aus der Natur befasst, beispielsweise mit Portraits einzelner Bäume oder Baum- und Landschaftsformationen. Auch in ihren jüngsten Arbeiten wird die Beziehung des Menschen zu seiner Umwelt, insbesondere das Verhältnis zu Tieren untersucht. Ross befragt mit ihren Bildern auch hier Wechselwirkungen und Anpassungsprozesse, sucht nach natürlichen Entwicklungen und künstlichen Eingriffen in diese, ebenso wie nach ausgewogen angemessenen Lebensformen.
Judith Joy Ross, aus der Reihe „Portraits of the U.S. Congress, 1986/1987“. Abgeordneter des Repräsentantenhauses Peter H. Kostmayer, Democrat, Pennsylvania, 1986
Judith Joy Ross photographisches Werk steht in enger Korrespondenz zu ihrer Beschäftigung mit der Kunst- und Photographiegeschichte. Nicht nur methodisch sind ihre einem dokumentarischen Stil verpflichteten Photos Walker Evans verwandt, auch dadurch, dass er 1935 an ihrem Wohnort in Bethlehem einige seiner berühmtesten Photographien aufnahm, ist er ihr ein indirekter Wegbegleiter. Auch Positionen wie Eugène Atget oder Lewis Hine sind Ross ebenso wichtig wie der deutsche Photograph August Sander, der ihr mit seinem Gesellschaftswerk Menschen des 20. Jahrhunderts bereits früh Pate stand.
Die von der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur gemeinsam mit Judith Joy Ross zusammengestellte Retrospektive präsentiert mit circa 150 Exponaten ausgewählte Beispiele aus rund 20 Werkgruppen, entstanden in den letzten dreißig Jahren. Es handelt sich um die bislang umfassendste Ausstellung ihres Schaffens, die neben bekannten Photographien auch zuvor noch nie gezeigte oder veröffentlichte beinhaltet. 2012 wird die Ausstellung im Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frau Magdeburg und in der Fondation A Stichting in Brüssel gezeigt. Es erscheint ein Katalog im Schirmer/Mosel Verlag, herausgegeben von der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur, Köln. Ihr Werk wird von Pace/MacGill Gallery, New York, und von der Sabine Schmidt Galerie, Köln, vertreten.
Judith Joy Ross, aus der Reihe: „2046“, 1996. Ohne Titel, Allentown, Pennsylvania
Ausstellung:
Judith Joy Ross. Photographien seit 1982
24. September 2011 bis 5. Februar 2012
SK Stiftung Kultur
Im Mediapark 7
50670 Köln
Katalogbuch:
Judith Joy Ross
Photographien: Katalog SK Stiftung Kultur Köln (bei amazon.de)
Schirmer/Mosel
143 Seiten
ISBN-13: 978-3829605656
39,80 Euro
(thoMas)
Starke Fotos und ein starker
Starke Fotos und ein starker Grund dafür, dass Film einfach unschlagbar ist, speziell im Format 8×10.
Sehr viele Amerikaner fotografieren (wieder) mit Film, überwiegend mit Grossformat-Kameras. 6×9, 4×5, 5×7, 8×10 und sogar bis zu 10×14. Speziell für 8×10 liefern Kodak und Fuji herrliche Farbnegativ- & Diafilme. Nur in Deutschland ist die Grossformatkultur ausgestorben. Schade, denn ohne Grossformat fehlt ein Stück Fotografie. Ich bleibe auf alle Fälle dabei, weil Grossformat komplett ohne Pixelquark und PhotoSuppe auskommt und ‘einfach so’ absolut atemberaubend ist.
Nicht nur die Amis tun’s…
[quote=Der Spanier. Viva.]Sehr viele Amerikaner fotografieren (wieder) mit Film, überwiegend mit Grossformat-Kameras. 6×9, 4×5, 5×7, 8×10 und sogar bis zu 10×14. [/quote]
…sondern ich auch 😉 Eine wunderbare Abwechslung zur digitalen Brot-und-Butter-Fotografie, die natürlich ihre unbestreitbaren Vorteile hat.
Und da ist es mir herzlich egal, zu welchem Ergebnis Pixel-Peeping-Vergleiche wie der jüngst auf Luminous-Landscape eingestellte Test zwischen 8×10-inch-Film und einem superaufgemotzen Digitalrückteil an einer schweineteuren Alpa kommen. Mögen die aberwitzig teueren digitalen Highend-Lösungen auch “schärfere” Ergebnisse bringen und für einige Profifotografen vorteilhaft bis unverzichtbar sein, den analogen Fingerabdruck und die schönen Hell-Dunkel-Übergänge von Film kriegen die Dinger nicht hin. Von dem Spaß, auf einem großen Mattscheibenbild zu fokussieren, mal ganz zu schweigen!
Es ist schon albern: Früher lieferten 4×5-Filme die Vorlage selbst für Plakatwände sowie riesige, detailreiche Galerie-Prints und heute gilt deren Qualität als nicht mehr ausreichend, nur weil es 60- oder 80-MP-Rückteile “besser” können. Wie viele Profifotografen – von den immer unzufriedenen Amateuren, die sich so etwas sowieso nicht leisten können, rede ich nicht – BRAUCHEN tatsächlich diese digital heute erreichbare Qualität wirklich?
Schnarch
Dann zeige doch einmal Deine Bilder, die müssen ja “Spitze” sein. Die Fotos des Amerikaners überzeugen mich nicht ansatzweise. Viel Aufwand und ein mageres Ergebnis, aber dafür viel Aufwand. [quote=Der Spanier. Viva.]Starke Fotos und ein starker Grund dafür, dass Film einfach unschlagbar ist, speziell im Format 8×10.
Sehr viele Amerikaner fotografieren (wieder) mit Film, überwiegend mit Grossformat-Kameras. 6×9, 4×5, 5×7, 8×10 und sogar bis zu 10×14. Speziell für 8×10 liefern Kodak und Fuji herrliche Farbnegativ- & Diafilme. Nur in Deutschland ist die Grossformatkultur ausgestorben. Schade, denn ohne Grossformat fehlt ein Stück Fotografie. Ich bleibe auf alle Fälle dabei, weil Grossformat komplett ohne Pixelquark und PhotoSuppe auskommt und ‘einfach so’ absolut atemberaubend ist.[/quote]
Wo sind denn deine Bilder?!
Ich finde die gezeigte Serie sehr gut – nicht atemberaubend, aber sehr gut.
wieder viel gelaber um nichts
analog ist eine Möglichkeit,genau so wie Hakle Feucht.
Solange ein Fotograf von seiner Kamera fasziniert ist wird es nichts mit aussagekräftigen Fotos.
Die Kamera ist ein Instrument, Fotografie ein Handwerk.
Einzig das Format des Fotografen zählt…
[quote=Gast]analog ist eine Möglichkeit,genau so wie Hakle Feucht.
Solange ein Fotograf von seiner Kamera fasziniert ist wird es nichts mit aussagekräftigen Fotos.
Die Kamera ist ein Instrument, Fotografie ein Handwerk.[/quote]
In der Reproduktionfotografie waren Kameras der Firma KLIMSCH aus Frankfurt/M. das Nonplusultra.
Die Möglichkeit mit Trommelscanner (erst analog / dann digital) zu reproduzieren, läutete das Ende dieser glanzvollen Ära ein.
Scanner von HELL oder CROSSFIELD – wer fragt heute noch danach?
Die Instrumente wechselten, das Reproduktionshandwerk erübrigte sich – das Medium Fotografie aber bleibt nach wie vor faszinierend!
Dunkel
Die hier abgebildeten Arbeiten erscheinen mir düster, teils gruselig – mindestens traurig und beängstigend.
Es heisst: (Zitat) “Mit Großbildkamera und Stativ, mit Konzentration und Geduld, fotografiert Judith Joy Ross vor allem Menschen; und das durchaus kritisch und politisch…”
So eröffnet diese Fotografie (im Rahmen der hier für photoscala ausgewählten Arbeiten) wohl auch einen Blick in die Seele der Fotografin. Nein, ich finde das nicht schlecht, im Gegenteil.
Was jetzt “Großbildfotografie” mit der Sache zu tun hat… Nun ja. Ich glaube nicht, dass die GF sozusagen ein Garant für relevante Motive ist. Man sollte da nichts in den falschen Hals bekommen.
Apropos GF: Auf dem Papier relativieren sich Pixelmassen und Effekte. Aber zweifelsohne: Der Akt des Fotografierens ist ein anderer, ob ich ihn mit einer GK zelebriere oder mit einer DSLR vollbringe… Am Ende sollte aber die Technik nicht herangezogen werden, um damit Motive zu begründen. Das hielte ich für dumm.
Einen regelrecht teuflischen Ausdruck liefert mir das Bild:
“Judith Joy Ross, aus der Reihe „U.S. Army Reserve on Red Alert“, Gulf War Rallies, 1990. P.F.C. Maria I. Leon, Bethlehem, Pennsylvania”.
Ich weiss nicht, was ich damit anfangen soll. – Schön, dass ich einfach eine neue Site aufrufen kann. Aber irgendwie auch schrecklich…
MfG
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Wissen ist Macht.
[Francis Bacon, 1561 – 1626]
Ich finde die Bilder nicht besonders
Weder vom Ausdruck – also einfach Bilder wirken lassen,
noch von den Kompositionen – also Bilder bewusst angeschaut.
Wozu man dafür GF braucht entzieht sich meiner Kenntnis.
Aber das ist nur meine persönliche Meinung, andere finden die Bilder sicher toll.
OhWeh
GF braucht man
weil’s halt GF ist.
Wenn’s kein GF wäre, gäb’s auch keinen Grund für so statische Bilder.
Über Geschmack
[quote=OhWeh]Wozu man dafür GF braucht entzieht sich meiner Kenntnis.
[/quote]
lässt sich streiten. Machen Sie einfach die gezeigten Fotos mit einer GF-Kamera und einer D3x, einer digitalen MF-Kamera. Dann jeweils ein 60×90-cm-Galeriedruck davon an die Wand und zurücktreten. Sollte mich wundern, wenn Sie keinen Unterschied sähen – und ich spreche hier hier nicht von der Detailauflösung (das überlasse ich den Pixel-Korinthenkackern). Das GF-Bild auf Film wirkt ganz anders. Bei derartigen Web-Bildchen lässt sich die Erscheinungsweise im Internet in KEINER Weise mit der Wirkung in der Realität vergleichen.