Foto Hans-Christian Schink, LA Night#10, 2003„Das Geschenk meines Lebens war vermutlich eine simple Rollfilmkamera, die ich zu meinem 7. Geburtstag bekommen habe“, sagt Hans-Christian Schink. Das Duisburger Museum Küppersmühle präsentiert jetzt in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler die bislang umfangreichste Ausstellung Schinks, der zu den bedeutenden zeitgenössischen deutschen Fotografen zählt:

Pressemitteilung des MKM:

HANS-CHRISTIAN SCHINK
Fotografien 1980 bis 2010
1. Juli – 3. Oktober 2011

Mit Hans-Christian Schink (*1961 Erfurt) präsentiert das Museum Küppersmühle einen der bedeutendsten deutschen Fotografen der Gegenwart. Rund 100 Fotografien aus drei Jahrzehnten sind vom 1. Juli bis 3. Oktober zu sehen, vielfach im großen Format. Erstmals wird im MKM auch das Frühwerk ausführlich gezeigt. Die Duisburger Schau, eine Kooperation mit der Klassik Stiftung Weimar, ist die bislang umfangreichste Ausstellung Schinks und in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler entstanden.

Künstler
„Das Geschenk meines Lebens“, sagt Hans-Christian Schink, „war vermutlich eine simple Rollfilmkamera, die ich zu meinem 7. Geburtstag bekommen habe“. Die frühe Initialzündung führte ihn 1986 zum Fotografie-Studium an die renommierte Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig, wo er von 1991 bis 1993 Meisterschüler war. Heute sind die Werke des gebürtigen Erfurters, der in Leipzig lebt und für seine Bildserien regelmäßig um den Globus reist, weltweit in öffentlichen und privaten Sammlungen vertreten. Den Besuchern des MKM sind sie bestens bekannt: Seit Jahren sind Schinks Fotografien in der Präsentation der Sammlung Ströher im MKM zu sehen.

Themen / Motive / Reisen
Schink arbeitet von Beginn an konsequent in Serien, zum Teil über mehrere Jahre. Ein Fokus seines Interesses liegt auf den Übergängen zwischen Stadt und Land, den Schnittstellen zwischen Zivilisation und Natur und der Manifestation menschlichen Bau- und Ordnungswillens in der Landschaft. Weitere Schwerpunkte sind die Auseinandersetzung mit der fotografischen Wiedergabe von Lichtphänomenen und -stimmungen und die Abbildbarkeit der Realität durch das Medium Fotografie. Der Künstler nutzt in diesem Zusammenhang die dem Material immanenten fotografischen Prozesse und Techniken wie beispielsweise extreme Vergrößerung (und daraus folgende Grobkörnung des Motivs) oder Solarisationseffekte. Allerdings verändert Schink die Wirklichkeit nicht. Er interpretiert sie aus dem Blickwinkel des scheinbar neutralen Beobachters und reizt sie teilweise bis an ihre Grenzen aus.

 

Hans-Christian Schink im MKM

Hans-Christian Schink im MKM
Im Hintergrund seine Fotografie 9/17/2006, 8:45 am-9:45 am, N 78°13.370’ E 015°40.024’, 2006, aus der Serie „1h“

 
Seine Motive findet Hans-Christian Schink sowohl in der nahen Umgebung, zunächst im Osten Deutschlands, und bald auch auf gezielten Reisen über die ganze Welt, nach Brasilien, Nordkorea, Kambodscha, Peru, Russland, Vietnam, in die USA oder jüngst gar in die Antarktis. Dabei ist Schink gerade nicht auf der Suche nach „exotischen“ Perspektiven, sondern setzt sich intensiv der Umgebung aus, bis sich Motive herauskristallisieren, die fernab gewohnter Pfade und Blicke liegen. „Im Rückgriff auf Kompositionskonzepte der Romantik“, so Kuratorin Simone Förster, „finden Hans-Christian Schinks Reise-Fotografien ihre atmosphärische Dichte und arbeiten zugleich die zivilisatorischen Brüche im heutigen Naturverständnis heraus.“ Reisen dient ihm „nicht als Weg und Weise, etwas mit dem Anderen, Neuen, Unbekannten zu tun, sondern um zu erfahren, zu sehen und zu zeigen, was dies mit ihm, dem Fotografen und seinem Fotografieren macht“, schreibt T.O. Immisch in seinem Katalogbeitrag. „Obwohl Hans-Christian Schink Landschaften, Architekturen und Städte fotografiert und die notwendigen fotografischen Mittel exzellent beherrscht, ist er kein Landschafts-, Architektur- oder Stadtfotograf, weil er anhand dieser Gegenstände und Themen etwas sichtbar macht und zeigt, was über sie hinaus- und durch sie hindurchgeht.“

Ausstellung
Gemeinsam mit dem Künstler hat Kuratorin Simone Förster rund 100 Farb- und Schwarz-Weiß-Fotografien aus den wichtigsten Serien ausgewählt. Die umfassende Darstellung von Schinks Schaffensspektrum der Jahre 1980 bis 2010 macht die vollständige Entwicklung seiner künstlerischen Handschrift anschaulich. Zusätzlich zur Ausstellung können weitere Fotografien Hans-Christian Schinks in der Präsentation der Sammlung Ströher im MKM besichtigt werden (Galerie im 1. OG).

 

Foto Hans-Christian Schink, Leipzig (3), 1985

Hans-Christian Schink, Leipzig (3), 1985
Silbergelatineabzug auf Barytpapier
(c) Hans-Christian Schink

 
Erstmals sind im MKM kleinformatige Schwarz-Weiß-Arbeiten aus den frühen 1980er Jahren und erste Farbfotografien aus der Studienzeit des Künstlers zu sehen. Ganz in der Tradition der kritisch dokumentierenden Fotografie in der DDR nimmt Hans-Christian Schink zunächst vor allem Szenen des alltäglichen Lebens in den Städten Leipzig, Erfurt und Halle auf. Zugleich aber interessieren ihn auch architektonische Details und gebaute Arrangements, deren abstrakte Bildqualitäten er in seinen Fotografien fixiert.

Während seines Studiums entdeckt er die Farbfotografie und das Arbeiten mit der Großformatkamera für sich. Eine wichtige Zäsur ist die „Erkenntnis, dass der entscheidende Moment, nämlich das Wahrnehmen eines Bildes, nicht zwangsläufig in eins fallen muss mit dem Auslösen der Kamera“. Zunächst entsteht so die Serie „Leipziger Bäder“ (1988), deren leere, abgewirtschaftete Innenräume markante Zeugnisse der Vergangenheit sind, die Schink seinerzeit als symptomatisch für die allgemeine Verwahrlosung empfand. Seit dieser Zeit sind Schinks Bilder nahezu menschenlos: Menschen existieren fast nur noch durch die Spuren ihrer Eingriffe in die Umwelt.
 

Foto Hans-Christian Schink, U-Bahn, Pjöngjang (5), 1989

Hans-Christian Schink, U-Bahn, Pjöngjang (5), 1989; aus der Serie „Nordkorea“
C-print
(c) Hans-Christian Schink

 
Nordkorea bereist Schink 1989 als Mitglied einer offiziellen Touristen-Delegation. Während dieser Reise, die er als eines der absurdesten Erlebnisse seines Lebens beschreibt, entsteht eine 40-teilige Serie von C-Prints („Nordkorea“), in der Schink die pathetische politische Bebilderung der U-Bahnhöfe als ernsthafte, klassische Architekturfotografie inszeniert und die Motive dadurch in ihrer Groteske entlarvt.
 

Foto Hans-Christian Schink, Von Leipzig nach Günthersdorf (6), 1993

Hans-Christian Schink, Von Leipzig nach Günthersdorf (6), 1993; aus der Serie „Von Leipzig nach Günthersdorf“
Silbergelatineabzug auf Barytpapier
(c) Hans-Christian Schink

 
„Von Leipzig nach Günthersdorf“ (1993) zieht sich die B181 zum seinerzeit größten Einkaufszentrum Deutschlands. Schink thematisiert mit seiner melancholischen Inszenierung von Nicht-Orten die Veränderungen des suburbanen Raums, die Entwicklung von Infrastruktur und Gesellschaft. Die Serie von 10 Silbergelatineabzügen auf Barytpapier bezeichnet er als „Ausgangspunkt für die Arbeit an einer individuellen Handschrift“.
 

Foto Hans-Christian Schink, Sanitz, 2003

Hans-Christian Schink, Sanitz, 2003; aus der Serie „Wände“
C-print
(c) Hans-Christian Schink
MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Sammlung Ströher

 
Über den Zeitraum von 1995 bis 2003 entwickelt Schink die inhaltlich und formal sehr streng gefasste Serie „Wände“. Er richtet seinen Blick frontal auf die Fertigarchitektur von Gewerbebauten und löst diese Architekturansichten in monochrome Farbflächen auf. Nur schmale Details an den Rändern der Bilder deuten dabei an, was wir eigentlich sehen. Die Architektur scheint in nahezu abstrakten bildnerischen Qualitäten auf, die ein Pendant in der Farbfeldmalerei haben.
 

Foto Hans-Christian Schink, A2 - Elbebrücke bei Magdeburg, 2003

Hans-Christian Schink, A2 – Elbebrücke bei Magdeburg, 2003; aus der Serie „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“
C-Print
(c) Hans-Christian Schink
Klassik Stiftung Weimar, Neues Museum

 
Internationale Aufmerksamkeit erlangt Schink mit der Serie „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ (1995-2003, insgesamt 45 Bilder), auf der ein Fokus der Ausstellung liegt. Sie hat den gewaltigen Wandel in der Landschaft durch den Ausbau des Autobahn- und Schienennetzes in Ostdeutschland zum Thema. „Erst als Nutzer der neuen Verkehrswege machte sich mir die Veränderung in der Wahrnehmung der Landschaft wirklich bemerkbar“, erklärt Schink, „und nur in der Rolle des scheinbar unbeteiligten Beobachters ließ sich die ambivalente Faszination, die von den Bauwerken des beschleunigten Fortschrittes ausgeht, mit Motiven verbinden, die Bezug auf einen romantischen Naturbegriff nehmen.“
 

Foto Hans-Christian Schink, LA Night#10, 2003

Hans-Christian Schink, LA Night#10, 2003; aus der Serie „L.A. Nights“
C-print
(c) Hans-Christian Schink
Galerie Rothamel Erfurt / Frankfurt a.M.

 
Dem durch Filmbilder wie eine moderne Ikone in unser Bildgedächtnis eingeschriebenen Blick auf die Stadt Los Angeles setzt Hans-Christian Schink mit seiner Serie von C-Prints „L.A. Nights“ (2002/03) eine ganz eigene Interpretation entgegen. Auf empfindlichem Kleinbildfilm fotografiert und anschließend in enormer Vergrößerung abgezogen, werden die Lichtpunkte und das Dunkel in ihrer vielfarbigen Körnigkeit zu pointillistischen Stimmungsträgern, die sowohl das Medium Fotografie reflektieren, als auch die Stadt Los Angeles in ihrer vielschichtigen Künstlichkeit repräsentieren. Dabei erinnern sie zugleich an Sternbilder wie auch an verwackelte Bilder von Videokameras.
 

Foto Hans-Christian Schink, 9/17/2006, 8:45 am-9:45 am, N 78°13.370’ E 015°40.024’, 2006

Hans-Christian Schink, 9/17/2006, 8:45 am-9:45 am, N 78°13.370’ E 015°40.024’, 2006; aus der Serie „1h“
Silbergelatineabzug auf Barytpapier
(c) Hans-Christian Schink
MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Sammlung Ströher

 
Die spektakuläre Serie „1h“ (2002-2010), für die Schink 2008 den ING Real Photography Award erhielt, vereint unterschiedliche Aspekte seines Schaffens: das Interesse an Naturphänomenen und Lichtsituationen und die Reflektion über die fotografische Abbildbarkeit der Realität. Schink fotografiert für die Serie die Sonne an verschiedenen Orten der nördlichen und südlichen Erdhalbkugel, in Stadt-, Wüsten-, Meeres- und Gebirgslandschaften, mit der Belichtungszeit von je einer Stunde. Durch die Dauer und Lichtintensität ergibt sich dabei ein für das menschliche Auge eigentlich nicht wahrnehmbares Phänomen, das erst in der Aufzeichnung durch die analoge Fotografie (als Solarisation) sichtbar wird: ein schwarzer Sonnenbalken, umgeben von einer hell strahlenden Korona. Es entstehen Schwarz-Weiß-Fotografien, die eine geradezu unwirkliche Erscheinung der Wirklichkeit sichtbar machen und dem Betrachter Natur im Schwebezustand zwischen Vorstellung und Darstellung präsentieren.

Organisation / Sponsoring / Katalog / Kooperation

Für die Organisation der Ausstellung ist die Stiftung für Kunst und Kultur e.V. Bonn verantwortlich. Kuratorin ist Simone Förster. Die Ausstellung ist in enger Zusammenarbeit mit Hans-Christian Schink und Jörk Rothamel entstanden.

Sponsoringpartner ist Sal. Oppenheim.

Es erscheint ein begleitender Katalog bei Hatje Cantz zum Preis von 38,50 EUR (Museumsausgabe), der das Gesamtwerk Hans-Christian Schinks abbildet, mit Texten von Ulrike Bestgen, Matthias Flügge, T.O. Immisch, Sisse Malene Markvardine Kirkegaard, Antje Rávic Strubel, Kai Uwe Schierz, Phil Taylor, Thomas Weski und einem Interview des Künstlers mit Simone Förster.

Die Ausstellung ist eine Kooperation mit der Klassik Stiftung Weimar / Neues Museum.
 
 
Ausstellung:
Hans-Christian Schink
Fotografien 1980 bis 2010

1. Juli – 3. Oktober 2011

MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst
Innenhafen Duisburg
Philosophenweg 55
D – 47051 Duisburg

Öffnungszeiten: Mi 14-18 Uhr; Do – So 11-18 Uhr; Feiertags 11-18 Uhr; Mo, Di geschlossen
 

(thoMas)