Noch dumme Jungenstreiche oder schon kluge Kunst? In Erfurt sind jetzt neben den so skurrilen wie humorvollen, teils auch verstörenden, Jugendwerken des lettischen Fotokünstlers Ivars Gravlejs auch seine späteren künstlerischen Arbeiten zu sehen. Das Jugendwerk wird auf seine Gültigkeit und Aktualität hin überprüft:

Meine Lieblingsdosen und die weiße Ratte, 1992
Erstmals in Deutschland präsentiert der Erfurter Kunstverein in Zusammenarbeit mit der Kuratorin Silke Opitz eine umfangreiche Einzelausstellung des lettischen Fotokünstlers Ivars Gravlejs (*1979 in Riga, lebt und arbeitet ebenda). Die Werkgruppe der 90er / The 90ths des in den letzten Jahren an zahlreichen internationalen Ausstellungen beteiligten Künstlers wird im Mittelpunkt der Erfurter Schau stehen.

Fotomontage Nr. 2 Der Kuss, Schwarzweißfotografie, 1994
Mein Klassenkamerad Agris fragte mich, ob ich ein Foto machen könne, wie er Katrina küsst.
Photomontage Nr. 3 Spura, 1996
Ich machte ein Foto meines Klassenkameraden Spura und montierte seinen Kopf auf den nackten Frauenkörper aus dem Magazin. Die Fotomontage vergrößerte ich im Kopierladen auf A4. Später hing ich das Foto in der Schule neben dem Stundenplan auf. Danach hassten mich die meisten Mädchen meiner Klasse.
Ungewöhnlich früh entdeckte Ivars Gravlejs seine künstlerischen Techniken und Strategien. Alles begann damit, dass er im Alter von 11 Jahren eine Sammlung leerer Dosen westlicher Getränkehersteller für seine erste Kamera eintauschte. Mit diesem Fotoapparat und der Super-8-Kamera eines Mitschülers hielt Gravlejs fortan sein persönliches Umfeld in Bildern fest. So zeigen seine frühesten filmischen Skizzen und Fotografien der 90er/Early Works oft Szenen des Nachwende-Alltags in Lettland in ihrer skurrilen, gleichwohl so bezeichnenden tragikkomischen Mischung als real existierende, täglich frustrierende running gags. Diese bemerkenswerten, weil zufälligen social studies entlarven stets wie beiläufig alte und neue Systeme, ob nun im großen (des Staates) oder im kleinen (der Schule).

Experiment mit Lampen, Schwarzweißfotografie, 1997
Ich experimentierte mit den Lampen, um zu sehen, wie sie bei mir wirken.
Gravlejs betreibt seine subversiven Praktiken der Bildmanipulation und des Fakes, der Aneignung, Re-Performance und Überaffirmation seit den frühen Schwarzweißfotografien über die folgenden, komplexeren Foto- und Video-Serien bis heute. Selbst als nunmehr ausgebildeter und mehrfach ausgezeichneter Fotograf pflegt er noch immer eine amateurhafte Attitüde verbunden mit der Vorliebe für einfachste (foto-) künstlerische Mittel und der Neigung zu Trash und Subkultur.

Fuck, Schwarzweißfotografie, 1994
Klassenkamerad Agris zeigt meiner Kamera das Fuck-Zeichen.
Anliegen der Erfurter Schau ist es, die frühen Arbeiten der 90er mit den darauf folgenden, künstlerischen Aktivitäten Gravlejs in einer besonderen Präsentationsform visuell zu verknüpfen und so das Jugendwerk auf seine Gültigkeit und Aktualität hin zu überprüfen. Auf diese Weise wird auch eine „gewisse Notwendigkeit“ der Fortsetzung und Wiederholung jener Kinderstreiche nachvollziehbar. Denn nach dem Studium der Fotografie und Performance an der Prager Kunstakademie finden Gravlejs künstlerische Aktionen zwar nach wie vor in seinem persönlichen Umfeld statt, doch umfasst dieses nun neben diversen Brotjobs den gegenwärtigen, internationalen Kunstbetrieb. Und auch hier sind seine „Eingriffe“ mindestens aufschlussreich und relativierend.
Im Video „Mobile (2007)“ etwa sind Besucher einer Ausstellungseröffnung zu sehen, die von Gravlejs mit der Frage konfrontiert werden, ob nicht die auf seinem Handy „präsentierten“ Porno-Filme die besseren Kunstwerke im Vergleich zu den an den Wänden hängenden Arbeiten sind. Gravlejs Guerilla-Aktion „Prague Biennale 2009“ funktioniert wiederum wie ein Lackmustest für den Bekanntheitsgrad von Biennale-Künstlern. Der Künstler tauschte von ihm angefertigte Versionen der in Prag gezeigten Videos der mexikanischen Künstler Ruben Gutierrez sowie von Daniel Guzman und Luis Felipe Ortega aus. Nun liefen seine, Gravlejs, Videos in Folge unerkannt und ununterbrochen während der Prager Großausstellung. Bezeichnenderweise lautet der Titel des von Gravlejs gefakten Videos von Gutierrez „The best artwork in the world“. In Erfurt jedoch werden die besten Arbeiten des viel versprechenden lettischen Künstlers Ivars Gravlejs ganz offiziell zu sehen sein.
(Silke Opitz, Kuratorin)
Künstler:
Ivars Gravlejs
Videos:
Mobile
Excuse me, could you take a picture of me?
Prague Biennale, 2009, Best artwork in the world
Prague Biennale, 2009, Remake
Process of creating, Ausstellung Ivars Gravlejs in Grenoble, Galerie Oui
Ausstellung:
Ivars Gravlejs
Die 90er und dann / The 90’s and beyond
Kunstverein Erfurt e.V. in der Kunsthalle Erfurt
09.09.-31.10.2010
Haus zum Roten Ochsen
Fischmarkt 7
D – 99084 Erfurt
Öffnungszeiten
Dienstag bis Sonntag 11 – 18 Uhr
Donnerstag 11 – 22 Uhr
Mit freundlicher Unterstützung durch den Freistaat Thüringen, Staatskanzlei; sowie Valsts kulturkapitala fonda (Lativan State Culture Capital Foundation), Riga; Lavian Centre for Contemporary Art, Riga

Chemielehrerin
Mathelehrer
Musiklehrerin
Russischlehrerin
hahahaha
klasse, klasse!
…
„Experiment mit Lampen, Schwarzweißfotografie, 1997
Ich experimentierte mit den Lampen, um zu sehen, wie sie bei mir wirken.“
Genau … 😎
Und was ist da jetzt so toll
Und was ist da jetzt so toll an den Fotos?
Karneval/Fasching
einen Spass gehabt beim ansehen? Eben.
Ist das in Thüringen
Kunst?
Ich seh schon
die Fotoklub-Fraktion hat Ausgang und kommt zum Kommentieren.
der besucher
Scheint grad klug genug zu sein
um Besucher zu Experten wachsen zu lassen …
April im September
Das ist wohl ein verspäteter Aprilscherz. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass dieser Fotoschrott ausgestellt wird.
Nun
auch die Kunst orientiert sich nur am durchschnittlichen Output der Masse … so gesehen, seien Sie der Kunst dankbar, für diese indirekte Standortbestimmung der Fotografie. 😎
Ganz erstaunlich …
… daß jemand solche Bilder überhaupt aufgehoben hat.
ein Kunstbanause 🙂
Umweltzone
…langsam sollte man sich ernste Gedanke machen, für sinnvolle und weniger sinnvolle geistige Ausdünstungen die Feinstaubplakette einzuführen…in Kombination mit ausgewiesenen freien Umweltzonen, in denen man sicher ist vor allzu großer geistiger Feinstaubbelastung.