Wissenschaftler der Universität Luxemburg arbeiten an einer Methode, die v.a. Fotoreportern helfen soll, ihre Anonymität zu wahren – auf Kosten der Foto-Wahrhaftigkeit:
Wissenschaftler der Universität Luxemburg haben eine Methode entwickelt, die Fotografen vor Verfolgung schützen soll: A New Technique to Protect Photographers from Persecution. Die Idee dazu kam Prof. Shishir Nagaraja, Professor für IT-Sicherheit am Institut für Informationstechnologie in Delhi (IIIT), nachdem er beobachtete, wie Regierungskräfte Fotos von Demonstrationen auswerteten, um jene dingfest zu machen, die Kameras bei sich trugen. Daraufhin entwickelten der Sicherheitsforscher Péter Schaffer und die Expertin für bildgebende Verfahren, Djamila Aouada, vom Interdisciplinary Centre for Security, Reliability and Trust (SnT) der Universität Luxemburg in Zusammenarbeit mit Prof. Nagaraja eine Technik, die die Standortbestimmung eines Fotografen deutlich erschweren soll: Zwei oder mehr Aufnahmen mit verschiedenen Blickwinkeln werden zu einem neuen Foto verknüpft. „So entsteht ein realistisches Bild mit willkürlichem Betrachtungswinkel, das den tatsächlichen Aufenthaltsort des Fotografen verbirgt“, erklärt Péter Schaffer, bzw., so will ich anfügen, es wird ein Foto generiert, das den „Foto-Beweis“, sichtlich erschwert, wann welcher Fotograf wo mit einer Kamera unterwegs war. Diese Technik, glauben die Forscher, könnte in Zukunft auch in Kameras implementiert werden. Das Projekt nennt sich „Imaging Privacy“ und wird vom SnT finanziert.
Die Frage nach der Wahrhaftigkeit und Dokumentarkraft von Fotos scheint dabei nicht gestellt zu werden. Ganz abgesehen davon, dass diese Methode, soweit ich sie verstehe, nur dann funktionieren kann, wenn alle Fotos solchermaßen verfremdet werden – auch jene der Regierungskräfte.
Nachtrag (19.8.2011): Wir haben nachgefragt, und die Idee ist laut Peter Schaffer folgende: Wenn Fotografen mit versteckter Kamera und heimlich fotografieren, dann können die Regierungskräfte dennoch durch einen Abgleich ihrer eigenen Fotos (wer ist wo auf dem Bild?) mit jenen des Fotografen (von welchem Standpunkt aus wurde fotografiert?) u.U. feststellen, wer die Fotos heimlich gemacht hat. Um nun diese Identifizierung zu verhindern, muss der Fotograf seine Fotos verändern.
Womit auch gleich eingestanden sei, dass ich das Prinzip erstmal komplett falsch verstanden habe (und deshalb jetzt auch den letzten Halbsatz „… und mit zweifelhafter Wirksamkeit …“ in der Einleitung gelöscht habe) …
(thoMas)
LOL
Und das alles ohne irgendein Beispielfoto. Genial.
Viva.
Bitte um eine kurze Anleitung, wie man bei einer Demonstration in einem totalitären Staat unter dem wachen Auge der Geheimdienstspitzel im Gedränge des rasenden Mob so ganz unauffällig mit einem Shiftobjektiv fotografiert.
Eher noch ginge es mit der Großformatkamera. Mit einer Tarnkappe als Einstelltuch.
Gestandene
Verschwörungstheoretiker lächeln ohnehin milde über Thomas’ Blauäugigkeit … 😎
Nun ja.
Nun ja. Das ist so ähnlich wie mit der Kryptografie: Wer dran glaubt, ist selber Schuld, wenn es anders kommt als geplant:
http://imgs.xkcd.com/comics/security.png
¡Viva! ¡Disfruta la vida!
Hab ich anders verstanden.
[quote=thoMas]
Ganz abgesehen davon, dass diese Methode, soweit ich sie verstehe, nur dann funktionieren kann, wenn alle Fotos solchermaßen verfremdet werden – auch jene der Regierungskräfte.
[/quote]
Nach meinem Verständnis geht es darum, dass die Regierungskräfte sich die Fotos von den Demonstranten anschauen und mit der Perspektive der veröffentlichten Fotos vergleichen. Also: Auf den Regierungsfotos ist der Knipser mit seiner Kamera zu erkennen — und vor allem, wo er sich aufhält. Wenn man sich nun das veröffentlichte Foto anschaute, kann man, Strahlensatz und Euklid seien “dank” wieder zurückrechnen, wo der Knipser sich zum Zeitpunkt der Aufnahme aufgehalten hat. Ein Blick auf das passende Regierungsbild et voilà, die Regierung hat das Gesicht des “Übeltäters”.
Wenn man nun zwei Photos von verschiedenen Perspektiven macht, kann der “Übeltäter” die Szene im Recher selber dreidimenional rekonstrukieren — und nachträglich den Aufnahmestandpunkt (und Perspektive) verschieben. Das veröffentlichte Foto passt also nicht mehr zu dem Regierungsfoto. An dem vermeintlichen Photographenstandpunkt steht im Regierungsfoto (und allen anderen veröffentlichten Fotos) niemand…
… oder
irgendwer Anderer …
Simplere Lösung:
[quote]An dem vermeintlichen Photographenstandpunkt steht im Regierungsfoto (und allen anderen veröffentlichten Fotos) niemand…[/quote]
Um diesen Effekt zu erreichen, würde der Einsatz eines Shift-Objektivs völlig ausreichen. Bei der Rekonstruktion des Fotografenstandorts lägen die Resultate etliche Meter neben dem tatsächlichen Punkt. Ein Shift-Objektiv hätte noch mehr Vorteile: es muss nach der Aufnahme keine umständliche Neuberechnung erfolgen, der Shift kann links, rechts, unten, oben oder diagonal angelegt werden. Beispiel: Fotograf steht auf Balkon im ersten Stock, Shift nach unten und links, die Verfolger berechnen seinen Standort auf Strassenniveau ca. 10 Meter links vom Balkon (abhängig vom Shift und der Brennweite).
Wer jetzt meint, dass man aufgrund der Perspektive im Foto berechnen kann, wie gross der Versatz ist, macht sich nicht klar, wie aufwendig der Weg ist, wenn keine vorher festgelegten Bezugsgrössen vorhanden sind.
Setzt ein Fotograf wechselweise ein PC-E Micro NIKKOR 85 mm 1:2,8 und ein PC-E NIKKOR 24 mm 1:3,5D ED ein, dürfte seine nachträgliche Standortbestimmung unmöglich werden.
¡Viva! ¡Disfruta la vida!
Einfach verjagen, abwählen
Es geht noch einfacher, die Regierung die ihre Bürger so drangsaliert mit dem Scheißhausbesen durch das Regierungsviertel oder noch besser ganz verjagen. Abwählen geht bei uns auch noch. An der Wurzel des Übels muss angesetzt werden.
Ich fürchte
die momentan verfügbaren Alternativen sind auch nicht so ganz das Gelbe vom Ei … 😎