Heinrich Kühn, dem wohl bekanntesten Vertreter der Kunstfotografie zu Beginn des vorigen Jahrhunderts, widmet die Albertina die Ausstellung „Die vollkommene Fotografie“, und die kann sich rühmen, mit rund 150 Werken die bislang umfassendste Werkschau des Künstlers weltweit zu sein:
Tonwertstudie (Edeltrude am Hang), um 1907; Gummidruck. Musée d’Orsay, Paris © Estate
Die Albertina informiert:
Heinrich Kühn – Die vollkommene Fotografie
11. Juni 2010 – 12. September 2010
Die Albertina zeigt vom 11. Juni bis 12. September 2010 die Ausstellung „Heinrich Kühn. Die vollkommene Fotografie“, die bisher umfassendste Personale des Künstlers weltweit. Die Albertina-Kuratorinnen Dr. Monika Faber und Dr. Astrid Mahler konzipierten diese Ausstellung mit rund 150 Werken, davon einige wichtige Werkgruppen aus den Beständen der Albertina. Durch ihre langjährige Forschungsarbeit kann das Werk Kühns nun zum ersten Mal in einen breiten Kontext gestellt werden. Im Anschluss wird die Ausstellung im Musée d’Orsay in Paris und im Museum of Fine Arts in Houston/Texas zu sehen sein.
Walther, um 1912; Mehrfacher Öldruck auf Japanpapier. Albertina, Wien © Estate / Rückenakt, um 1920; Silbergelatinepapier. Privatbesitz © Estate
Das fotografische Bild als Möglichkeit, eine künstlerische Vision ebenso präzise und kreativ zu realisieren wie in Malerei oder Zeichnung: Das war das lebenslange Ziel Heinrich Kühns, einer zentralen Gründergestalt der internationalen Kunstfotografie um 1900. Durch ihn und seine Freunde wurde das stilisierte Lichtbild ebenso Teil des von den Sezessionisten angestrebten Gesamtkunstwerks wie Raumkunst, Kleidung oder Gebrauchsgrafik.
Wichtigstes Instrument dafür war der von Kühn zur Perfektion entwickelte sogenannte „Gummidruck“, mit dem man aus einem fotografischen Negativ einen Druck erzeugen konnte, der durch die völlig freie Wahl von Papier und Pigment eher einer Kohlezeichnung oder Radierung glich als einer konventionellen Fotografie. Damit ließen sich die Helligkeitskontraste gezielt Kühns Bildvorstellungen anpassen und die als „unkünstlerisch“ abgelehnte Bildschärfe nach Belieben auflösen. Gegen 1910 reduzierte Kühn den romantischen Kosmos des „Piktorialismus“ auf wenige Themen, bis fast abstrakte Kompositionen von zeitloser Ausgewogenheit entstanden.
Veilchen, um 1908; Autochrom. Albertina, Wien © Estate
1907-1913 schuf Heinrich Kühn Farbbilder im Autochromverfahren, die vor allem dem impressionistischen Traum des Festhaltens atmosphärischer Stimmungen gewidmet waren, in ihrer unkonventionellen Komposition aber bereits fotografische Innovationen der nächsten Generation vorwegnehmen.
Zwischen Formauflösung des Postimpressionismus und Flächenkunst des Wiener Jugendstils hat Heinrich Kühn ein einzigartiges fotografisches Werk geschaffen, das selbst Fachleuten in seiner Breite bisher unbekannt geblieben ist.
Kühn brachte in seinen Fotografien alles Widersprüchliche durch die künstlerische Form in Harmonie. Diese Fokussierung des fotografischen Kunstwollens auf formale Möglichkeiten hin führte Kühn von der Stimmungskunst an die Grenzen des Gegenständlichen und Narrativen.
Seine Werke wurden zwischen 1895 und 1915 in zahllosen Ausstellungen gezeigt und in allen wichtigen Kunstzeitschriften publiziert. Einige Jahre lang hatten seine Arbeiten weitreichenden Einfluss auf eine internationale Schar von Gleichgesinnten, seit 1910 allerdings ließ das Interesse an seiner Arbeit nach, bedingt sowohl durch den eigene Rückzug aus dem öffentlichen Geschehen als auch durch veränderte Bestrebungen in der internationalen Fotografie.
Die Kühn-Kinder, 1913; Platingummidruck auf vollflächig aufgezogenem Japanpapier. Privatbesitz © Estate
Das modernistische Potenzial dieser Kunst wurde weder zu Lebzeiten des Künstlers und noch viel weniger danach erkannt, da die Verfremdung der fotografischen Oberfläche, in der Kühn Außergewöhnliches leistete, das Verschwinden aller Konturen und Details im technisch hergestellten Bild, von der Medientheorie lange als Defizit angesehen wurde.
Kühn wurde 1866 in Dresden geboren und lebte ab 1888 in Innsbruck. Um 1900 prägte das Landschaftsmotiv die Fotografie Kühns. Portrait-Aufnahmen, privat sowie kommerziell gewannen an Bedeutung. Doch bald stellten die Figurenstudien seiner vier Kinder und dem Kindermädchen Mary Warner die wichtigsten Motive seiner Fotografie dar. Rund 15 Jahre nach dem Tod seiner Frau Emma und dem Verlust seines geerbten Vermögens (aufgrund von Fehlinvestitionen seines Schwagers), führt er mit seinen Kindern und Mary Warner ein zurückgezogenes Leben auf dem Land. Nun widmete er sich vornehmlich dem Stillleben, dem Akt und dem ländlichen Genre, bis er sich 1937 aus dem offiziellen Arbeitsleben zurückzog. 1944 verstarb Kühn im Alter von 78 Jahren.
Baronin von Schwind, um 1908; Autochrom. Albertina, Wien © Estate / Frauentorso im Sonnenlicht, um 1920; Bromölumdruck. Museum of Fine Arts, Houston / Geschenk von Manfred Heiting. Die Manfred Heiting Sammlung © Estate
Ausstellung
Heinrich Kühn – Die vollkommene Fotografie
11. Juni 2010 – 12. September 2010
Albertina
Albertinaplatz 1
1010 Wien
T +43 (0)1 534 83-0
F +43 (0)1 534 83-430
Täglich 10.00 bis 18.00 Uhr
Mittwoch 10.00 bis 21.00 Uhr
Katalog
Heinrich Kühn. Die vollkommene Fotografie
Hrsg. Monika Faber, Astrid Mahler
Mit Beiträgen von Monika Faber, Andreas Gruber, Françoise Heilbrun, AstridMahler, Anne Tucker
Der Katalog erscheint in einer deutschen, englischen und französischen Ausgabe und ist im Shop der Albertina sowie unter www.albertina.at für 29 Euro erhältlich.
(thoMas)
Tonwertstudie II (Mary Warner), Aufnahme um 1908; späterer Abzug Gummigravüre. Privatbesitz © Estate
Sehr schön …
… eine Erholung für Augen und Seele nach wochenlanger Pixelpeeperei.
Wirklich Klasse
Welch eine Wohltat diese Bilder. Da fängt jemand aus dem vorigen Jahrtausend mit einfachen Mitteln Gefühle ein. Diese Anmut der Personen und die Habtik der Materialien. Wie einprägsam müssen erst die Originale sein.
Da haben die Plugin Bastler wieder was zum üben.