Die CIPA meldet für das Jahr 2010 gestiegene Liefer- und Produktionsmengen für Digitalkameras. Über den Anklang der spiegellosen Systemkameras beim Endverbraucher sind sich die Marktforscher uneins; die regionalen Unterschiede scheinen beträchtlich zu sein:

Das letzte Jahr hat für einige Kamera-Hersteller Überraschungen hinsichtlich der Kamera-Verkäufe gebracht (siehe auch die Quartalsberichte der letzten beiden Wochen in der Rubrik Wirtschaft). Wie die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) mitteilt, ist der Absatz von Digitalkameras weltweit in den ersten neun Monaten des Jahres 2010 stark angestiegen: Digitalkameras boomen in Wachstumsmärkten (PDF-Datei). Insbesondere der Absatz in den so genannten Schwellenländern* (Staaten in Osteuropa, Asien, Südamerika, Afrika und Mittlerer Osten) sei im zweistelligen Prozentbereich angestiegen. Diese Entwicklung wird durch die Geschäftsberichte der einzelnen Kamerahersteller bestätigt. Die stellen sich mit Regionalbüros und regional zugeschnittene Produkte vermehrt auf diese Wachstumsmärkte ein, um das Potential für ihr Unternehmen abzuschöpfen (siehe beispielsweise Nikon: Nikon Mexico S.A. de C.V. Established to Enhance Sales and Service in Fast-growing Mexican Market).

Nun hat auch der japanische Branchenverband CIPA die Produktions- und Lieferzahlen für 2010 veröffentlicht. Demnach konnten die japanischen Kamerahersteller das zu Jahresanfang prognostizierte Gesamtliefervolumen übertreffen. Insgesamt wurden von den CIPA-Mitgliedern (siehe Mitgliederliste im Anhang) weltweit 121,5 Mio. Digitalkameras in den Monaten Januar bis Dezember 2010 geliefert. Die Produktionsmengen entsprechen in etwa dieser Höhe. Damit konnte die Liefermenge wieder an das Niveau aus dem Jahr 2008 anknüpfen, nachdem ein Rückgang in 2009 zu verzeichnen war.
 

Grafik: Andrea Günaydin

 
Der Anteil der Systemkameras an der Gesamtliefermenge der CIPA nimmt immer mehr zu. So hat sich ihr Anteil von ehemals knapp 6 % im Jahr 2005 auf fast 11 % im vergangenen Jahr erhöht:
 

Grafik: Andrea Günaydin

 
Dies hängt mit der gestiegenen Nachfrage nach Spiegelreflexkameras zusammen, aber auch mit einem verstärkten Käuferinteresse an den „spiegellosen Systemkameras“. Die GfK bestätigt diesen Trend anhand des Gebrauchsgüterindexes GfK TEMAX (Ergebnisse des GfK TEMAX Deutschland für das vierte Quartal 2010; PDF-Datei). Demnach ist im vierten Quartal des Jahres 2010 der Umsatz im deutschen Fotomarkt um 2,4 % geschrumpft, aber für das gesamte Jahr konnten die Umsätze um 2,2 % zulegen.

In einer Marktuntersuchung von GfK und Photoindustrie-Verband wird das Wachstum für den deutschen Fotomarkt im Segment „Kamera“ mit 1,05 % auf insgesamt 8,65 Millionen verkauften Kameras in 2010 beziffert: Der deutsche Fotomarkt 2010. Die Kamera-Umsätze steigen um 15 % auf 1,964 Mrd. € in Deutschland. Hauptantriebsfeder für diesen Umsatzsprung sei die gestiegene Nachfrage nach Systemkameras, insbesondere nach den „Spiegellosen“, so die GfK. Nach deren Markterhebung legten die Systemkameras in Deutschland nochmals um 6,7 % auf 960.000 Stück zu, davon sollen 80.000 spiegellose Systemkameras sein.

Die CIPA splittet leider die Zahlen nicht auf, sondern weist eine Gesamtzahl für „SLR mit Wechselobjektiven“ (SLR with Interchangeable Lens) aus, darin enthalten auch die „Spiegellosen“.

Letztlich sind sich auch die Marktforschungsinstitute in der Bewertung der Absatzzahlen und des Käuferverhaltens nicht einig. So berichtet das Institut NPD Group für den amerikanischen Markt, dass die spiegellosen Systemkameras nur einen geringen Anteil an den Kameraverkäufen hätten: Mirrorless Cameras Represent a Small Portion of Camera Sales, but Consumer Interest Levels are High, according To NPD. NPD Group ermittelte für den US-amerikanischen Markt, dass nur rund 1 % aller verkauften Kameras in der zweiten Jahreshälfte spiegellos waren. Dabei seien rund zwei Drittel der Verbraucher am Kauf einer spiegellosen Systemkamera interessiert. Ein Viertel der potentiellen Käufer erklärten, sie würden vom Kauf einer DSLR absehen und sich stattdessen eine spiegellose Kamera kaufen. Allein die höheren Verkaufspreise hielten den amerikanischen Verbraucher von diesem Vorhaben ab.

Die CIPA-Zahlen werden immer wieder gerne als Referenz herangezogen. Inwieweit diese wirklich stimmig sind – man weiß es nicht. So haben wir beispielsweise Digitalkamera-Liefermengen aus Taiwan im Internet entdeckt. Laut diesen Angaben von digitimes wurden in den ersten drei Quartalen folgende Anzahl an Digitalkameras von Taiwan geliefert. Das vierte Quartal haben wir anhand der drei Vorläuferquartale mal geschätzt:
 

Digitalkamera-Lieferungen aus Taiwan 2010
Zeitraum Mio. Stück Anteil an CIPA
1. Quartal 2010 12,51 50,6 %
2. Quartal 2010 14,87 48,5 %
3. Quartal 2010 15,25 48,7 %
4. Quartal 2010 (geschätzt) 16,90 48,7 %
Gesamtjahr 2010 59,53 49,0 %

 
Weitere Länder, in denen Kameras hergestellt werden, sind u.a. Thailand, Korea, China, Vietnam, Indonesien und Malaysia. Für diese Länder haben wir keine Zahlen finden können. So ergibt sich zunächst ein „schräges Bild“. Denn die Hersteller, wie etwa Nikon, erläutern in ihren Geschäftsberichten, dass im Jahr 2010 das Marktvolumen bei rund 125 Mio. Digitalkameras weltweit lag. Die CIPA- und Taiwan-Liefermengen liegen aber zusammen schon bei 181 Mio. Stück und damit weit darüber. De CIPA-Zahlen beinhalten also nicht nur die reinen Liefer- und Produktionsmengen aus Japan, sondern jene von allen Standorten der japanischen Hersteller; unabhängig davon, ob diese in Japan liegen oder nicht.

Unter Berücksichtigung dieser Annahme hat Taiwan einen Anteil von über 48 % an den CIPA-Liefermengen. Bestehende und neue Fertigungsstandorte in Ländern wie Thailand (Nikon und Sony) gewinnen zunehmend an Bedeutung für japanische Unternehmen. Thailand lockt mit einem niedrigen Lohnniveau und Investitionserleichterungen immer mehr japanische Unternehmen aus fast allen Branchen an. So meldet der thailändische Industrieminister einen unverminderten Anstieg der Investitionen japanischer Unternehmen in Thailand für das Jahr 2010: 2010 FDI ENJOYS CONSTANT GROWTH (PDF-Datei). Unternehmen aus Japan zählen demnach, neben chinesischen Firmen vom Festland und aus Taiwan, sowohl was die Anzahl der Projekte, als auch was deren Wert betrifft, zu der größten Investorengruppe in Thailand.

Aber zurück zur Ausgangsbetrachtung der Kamera-Verkäufe in 2010.

Eine abschließende Markterhebung hinsichtlich der Marktanteile der einzelnen Hersteller existiert für 2010 noch nicht. Gerne verweisen wir auf unseren Artikel vom 31. August 2010, den wir alsbald – sowie neue Zahlen verfügbar sind – aktualisiert neu auflegen werden. Zur Erinnerung: Systemkameras von Canon, Nikon und Sony waren auf den ersten drei Rängen bei den Marktanteilen weltweit platziert. Der japanische Einzelhandel meldet im BCN-Ranking für das Jahr 2010 folgende Verkaufsanteile im japanischen Markt:
 

Produkt Hersteller Anteil Verkauf Japan
Kompaktkameras 1. Canon
2. Casio
3. Panasonic
19,0 %
15,2 %
13,9 %
DSLR-Kameras 1. Canon
2. Nikon
3. Sony
32,0 %
29,4 %
13,1 %
Spiegellose Systemkameras 1. Panasonic
2. Sony
3. Olympus
38,7 %
32,2 %
29,1 %

 
Die spiegellosen Systemkameras wurden erstmals für das Jahr 2010 erfasst. Panasonic hat mit dem ersten Ranglisten-Platz den so genannten „BCN-Award“ bei den spiegellosen Systemkameras erreicht. Canon hält seit mehreren Jahren den ersten Platz bei den Kompaktkameras. Der erste Platz bei den DSLR-Kameras wird ebenfalls von Canon gehalten, die hier in Japan seit mehreren Jahren führend sind. Lediglich im Jahr 2008 konnte Nikon Canon den ersten Platz streitig machen. Wohlgemerkt: Diese Rangliste erfasst nur die Kamera-Verkäufe in Japan.

Für das neue Jahr peilt die CIPA eine Liefermenge in Höhe von 131 Mio. Digitalkameras an. Dies wäre ein weiterer Anstieg um 7,8 % gegenüber 2010. Die CIPA rechnet mit rund 15,5 Mio. Systemkameras, davon 13,8 Mio. außerhalb Japans geliefert, und 115,5 Mio. Kompaktkameras.

(agün)
 
 
Ordentliche Mitglieder der CIPA:
Canon, Casio Computer, Fujifilm, Hoya Corporation (Pentax), Konica Minolta Opto, Mamiya Digital Imaging, NIDEC COPAL, Nikon, Olympus, Panasonic, Ricoh, Seiko Epson, Seiko Precision, SIGMA, Sony, Tamron, Tokina

* Schwellenland:
Der Begriff ist nicht genau definiert bzw. wird missverständlich gebraucht und verstanden. Unter Schwellenland wird ein Staat verstanden, dessen wirtschaftliche Entwicklung voranschreitet. Ein Schwellenland bewegt sich Dank der Industrialisierung und der damit verbundenen dynamischen Prozesse weg vom Status eines Entwicklungslandes. Je nach Definition und angewandter Indikatoren umfasst die Gruppe der Schwellenländer 20 bis 30 Staaten

Kameraklassen:
SLR, DSLR = „single lens reflex“ bzw. „digital single lens reflex“; (digitale) Spiegelreflexkameras.
Spiegellose; auch „CSC“ (compact system camera) = Kameras mit Wechselobjektiven, aber ohne Spiegelreflexsystem.