Mit Gregory Crewdson und Duane Hanson führt das Museum Frieder Burda in Baden-Baden zwei Künstler zusammen, die sich in ihren Inszenierungen der Wirklichkeit des American Way of Life widmen: „Unheimliche Wirklichkeiten“
Den 1962 in Brooklyn geborenen Gregory Crewdson als Fotograf zu bezeichnen greift zu kurz. Eigentlich ist er ein Geschichtenerzähler, ein Filmemacher, der sich in das Medium der Fotografie verirrt hat. Er ist ein Virtuose aufwändigster Foto-Inszenierungen, doch alle diese großen, perfekten Hochglanz-Fotografien zeigen Abgründe, Alpträume und sind gleichzeitig so schön, dass der Betrachter in ihnen verschwinden möchte. Schon seit Mitte der achtziger Jahre arbeitet der New Yorker an dieser Mischung aus Schönheit und Schrecken eine inszenierte Fotografie, die ihre Vorprägung durch Künstler wie Diane Arbus, Cindy Sherman oder auch Jeff Wall gefunden hat.

Gregory Crewdson: Untitled (Sunday Roast), ‘Beneath the Roses’, 2005. Digitaler Pigmentdruck 144,8×223,5 cm
Gregory Crewdson, Courtesy Gagosian Gallery, New York. © Gregory Crewdson, 2010
Gregory Crewdson: Untitled (Blue Period), ‘Beneath the Roses’, 2005. Digitaler Pigmentdruck, 144,8×223,5 cm
Gregory Crewdson, Courtesy Gagosian Gallery, New York. © Gregory Crewdson, 2010
Gregory Crewdson: Untitled (Trailer Park), ‘Beneath the Roses’, 2007. Digitaler Pigmentdruck 144,8×223,5 cm
Gregory Crewdson, Courtesy Gagosian Gallery, New York. © Gregory Crewdson, 2010
Im Museum Frieder Burda in Baden-Baden wird das Werk Crewdsons jetzt dem des 1996 verstorbenen amerikanischen Bildhauers Duane Hanson gegenübergestellt. „Unheimliche Wirklichkeiten“ heißt die Schau, die bis zum 6. März 2011 zu sehen ist. Hansons Werk ist bekannt, seine realistischen Skulpturen, welche Menschen des Alltags zeigen: eine Hausfrau mit Einkaufswagen, eine Kellnerin, einen Autoverkäufer, einen Hausmeister Durchschnittstypen, einsam und irgendwie müde. Was beide Künstler verbindet, ist die Nähe zu ihren Figuren Figuren zumeist, an denen das Leben nicht spurlos vorüber gegangen ist.

Duane Hanson: Children Playing Game, 1979. Polyvinylchlorid, farbig bemalt mit Öl, Mischtechnik und Accessoires
Sammlung Hanson, Davie, Florida. © VG Bild-Kunst, Bonn 2010
Duane Hanson: Queenie II, 1988. Epoxidharz, farbig bemalt mit Öl, Mischtechnik und Accessoires. / Man on Mower, 1995. Bronze, farbig bemalt mit Öl, Mischtechnik, Accessoires
Sammlung Hanson, Davie, Florida. © VG Bild-Kunst, Bonn 2010
Duane Hanson: Self-Portrait with Model, 1979. Polyvinylchlorid, farbig bemalt mit Öl, Mischtechnik und Accessoires
Sammlung Hanson, Davie, Florida. © VG Bild-Kunst, Bonn 2010
25 Einzelfiguren Hansons, Abgüsse von lebenden Modellen aus Polyester-Harz und Fiberglas, sowie 20 großformatige Fotografien Crewdsons sind in der Ausstellung zu sehen. Kuratorin Patricia Kamp: „Sowohl Duane Hanson als auch Gregory Crewdson lassen, in unterschiedlichen Medien, durch Vermischung von realistisch wirkender Künstlichkeit und Banalität unheimliche Wirklichkeiten entstehen.“ Unheimliche Wirklichkeiten, die stets im Alltag selbst angesiedelt sind: „Die Werke von Hanson und Crewdson haben zugleich eine universelle Aussage, was allgemein ansprechend, bei vertieftem Blick jedoch auch beklemmend und unheimlich wirken kann.“
Es ist eine spannende Idee, Hanson den 1925 geborenen Erfinder des Hyper-Realismus und Teilnehmer der documenta von 1972 gemeinsam mit Crewdsons auszustellen: Denn Hansons Satz „Meine Arbeit handelt von Menschen, die in stiller Verzweiflung leben. Ich zeige die Ratlosigkeit, die Müdigkeit, das Altern, die Frustration“, dieses Diktum gilt in gleichem Maß auch für viele Arbeiten des jüngeren Fotokünstlers Crewdson.
Genauso wie Hanson Realität verrätselt, so tut es auch Gregory Crewdson im fotografischen Medium. Auch hier ist es die zusammengebrochene Normalität, die Kehrseite des amerikanischen Vorstadt-Traums, die Crewdson fotografisch verdichtet. „Die Schauplätze meiner Fotos sind mit Absicht so durchschnittlich, dass das Hereinbrechen von Gewalt und Angst umso traumatischer wirkt.“
Die in Baden-Baden in Ausschnitten gezeigte Serie „Beneath the Roses“, die zwischen 2003 und 2007 entstanden ist, findet ihren Ort im kleinbürgerlichen Milieu Amerikas, in der Provinz oder am Rande der großen Städte. Wir sehen Straßen und Häuser, denen die Momente der Katastrophe schon eingeschrieben sind. „Zwischenreich von Idylle und Horror“ wurden diese Orte einmal in der FAZ genannt einsame Straßenkreuzungen im Morgengrauen, einsame Menschen am Straßenrand, ein Auto mit aufgerissener Fahrertür, eine verlorene junge Frau ohne Schuhe davor. Ihr Blick schweift in die Ferne.

Gregory Crewdson: Untitled (Merchants Row), ‘Beneath the Roses’, 2003. Digitaler Pigmentdruck 144,8×223,5 cm
Gregory Crewdson, Courtesy Gagosian Gallery, New York. © Gregory Crewdson, 2010
Gregory Crewdson: Untitled (Maple Street), ‘Beneath the Roses’, 2004. Digitaler Pigmentdruck 144,8×223,5 cm
Gregory Crewdson, Courtesy Gagosian Gallery, New York. © Gregory Crewdson, 2010
Geschichten, die nicht zu Ende erzählt werden Geschichten, die nicht gut ausgehen. So glauben wir. Viele der Szenen Crewdsons muten so an, als würde sich die Katastrophe direkt im nächsten Moment ereignen. Ein Serienmörder, der zufällig vorbeikommt. Ein Autounfall. Ein Suizid. All das könnte auf diesen stillen, unheimlichen Bildern passieren.
(Marc Peschke)
Ausstellung:
„Unheimliche Wirklichkeiten“
Duane Hanson und Gregory Crewdson
27. November 2010 bis 6. März 2011
Museum Frieder Burda
Lichtentaler Allee 8b
76530 Baden-Baden
Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Montag geschlossen

Duane Hanson: Alte Frau im Klappstuhl, 1976. Polyesterharz und Fiberglas, farbig bemalt mit Öl, Mischtechnik, Accessoires
Sammlung Hanson, Davie, Florida. © VG Bild-Kunst, Bonn 2010
Gregory Crewdson: Untitled (Shane), ‘Beneath the Roses’, 2006. Digitaler Pigmentdruck 144,8×223,5 cm
Gregory Crewdson, Courtesy Gagosian Gallery, New York. © Gregory Crewdson, 2010
In den 1980ern …
…konnte ich mir einige Exponate von Duane Hanson im Rheinischen Landesmuseum in Köln ansehen. Faszinierend und befremdlich zugleich. Faszinierend ob der Detailtreue, befremdlich die Nähe zur Realität des Lebens. Absolut sehenswert – weit ab von Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett.
LG
XfuernU
Das hier
hat für mich die nötige Stringenz, aber auch das handwerkliche Können, um als Kunst im besten Sinne Anerkennung zu finden.
Bedeutungslose Scheinwelt
Zu offensichtlich nämlich der Schein, zu kalkuliert die Effekte, zu bedeutungslos der Inhalt.