Foto WOLS: Mademoiselle Nicole Bouban; 1936-1939Die Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig präsentiert vom 12. April bis zum 15. Mai 2010 zahlreiche Arbeiten des Fotografen, Malers und Grafikers Alfred Otto Wolfgang Schulze, genannt WOLS (1913 – 1951). Der Künstler zählt zu den Wegbereitern der Kunstrichtungen Informel und Tachismus:

Pressemitteilung der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig:

WOLS – „Sehen heißt, die Augen schließen“

Gemälde, Aquarelle, Fotografien, Grafiken – Ausstellung in der Galerie der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig (HGB)

Leipzig, 24. März 2010

Eröffnung: 12. April 2010, 18.00 Uhr
Es spricht: Dr. Hans-Joachim Petersen, Kunsthistoriker (München)
Dauer: 13. April bis 15. Mai 2010
Öffnungszeiten: Di – Fr 12.00 – 18.00 Uhr, Sa 10.00 – 15.00 Uhr
Ort: Galerie der HGB Leipzig

Ein Symposium zur Ausstellung findet am 14. Mai in der Galerie der HGB statt.

Die HGB Leipzig präsentiert vom 12. April bis zum 15. Mai 2010 zahlreiche Arbeiten des Fotografen, Malers und Grafikers Alfred Otto Wolfgang Schulze, genannt WOLS (1913 – 1951). Der Künstler zählt zu den Wegbereitern der Kunstrichtungen Informel und Tachismus (Richtungen innerhalb der abstrakten Malerei). Nach umfangreichen Präsentationen 1989/90 in Zürich und Düsseldorf, 1997 in Ravensburg und 2000 im Kunsthaus Hamburg sind seine Werke mit dieser Ausstellung erstmals in Sachsen zu sehen.

Die Ausstellung wird kuratiert von Christine Rink (HGB) und Dr. Hans-Joachim Petersen (München), Kunsthistoriker und WOLS-Spezialist.
 

WOLS: Aquarell L´ìnsecte; 1940

WOLS: Aquarell L´ìnsecte; 1940

 
Den Kuratoren gelang es, Gemälde aus den Jahren 1946/47, Aquarelle der Jahre 1937 bis 1946 und Fotografien aus dem Zeitraum 1935 bis 1939 zusammenzutragen. Zudem präsentiert die Ausstellung illustrierte Bücher mit Texten von Jean-Paul Sartre, Antonin Artaud, Franz Kafka und Jean Paulhan sowie Teile seines grafischen Werkes. Ingo Wachler produzierte 1972 einen Fernsehfilm über WOLS, auch dieser wird zu sehen sein.

WOLS wurde 1913 in Berlin geboren, wuchs in Dresden auf und starb bereits im Alter von 38 Jahren in Paris. Durch Kontakte zu Künstlern wie Otto Dix, Paul Klee, Conrad Felixmüller und Gret Palucca intensivierte sich WOLS’ großes Interesse an der zeitgenössischen Moderne bereits sehr früh. Im Jahr 1932 reiste er erstmals nach Paris und kam durch seine spätere Frau Hélène Marguerite Dabija, genannt „Gréty“, schnell in die Kreise der dortigen Surrealisten. Er lernte Hans Arp, Jean-Paul Sartre, Alberto Giacometti und weitere Persönlichkeiten der Theater-, Literatur- und Kunstszene kennen. WOLS arbeitete in dieser Zeit überwiegend als Fotograf. Die Jahre 1933 bis 1935 verbrachte er in Spanien, es entstanden zahlreiche Fotografien, aber auch Zeichnungen und Aquarelle. Zurück in Paris erhielt er u.a. den offiziellen Auftrag, den Pavillon de l’élégance auf der Pariser Weltausstellung (1937) zu dokumentieren. Unmittelbar nach Ausbruch des 2. Weltkrieges (1939) kam WOLS in verschiedene französische Internierungslager, aus denen er 1940 entlassen wurde. In dieser Zeit schuf er fast ausschließlich Aquarelle und Skizzen. Nach 1945 verlagerte sich sein künstlerischer Schwerpunkt auf Ölbilder, die ihn durch eine umfangreiche Einzelausstellung von vierzig Gemälden im Jahr 1947 schlagartig bekannt machten. Zusätzlich entstanden grafische Illustrationen und Kaltnadelradierungen. Trotz gesundheitlicher Probleme stellte er in Paris, Mailand und New York aus. Im August 1951 starb WOLS – er konnte sich von den Folgen einer Lebensmittelvergiftung nicht mehr erholen.

Foto WOLS: Mademoiselle Nicole Bouban; 1936-1939

WOLS: Mademoiselle Nicole Bouban; 1936-1939. Abzug: Georg Heusch

 
Zeitgleich zur Ausstellungseröffnung erscheint im April 2010 im Verlag Schimer/Mosel die Publikation: „WOLS – Die Aphorismen“, herausgeben von Dr. Hans-Joachim Petersen (ISBN: 978–3–8296 -0439–0). Neben seinen Fotografien, Malereien, Zeichnungen und Grafiken schuf WOLS eine umfangreiche Sammlung von Aphorismen. Auf Französisch geschrieben, sind sie Zeugnis desillusionierender Erlebnisse in Internierungslagern und der Nachkriegszeit. Sie gelten heute als ein bedeutender Beitrag zur existenzialistischen Literatur.
 
 
Siehe auch:
Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig
 
 
Lebensdaten von WOLS – zusammengestellt von Dr. Hans-Joachim Petersen:

WOLS (*27. Mai 1913 in Berlin; † 1. September 1951 in Paris) wurde als Alfred Otto Wolfgang Schulze geboren und als WOLS bekannt. Er war ein deutscher Fotograf, Maler und Grafiker und gilt als Begründer des Informel.

Als Sohn des Berliner Regierungsbeamten Dr. jur. Alfred Schulze (1878-1929) und dessen Ehefrau Eva, geborene Battmann (1886-1969) wuchs WOLS gemeinsam mit seiner Schwester Elfriede und seinem Bruder Helmut in einem großbürgerlichen Elternhaus auf. Im Jahr 1919 zog die Familie von Berlin nach Dresden, wo sie Kontakte zu Dresdner Künstlern wie Ludwig von Hofmann, Robert Sterl, Conrad Felixmüller und Otto Dix pflegte.

1926 hinterließen der Besuch der Großen Internationalen Kunstausstellung mit Werken der zeitgenössischen Moderne und eine Schau zum 50. Geburtstag von Paul Klee in Dresden nachhaltigen Eindruck bei dem kunstinteressierten Schüler.

Nach dem frühen Tod des Vaters (1928) verließ Alfred Otto Wolfgang die Schule und erhielt Privatunterricht. Trotz guter Leistungen wurde ihm aber die Zulassung zur Abiturprüfung verwehrt. Nach der Schule arbeitete er zunächst als Praktikant im angesehenen Foto-Atelier von Genja Jonas, das speziell für Porträt-Aufnahmen bekannt war. In dieser Zeit nahm WOLS teil an Gesprächsabenden von Dresdner Literaten und Künstlern wie Otto Dix, Will Grohmann, Fritz Löffler, Fritz Bienert und Gret Palucca.

Am 14. Juli 1932 reiste er mit einem Brief von Lászlo Moholy-Nagy an die Künstler Amédée Ozenfant und Fernand Léger nach Paris und lernte im Februar 1933 die rumänische Modeschneiderin Hélène Marguerite Dabija, genannt Gréty, kennen, die in erster Ehe mit dem surrealistischen Dichter Jacques Baron verheiratet war und im Kreis der Surrealisten verkehrte. Sie wurde WOLS’ Freundin und machte ihn mit Hans Arp, Alexander Calder, Alberto Giacometti und weiteren Persönlichkeiten der Pariser Theater-, Literatur- und Kunstszene bekannt. Am 14. Juli 1933 reiste WOLS das letzte Mal nach Deutschland.

In Paris verdingte er sich zunächst als Fotograf und zog im Oktober 1933 mit Gréty nach Barcelona und von dort weiter auf die Balearen. Seine Weigerung, dem Einberufungsbefehl zum Reichsarbeitsdienst zu folgen, brachte ihn in jahrelange Schwierigkeiten mit den spanischen und französischen Behörden. Ohne Papiere galt WOLS als fahnenflüchtig und staatenlos. Von Mallorca aus ging das Paar 1934 nach Ibiza. Dort arbeitete er als Taxifahrer, Fremdenführer und Deutschlehrer. Im Herbst 1935 wurde er aus Spanien abgeschoben und kehrte im Dezember zurück nach Paris. Von den in Spanien entstandenen Fotografien, Zeichnungen und Aquarellen sind nur wenige erhalten geblieben.

1936 verschafften ihm Fernand Léger und Georges-Henri Rivière eine befristete Aufenthaltsgenehmigung. 1937 erhielt er den offiziellen Auftrag, den Pavillon de l’élégance auf der Pariser Weltausstellung zu dokumentieren. Seine ungewöhnlichen Raum- und Modefotografien wurden erfolgreich als Postkarten verkauft. Aus dieser Zeit stammt auch sein Pseudonym „WOLS“. Der neue Name sollte verhindern, gleich als Deutscher erkannt zu werden. Vom 30. Januar bis zum 18. Februar 1937 wurden seine Arbeiten in der Galérie de la Pléiade ausgestellt.

Zwischen 1936 und 1939 arbeitete WOLS als Fotograf und pflegte freundschaftliche Kontakte zu Pariser Schauspielern, Schriftstellern und bildenden Künstlern. Es entstanden intensive Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Roger Blin, Max Ernst, Jacques Prévert und Jacqueline Laurent, vom jungen Sänger Mouloudji, von Rafael Alberti, von der Malerin Sabine Hettner, der Tänzerin Nina Weichberger und den Schauspielerinnen Sonia Mossé, Nicole Boubant und Susanne Magisson-Borel. Außerdem nahm er Selbstporträts, Stadtansichten und Stillleben auf.

Am 3. September 1939, unmittelbar nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, wurde WOLS in französische Internierungslager gebracht: Zunächst nach Neuvy-sur- Barangeon, dann nach Montargis, danach nach Les Milles bei Aix-en-Provence und nach Saint-Nicolas bei Nîmes. Gleichzeitig in Les Milles interniert waren Heinrich Maria Davringhausen, Ernst Engel, Max Ernst, Lion Feuchtwanger, Henri Gowa, Walter Hasenclever, Franz Hessel, Alfred Kantorowicz, Max Lingner, Willy Maywald, Anton Räderscheidt, Max Raphael und Karl Wilczynski. Im Lager entstanden Zeichnungen und Aquarelle und WOLS begann zu trinken. Am 29. Oktober 1940 wurde er aus der Haft entlassen und heiratete Gréty, die französische Staatsbürgerin war. Trauzeuge im Rathaus von Aix-en-Provence war der Kunsthistoriker John Rewald.

Von November 1940 bis Dezember 1942 lebte das Paar in Cassis bei Marseille und versuchte, mit Hilfe von Varian Fry und dem Centre Americain de Secours sowie der amerikanischen Schriftstellerin Kay Boyle in die USA zu emigrieren. Boyle erhielt über fünfzig Aquarelle, die in Amerika ausgestellt und verkauft werden sollten. Die Blätter wurden in der Galerie Betty Parson in New York präsentiert.

Nach der Besetzung des südlichen Teils Frankreichs durch deutsche Truppen mussten WOLS und Gréty aus Cassis fliehen. Von 1943 bis zum Kriegsende 1945 gewährte der Bürgermeister von Dieulefit dem Paar Unterkunft. In dieser Zeit entwickelte sich eine Freundschaft zwischen WOLS und dem Schriftsteller Henri- Pierre Roché, der einer der ersten Sammler seiner Aquarelle wurde und Kontakte zu Marcel Duchamp und Jean-Paul Sartre pflegte. WOLS las in dieser Zeit William Faulkner, Edgar Allan Poe, Lautréamont, Franz Kafka, Lao-Tse und Jean-Paul Sartre. Es entstanden Aquarelle, Zeichnungen, Notizblätter – und eventuell begann er schon jetzt mit Ölmalerei. Eine zunehmende Alkoholabhängigkeit verschlechterte seine Gesundheit.

1945 zurück in Paris wurden in der Galerie René Drouin erstmals WOLS’ Aquarelle ausgestellt. Er freundete sich in dieser Zeit intensiv mit Jean-Paul Sartre an, der den Künstler in den kommenden Jahren vielfach unterstützte. Von dem Galeristen Drouin mit Leinwänden und Ölfarbe ausgerüstet, schuf WOLS nach 1945 über 40 Gemälde. Am 23. Mai 1947 wurde eine Ausstellung dieser Werke bei Drouin eröffnet. Die Schau machte den Künstler schlagartig bekannt.

In der Folgezeit nahm er an den Überblicksausstellungen Salon des Réalités Nouvelles und L’Imaginaire (mit Arbeiten von Hans Arp, Victor Brauner, Camille Bryen, Hans Hartung, Georges Mathieu, Jean-Paul Riopelle, Raoul Ubac) teil und schloss Bekanntschaft mit Jean Paulhan und dem Maler Mathieu. Neben grafischen Illustrationen von Texten der Schriftsteller Jean Paulhan, Jean-Paul Sartre, Franz Kafka und Antonin Artaud entstanden zahlreiche Kaltnadelradierungen.

In den Jahren von 1948 bis 1950 folgten trotz schwerer gesundheitlicher Probleme Ausstellungen in Paris, Mailand und New York, die sich auf die ab 1946 entstandenen Gemälde konzentrierten. Ein fester Vertrag für zwei Jahre mit dem Galeristen Pierre Loeb sicherte WOLS den Lebensunterhalt. 1951 verschlechterte sich sein Gesundheitszustand weiter. Eine Lungenentzündung, Leberzirrhose aufgrund schwerer Alkoholabhängigkeit und Gelbsucht zwangen den Künstler zu einem Krankenhausaufenthalt mit anschließender Entziehungskur. Im Sommer 1951 erholte er sich auf dem Lande in Champigny-sur-Marne. Mit frischen Kräften arbeitete WOLS danach an neuen Gemälden und Aquarellen.

In der Nacht vom 24. zum 25. August 1951 zog WOLS sich durch den Verzehr von verdorbenem Fleisch eine Vergiftung zu, die in mehreren Krankenhäusern falsch therapiert wurde. Den Tod vor Augen, ließ er sich am 31. August ins luxuriöse Hotel de Montalembert an der Rue de Bac (Paris) bringen, wo er am 1. September starb. Der Künstler wurde im Columbarium des Friedhofs Père Lachaise begraben.

Nach seinem Tod wurden WOLS’ Werke u.a. auf der documenta I (1955), documenta II (1959) und documenta III (1964) in Kassel ausgestellt. Umfangreiche Einzelausstellungen fanden zudem 1989/90 in Zürich und Düsseldorf, 1997 in Ravensburg und 2000 im Kunsthaus Hamburg statt.
 

(thoMas)