Claude Cahun: Que me veux-tu? (Was willst du von mir?), Doppel-Selbstporträt, 1929 Die Ausstellung Subversion der Bilder – Surrealismus, Fotografie und Film (27.2. – 23.5.2010) im Fotomuseum Winterthur will ausführlich die Offenheit, Vielfältigkeit und Experimentierlust, mit denen die Surrealisten die Fotografie eingesetzt haben, demonstrieren und diskutieren:

Presseinformation vom Fotomuseum Winterthur:

27.02.-23.05.2010

Subversion der Bilder – Surrealismus, Fotografie und Film

Fotomuseum Winterthur
(Halle, Galerie und Sammlungsräume)

Vernissage: Freitag, 26. Februar 2009
 

Foto

Roger Livet: Une regrettable affaire (Eine bedauerliche Affäre), ca. 1947, aus dem gleichnamigen Album mit 19 Fotografien, entstanden anlässlich der Überarbeitung des Films Fleurs meurtries (Versehrte Blumen) (ca. 1929); Vintage Silbergelatine-Abzug, 22,3×28,1 cm; Centre Pompidou, Musée National d’art moderne, Paris © J.-E. Livet

 
Das Fotomuseum Winterthur präsentiert vom 27. Februar bis 23. Mai 2010 mit der Ausstellung Subversion der Bilder – Surrealismus, Fotografie und Film eine außergewöhnlich reichhaltige Übersicht der surrealistischen Fotografie. Die Ausstellung umfasst mehr als 400 Fotografien, Filme und Dokumente: von den berühmtesten Fotografien von Man Ray, Hans Bellmer, Claude Cahun, Raoul Ubac, Jacques-André Boiffard und Maurice Tabard hin zu unbekannten Bildern, zu Magazinpublikationen, Künstlerbüchern, Werbung, zur Faszination für das „rohe, vorgefundene Dokument“, zu Automatenfotos und Gruppenbildern der Surrealisten. Die Ausstellung gibt ebenfalls Gelegenheit, die weniger bekannten fotografischen Werke von Paul Eluard, André Breton, Antonin Artaud oder George Hugnet, die fotografischen Spiele von Leo Malet oder Figuren wie Artür Harfaux oder Benjamin Fondane zu entdecken. Mehr als 20 Jahre nach der letzten großen Aufarbeitung, „L’amour fou – Photography & Surrealism“ (1985) von Rosalind Krauss und Jane Livingstone, demonstriert und diskutiert die Ausstellung Subversion der Bilder – Surrealismus, Fotografie und Film ausführlich die Offenheit, Vielfältigkeit und Experimentierlust, mit denen die Surrealisten die Fotografie eingesetzt haben.
 

Foto Eli Lotar, Germaine Krull

Eli Lotar, Germaine Krull: Sans titre (Ohne Titel), ca. 1930; Vintage Silbergelatine-Glasplatte, 9×12 cm Centre Pompidou, Musée national d’art moderne, Paris. Geschenk von Anne-Marie und Jean-Pierre Marchand; © RMN / Museum Folkwang, Essen

 
Die surrealistische Formensprache hat schon lange den Weg über Mode, Werbung, Medien in den Alltag gefunden. Unter dem Begriff Surrealismus wird heute alles vereint, was magisch, traumhaft verspielt und unergründlich daherkommt. Dabei wird oft vergessen, dass die Surrealisten eine Gruppe von Künstlern und Schriftstellern waren, die sehr pointiert auf Weltveränderung und Selbsterkenntnis hinwirkten und auch gesellschaftspolitische Fragen kritisch reflektierten. Die surrealistische Avantgarde verstand sich als revolutionäre Gegenbewegung zum bürgerlichen Wertesystem. Mit neuen Bildfindungen wurden das Dasein in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und vor dem Zweiten Weltkrieg, also in einer Zeit grosser gesellschaftlicher und politischer Instabilität, hinterfragt und mit verschiedenen künstlerischen Strategien eingespielte Sicht- und Denkweisen dekonstruiert. Fotografie schien dabei als bevorzugtes Medium den Bedürfnissen der Surrealisten am meisten zu entsprechen.
 

Claude Cahun: Que me veux-tu? (Was willst du von mir?), Doppel-Selbstporträt, 1929

Claude Cahun: Que me veux-tu? (Was willst du von mir?), Doppel-Selbstporträt, 1929; Vintage Silbergelatine-Abzug, 18 x 23 cm Privatsammlung. © Estate of Claude Cahun, Foto: Philippe Migeat

 
Der erste Teil der Ausstellung, L’action collective, zeigt, wie die Surrealisten durch die Fotografie zu einer Einheit verschmolzen; wie sehr sie ihre gemeinsame Identität aufgebaut haben, indem sie sich über die Regeln des fotografischen Gruppenporträts hinwegsetzten. Von Amateur-Sketchen über die Erotik im Stil von de Sade bis hin zum Absurden Theater untersucht Le théâtre sans raison in einem zweiten Teil, wie die Surrealisten das Medium Fotografie nutzten, um improvisierte oder sorgfältig inszenierte, immer jedoch für das Objektiv geschaffene Situationen aufzunehmen. Im dritten Teil wird der Wert der Fotografie als Dokumentation eines Tatbestandes hinterfragt; ihre Fähigkeit, die Manifestationen des Wunderbaren, denen man auf ziellosen urbanen Streifzügen begegnet, festzuhalten. La table de montage fasst die unterschiedlichen Techniken zusammen, mit deren Hilfe die Bilder zusammengefügt wurden: Fotomontage, cadavres exquis, Cubomania, Scrapbooks, Filmmontagen, synoptische Bilder und so weiter. In Le modèle intérieur geht es um die Art und Weise, wie die surrealistischen Fotografen die Vorstellung plastisch und thematisch umsetzten, die Breton zum Paradigma der surrealistischen Kreation erkoren hatte. Die Fotografie diente den Surrealisten auch dazu, ihre Schaulust zu befriedigen, die formal in der doppelten Bewegung des Zuschneidens und der Scharfeinstellung sowie dem verschwenderischen Einsatz der Großaufnahme zum Ausdruck kam. In Anatomie de l’image, wird eine Bestandsaufnahme der verschiedenen Techniken vorgenommen, die der surrealistischen Bewegung nahestehende Fotografen entwickelt haben, um den fotografischen Realismus wie einen Handschuh umzudrehen und so eine dem Surrealismus eigene Bilderwelt zu erzeugen. Zum Schluss zeigt Du bon usage du surréalisme, wie sehr die surrealistischen Fotografen durch ihre Arbeit in der Werbe-, Mode- oder Verlagsbranche dazu beigetragen haben, den surrealistischen Geist in der Öffentlichkeit zu verbreiten.

Der Titel „Subversion der Bilder“, mit dem der belgische Surrealist Marcel Mariën eine Fotoserie von Paul Nougé überschrieben hatte, soll zum Nachdenken anregen. Für die Surrealisten bestand die Herausforderung wohl darin, die Bilder umzustürzen und auf diese Weise die Darstellungsformen zu verändern. Aber es geht ebenso – und vielleicht sogar vor allem – darum, durch das Bild umzustürzen, also die Gegebenheiten der Realität durcheinanderzubringen. „Durch die Kraft der Bilder“, schrieb Breton, „können sich im Laufe der Zeit die wahren Revolutionen vollziehen.“
 

Foto Man Ray: Sans titre (Ohne Titel), 1930

Man Ray: Sans titre (Ohne Titel), 1930, (oben: Georges und Yvette Malkine, unten: André de La Rivière, Robert Desnos, André Lasserre); Vintage Silbergelatine-Abzug, 9,3 x 8,5 cm Privatsammlung / Courtesy Galerie 1900- 2000. © Man Ray Trust / 2010, ProLitteris, Zürich

 
Die Überblicksausstellung wird vom Centre Pompidou in Paris organisiert und in Zusammenarbeit mit der Fundación Mapfre, Madrid, und dem Fotomuseum Winterthur gezeigt. Das Fotomuseum Winterthur ist die einzige deutschsprachige Station dieser Ausstellung.
Kuratoren sind Quentin Bajac, Clément Chéroux, Guillaume Le Gall, Philippe-Alain Michaud und Michel Poivert.

Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog (französisch mit deutschem Beiheft) erhältlich:
La Subversion des images – Surréalisme, Photographie, Film, Centre Pompidou, Paris, (Hg. Clément Chéroux, Quentin Bajac). Mit Essays von Quentin Bajac, Clément Chéroux, Guillaume Le Gall, Philippe-Alain Michaud und Michel Poivert und einer Chronologie von Emmanuelle Etchecopar-Etchart.
Hardcover, Format 25 x 30,7 cm, 480 Seiten, mit rund 500 Abbildungen.
Ergänzend dazu veröffentlicht das Fotomuseum Winterthur alle Essays und die Chronologie in deutscher Sprache in Form eines gebundenen Beihefts. 68 Seiten, ohne Abbildungen.
Preis Katalog und Beiheft: CHF 79.-

 
 
Siehe auch:
27.02.2010 – 23.05.2010: Subversion der Bilder (Fotomuseum Winterthur)
Subversion der Bilder – Surrealismus, Fotografie und Film; Fotomuseum Winterthur, Schweiz (in Termine)
 
 
Ausstellung:

Fotomuseum Winterthur
Grüzenstrasse 44 + 45
CH-8400 Winterthur (Zürich)
Telefon +41 52 234 10 60
Infoline +41 52 234 10 34
Fax + 41 52 233 60 97

Öffnungszeiten Ausstellungen:
Dienstag bis Sonntag 11-18 Uhr, Mittwoch 11-20 Uhr, Montag geschlossen
Öffnungszeiten an Feiertagen:
Karfreitag, 2. April, Pfingstmontag, 24. Mai, 25. Dezember und 1. Januar geschlossen; 24. und 31. Dezember bis 16 Uhr; 2. Januar, Ostern und Ostermontag, 1. Mai, Auffahrt, Pfingsten, 1. August und 26. Dezember geöffnet.
 

(thoMas)
 

Foto Maurice Tabard: Essay für einen Film. Culte Vaudou (Voodookult), 1937

Maurice Tabard: Essay für einen Film. Culte Vaudou (Voodookult), 1937; Vintage Silbergelatine-Abzug (Solarisation) mit rot/oranger Farbfolie, 22,7 x 16,9 cm Centre Pompidou, Musée national d’art