Foto Susanna KrausUnmögliches dauert etwas länger: In jahrelangen Bemühungen und dank engagierter Helfer ist es der Schauspielerin Susanna Kraus gelungen, das fast verloren gegangene Wissen um Emulsion, Produktion, Verarbeitung und Verwendung von Schwarzweiß-Direktpositivpapieren zusammenzutragen – und einen Produzenten zu finden. Ab Mitte April will Harman, England, wieder Schwarzweiß-Direktpositivpapiere ins Programm nehmen, womit eine interesssante künstlerische Alternative der Unikatfotografie auflebt:

Foto Susanna Kraus

photoscala-Lesern ist Susanna Kraus mit ihrer IMAGO1:1 keine Unbekannte: im Herbst 2007 haben wir die wirkliche großformatige Kamera IMAGO 1:1 vorgestellt, ein Jahr später zeigten wir sie auf der photokina 2008. Nun erzählt Susanna Kraus, wie es ihr in mehrjährigen Bemühungen gelungen ist, die Firmen Harman in England und Ilford in der Schweiz dazu zu bewegen, wieder Direktpositivpapier zu produzieren:

Ein fotografisches Papier für die Unikatsfotografie ist zurückgekehrt.

Am 12. April 2010 ist es soweit: Das „Direkt Positiv Foto Papier“, auch Reversal- oder Umkehrpapier genannt, ein Schwarz weiß Fotopapier, das seit fast 30 Jahren vom Markt verschwunden war, ist wieder da.

Vertrieben wird es über die Website von HARMAN Technology in England, dem weltweit größten Hersteller für Schwarz Weiß Papiere www.harmanexpress.com. Dieses Umkehrpapier wurde ursprünglich für graphische Zwecke verwendet im Bereich der Repro Fotografie. Die Kopier- und Plottertechniken haben ab Anfang der 80er Jahre dieses Verfahren schnell überflüssig gemacht und die Produktion dieses Repropapiers wurde eingestellt.

Es brauchte niemand mehr. Fast niemand.

Der Physiker Werner Kraus und der Goldschmied Erhard Hößle bauten in den 70er Jahren – natürlich mit dem Wissen um dieses damals gängige Papiers – eine Kamera, in deren Hohlraum man sich selbst direkt auf dieses Fotopapier bannen konnte. Die beiden Herren entlehnten dieses Graphikpapier ihrer ursprünglichen Bestimmung und verwendeten es ausschließlich für die Portrait Fotografie. Die sehr harten Kontraste dieses Papiers verliehen diesen Portraits den besonderen künstlerischen Ausdruck. Mit der eingestellten Papierproduktion Anfang der 80er Jahre verschwand auch die Kamera für über 30 Jahre in einem Lager. 2005 holte die Tochter des Erfinders der Kamera, Schauspielerin Susanna Kraus, die Kamera IMAGO1:1 (www.camera-imago.com) wieder aus der Versenkung. Dazu musste sie sich um eine Wiederauflage des Umkehrpapiers bemühen.

Es war ILFORD Switzerland, die bereit waren, ihr altes Wissen um eine in Vergessenheit geratene Emulsion wieder hervor zu holen. Nach einem knappen Jahr an Recherchen und Versuchen, sich dem Ergebnis von damals wieder anzunähern, stellt ILFORD Switzerland seit September 2006 diese Direkt-Positivemulsion vorerst ausschließlich für Susanna Kraus, wieder her. Und es war die Firma Fotokemika aus Kroatien, welche die in der Schweiz hergestellte Emulsion auch in kleinen Mengen auf die gewünschten Träger (Baryt, RC matt und glänzend) goss. Das war der Anfang der Wiederbelebung dieses außergewöhnlichen Silber Gelatine Umkehrpapiers und gleichzeitig auch der Re-Start der Kamera IMAGO1:1.
 

Foto von Susanna Kraus vor der IMAGO1:1

Susanna Kraus vor der IMAGO1:1

 
Jedoch blieb die Herstellung aufgrund der schwierigen Zusammensetzung der fotografischen Emulsion sowie der geringen Produktionsmenge immer ein äußerst gefährdeter Prozess. 2008 schließlich, nachdem Susanna Kraus und ihr Team mit diesem Papier bereits zwei Jahre Erfahrungen sammeln konnte, brach die Produktion zusammen. Das bedeutete das kurzfristige Aus für das Kunstprojekt IMAGO1:1, die begehbare Kamera. Ein schwieriges Jahr und anfänglich eine aussichtslose Situation.

Foto Susanna Kraus

In dieser Krise traf Mr. Dai Jones, der Ex-Chef von ILFORD Schweiz und England auf die IMAGO1:1 während der photokina 2008, auf der sie eingeladen war. Fasziniert von dieser Art der Unikats Fotografie und aufgrund seiner großen Liebe zur schwarz weiß- und analogen Fotografie machte er das Unmögliche möglich und belebte die Produktion von Neuem. Gemeinsam mit Susanna Kraus schnürten sie ein neues Paket.

Seit 2009 nun ist der größte Hersteller für Schwarzweißpapiere, HARMAN TECHNOLOGY in England, in die Produktion sowie in den Weltvertrieb des neuen alten Umkehr Papiers eingestiegen. Sowohl ILFORD SWITZERLAND als auch HARMAN TECHNOLOGY haben erkannt, dass die letzten industriell hergestellten Unikatspapiere erhalten werden müssen. Was pioniermäßig begann, wo große Firmen sich abseits des offiziellen Firmenweges in Hinterzimmern um die vergessene Technologie bemühten, was wissenschaftlichen Mitarbeitern wie Jean-Noel Gex bei ILFORD zu verdanken ist, bekam jetzt durch die Intervention von Dai Jones einen offiziellen Stand.

Allerdings reichte es nicht, das Umkehrpapier wieder herzustellen. Da es für dieses Papier, das anders als die üblichen Negativpapiere reagiert, keine Anleitungen mehr gab was und wie damit umzugehen ist, bildete sich ein Arbeitskreis um die Wiener Fotografin und Lehrbeauftragte Annegret Kohlmayer an der Höheren Graphischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt in Wien. Sie begleitet das Projekt Imago 1:1 seit dem Jahre 2006 und hat in vielen Projekten und mit unterschiedlichsten Methoden den Prozess und die Wirkungsweise dieses speziellen Papiers erarbeitet um den Anwendungsbereich zu vergrößern. In Arbeitskreisen gemeinsam mit ihren StudentInnen wird monatelang experimentiert. Die Faszination für dieses Material ergibt sich einerseits durch die Unmittelbarkeit, rasch ein sichtbares Ergebnis zu haben und andererseits durch das Wissen, dass man es mit einer Unikatfotografie zu tun hat.

Man hat die Wahlmöglichkeit zwischen einer rein grafischen, kontrastreichen Wiedergabe oder der alten Technik „der unterschwelligen Vorbelichtung“, mit der man exzellente Grauabstufungen vom tiefsten Schwarz bis zum Weiß erreicht.

Technische Parameter:
Empfindlichkeit: ISO 3/6°
Anwendungsgebiete:
– Lochkameras in unterschiedlichsten Größen und Formaten
– Als Filmersatz für Großformatkameras
– Fotogramme
Verarbeitung: normale SW-Positiventwicklung mit Entwickler, Stoppbad, Fixierung und Wässerung
Dunkelkammerlicht: Safelight Ilford 915

Das Silber Gelatine Umkehrpapier ist nun ein Gemeinschaftsprodukt von ILFORD Switzerland und HARMAN Technology. Das Papier wird als Blattware in den unterschiedlichsten Größen angeboten und auch als Rollenware in einer Breite von 127 cm
Baryt double weight
RC semi matte (pearl)
RC glossy

 

Fotos von Arbeiten, entstanden mit der IMAGO1:1

Arbeiten, entstanden mit der IMAGO1:1

 
Fazit:
In all den Jahren der Entwicklungsarbeit und für all die daran beteiligten stand erklärtermaßen nicht der Profit im Vordergrund. Im Gegenteil. Keiner konnte wissen ob dieses, im digitalen Zeitalter der Fotografie „überflüssig“ gewordene fotografische Papier jemals außerhalb der IMAGO1:1 auf Interesse stoßen wird. Aber alle haben daran weiter gearbeitet weil sie sich sicher sind, dass das industriell hergestellte Unikatsverfahren der Fotoindustrie zu Unrecht dem Boom der Digitalen Welt zum Opfer gefallen ist und es eine Anstrengung außerhalb wirtschaftlichen Denkens lohnt dieses Verfahren wieder ins Leben zurück zu holen.

Das war 2006. Heute, 5 Jahre später ist die Diskussion um das Unikat bereits in vollem Gange. Und dieses Umkehrpapier nicht mehr das einzige wieder belebte Unikatsverfahren. Es ist erkennbar, dass es heute wieder einen Markt für das UNIKAT, das „Eine“ gibt. Sammler aus aller Welt, Künstler, Profi- und Amateurfotografen, sowie Schüler und Studenten sollen davon profitieren.

07.03.2010

Susanna Kraus
 

(thoMas)