Die Geschichte des mittelständischen japanischen Stativherstellers Velbon („vely bon“) zeigt gewissermaßen exemplarisch die Entwicklung der japanischen Fotoindustrie von der Fertigung in Japan hin zur weitgehenden Verlagerung der Produktion auf das chinesische Festland:
Seit über 50 Jahren werden Velbon-Stative produziert und seit den 1970er Jahren auch in Deutschland vertrieben. Nicht nur der Vertrieb hierzulande wechselte in dieser Zeit mehrmals, auch die Produktion wurde mehrmals verlagert. Heute wird in Guangdong, China, produziert und der deutsche Vertrieb erfolgt durch HS Imaging in Gummersbach.
Der Stativhersteller Velbon geht zurück auf die am 25. März 1955 von Koma Nakatani in Kobe unter dem Namen gegründete Sansei Photo Co. Ltd. Zwei Jahre später wurde das Unternehmen aufgeteilt in die heute noch in Japan aktive Großhandelsfirma Hakuba Photo Industry Co. Ltd. und den Bereich der Stativfertigung der unter dem Namen Mitsuboshi Photographic Industry Co. Ltd. firmierte und den Markennamen Velbon einführte.
Das Kunstwort „Velbon“ soll sich zusammensetzen aus einem zu „vely“ modifizierten englischen „very“ und dem französischen „bon“, was in der Kombination sinngemäß „sehr gut“ bedeutet.
1958 startete man mit einer Fertigung in Nogata, einem Vorort von Tokio. Eine weitere Fabrik wurde im Jahre 1966 in Kodaira City errichtet, das ebenfalls im Raum Tokio liegt. Mit der 1970 in der Präfektur Yamanashi errichteten dritten Fabrik konnte man die Fertigungstiefe weiter steigern. Zur Ausstattung dieses Werks zählten Spritzgussmaschinen und eine Lackiererei. 1971 wurde der Markenname Velbon auch in den Firmennamen aufgenommen: das Unternehmen nannte sich nun Velbon Precision Industry Co., Ltd. oder auch Velbon Tripod Co., Ltd.
Im gleichen Jahr erfolgte auch die Gründung der Velbon International Corporation (VIC) in Los Angeles, USA. Nach anderen Quellen lag der US-Sitz in Torrance. Zweck des Unternehmens war nicht nur der Vertrieb, sondern auch die Produktion von Stativen. Nachdem man schon 1969 den Vertrieb seiner Produkte im japanischen Heimatmarkt übernommen hatte, wurde 1974 zu diesem Zweck die Velbon Trading Co., Ltd. gegründet. Im gleiche Jahr wurde auch die Firmenzentrale nach Shinjuku, Tokio verlegt. Schon Ende der 1970er Jahre wurde die Fertigung in den USA aufgrund der für japanische Firmen ungünstigen Wechselkursentwicklung wieder aufgegeben. Nur die Marketing- und Vertriebsabteilung wurden in Kalifornien weitergeführt.
Aufgrund steigender Produktionskosten in Japan verlagerte man 1981 einen Teil der Produktion in eine neue Fabrik in der Export Processing Zone von Kaohsiung auf Taiwan. 1984 kam ein weiteres Werk in der Export Processing Zone von Nantsu, ebenfalls auf Taiwan, hinzu. 1985 wurde Ken Nakatani in zweiter Generation Präsident des Unternehmens. Zwei Jahre darauf wurde unter dem Namen Shun Ma Sheng Enterprise Co., Ltd. in der Präfektur Pington das dritte taiwanesische Werk eröffnet.
Und schon 1991 begann vor dem Hintergrund steigender Arbeitskosten in Taiwan mit der Gründung der Velbon Zhongshan Co., Ltd. in Zhongshan City, Guangdong, China, die Produktionsverlagerung auf das chinesische Festland. 1994 beginnt der Abbau der Produktion auf Taiwan. Die Produktion aus dem ersten taiwanesischen Werk in Kaohsiung wird in das Werk der Shun Ma Sheng Enterprises Co., Ltd. in der Präfektur Pington verlagert. 1998 wird auch das Engagement in den USA reduziert. Die VIC wird aufgelöst und die Vertriebsrechte für die Velbon-Stative gehen auf die Hakuba USA Inc. über. Die Vermögenswerte der amerikanischen Hakuba-Tochter werden dann 2003 von der ToCAD America Inc., einer Tochter der japanischen ToCAD Co. Ltd., übernommen. Seit dem Herbst 2010 liegen die US-amerkanischen Vertriebsrechte bei der lokalen Niederlassung der One Source Network (HK) Ltd.
2002 wurden die Firmenzentrale aus Shinjuku auf das Werksgelände in Nogata verlagert und die Produktion im japanischen Werk Yamanashi beendet; ein Jahr darauf die jüngste Fertigungsstätte der Shun Ma Sheng Enterprises Co., Ltd. auf Taiwan aufgelöst.
Heute hat die japanische Velbon Corporation 54 Mitarbeiter in Japan, die sich auf die Hauptverwaltung in Tokio (links im Bild) und eine Produktion in Kouhu (rechts im Bild) verteilen. Dort werden seit 1993 offensichtlich Carbonfasermaterialien aus französischer Entwicklung verarbeitet. Die Hauptproduktion erfolgt bei der im November 1991 etablierten Velbon Zhongshan Co., Ltd. in der Ersten Industriezone Tanzhou der Stadt Zhongshan City in Guangdong, China, mit 220 Mitarbeitern. In Deutschland werden die Velbon-Stative seit 2010 von der HS Imaging in Gummersbach vertrieben.
(CJ)
Nachtrag (10.12.2010; 17:55 Uhr): Im Satz zur Ableitung des Namens „Velbon“ (4. Absatz) wurde das „verballhornt“ durch „modifiziert“ ersetzt, weil das Verb „verballhornen“ in den letzten Jahren offensichtlich einen Bedeutungswandel in Richtung „lächerlich machen“ erfahren hat (siehe auch Wikipedia – verballhornen), was hier nicht beabsichtigt war.
Danke!
…vielen Dank für diese Hintergrundinformation….und, bitte mehr davon!
MfG
PKD
Velbon-eines von vielen.
Danke für den Artikel, zeigt er doch das weltweit die selben Fehler gemacht werden. Wenn man sich nicht durch besondere Technik und Qualität hervorhebt, dann muss über den Preis verkauft werden. Es ist aber immer noch einer viel billiger weil er Menschen ungestört ausbeuten kann und darf.
Der Bericht ist trotzdem gut, bitte mehr davon.
Etwas mehr Respekt bitte…
[quote=CJ]Das Kunstwort „Velbon“ soll sich zusammensetzen aus einem zu „vely“ verballhornten englischen „very“ und dem französischen „bon“[/quote]
[klugscheissmode]
Also das Wort “verballhort” finde ich hier irgendwie unpassend. In Japan schreibt man bekanntlich nicht mit Lateinischen Buchstaben: Es ist dort eine Mischung aus chinesischen Schriftzeichen und einer Silbenschrift (die dafür gleich in zwei Versionen daherkommt). Dieses Silbenalphabet besteht aus 9 Konsonaten (k/g,s,t,n,h/b,m,y,r/l,w), mit jeweils 5 angehängten Vokalen so dass sich 45 Silben plus 5 Vokale ergeben (also a,ka,sa,ta,na,…i,ki,chi,ni,hi,… etc), mit denen die Japaner Nicht-Japanische Worte wiederzugeben versuchen.
Wenn wir also z.B. das Wort “Bouquet” ins Japanische Transferieren wollen, kommt dabei raus (Bo)(ke)– (wobei der Strich andeutet, dass der letzte Vokal langgezogen wird.) Zurück ins Lateinische umschrieben bekommen wir damit “Bokeh”…
Besonders das “R” und “L” ist so ne Sache. In Deutschland Gegenstand jedes guten Chinesenwitzes, ist in Japan derselbe Laut: Es ist eine Mischung aus “R” und “L”, ein “L”, das aber die Vibration des “R” hat. Für Japaner so ununterscheidbar wie für uns Deutsche der Unterschied zwischen “V” und “W”. Von anderen Muttersprachern habe ich z.B. gehört, es würde sich immer so drollig anhören, wenn wir “Vhiskey” sagen würden, wenn wir “Whiskey” meinen… 😉
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Respekt
[quote=Gast]Etwas mehr Respekt bitte…[/quote]
kommt gleich. Danke fürs Mitlesen und -denken.
(thoMas)
Sehr guter Artikel
Mitte der Siebziger ein Velbon-Stativ, das war es: Preiswert, solide Qualität und vielseitig, es ließ sich beispielsweise auch extrem bodennah ausrichten. Ich hab`s immer noch.
Velbon
Danke für diesen interessanten Artikel.
Ich hatte mir Anfang der Neunziger ein Velbon-Dreibein-Stativ gekauft,dass auch heute noch ohne Fehl und Tadel funktioniert.