… so ist ein Kapitel in Scott Kelbys Band Das Digitale Fotografie Buch – Band 3 überschrieben – und diese Wahrheit hat es in sich

Auf den Titel sind wir zunächst bei Spiegel Online gestoßen; bei Addison-Wesley dann findet sich just dieses Kapitel als Leseprobe. Erschreckend ist die Häufung an sachlichen Fehlern und sprachlichen Schlampereien in beiden, nahezu wortgleichen, Texten. Beispiele gefällig? Bitte sehr:

Titel von Das Digitale Fotografie Buch - Band 3

Fischaugenobjektive verzerren die Horizontlinie im Bild. Die minimalste Verzerrung erzielen Sie, wenn Sie das Objektiv direkt vor den Körper halten …

Gemeint ist hier wohl: die geringste Verzerrung zeigt sich dann, wenn die Horizontlinie direkt durch die Bildmitte verläuft.

Wenn Sie Innenaufnahmen ohne Blitz machen wollen (z.B. in einer Kirche, einem Museum oder dort, wo der Einsatz eines Stativs nicht erlaubt ist), brauchen Sie ein richtig lichtstarkes Objektiv (mit Blendenwerten wie f/1,8 oder noch besser f/1,4; je kleiner die Zahl, desto weniger Licht ist nötig).

Kein Wort an dieser Stelle zum Thema Bildstabilisator oder zur möglichen Wahl einer höheren Empfindlichkeit – beides durchaus Möglichkeiten, die u.U. das lichtstarke und teuere Objektiv obsolet machen können. Kein Wort auch zur geringen Schärfentiefe bei Offenblende; diesem interessanten Gestaltungsmittel.

… super Weitwinkelobjektiv …

Gemeint ist hier nicht ein besonders gutes Weitwinkel, sondern ein Superweitwinkel.

Wir bezeichnen dieses Objektiv als »langes Glas« (weil es meistens wirklich sehr lang ist).

Sie können mit einer sehr kleinen Blende auch unter schwachen Lichtbedingungen fotografieren und Bewegungen einfrieren …

… bei nettem Sonnenlicht …

Lange Tüte, lichtstarkes Objektiv, heller Sonnenschein … träfen es wohl besser. Übersetzungsschlampigkeiten, die sich nicht nur hier des Öfteren eingeschlichen haben.

Digitalkamera vs. Vollformat-Objektiv

Ich wusste bislang noch gar nicht, dass das Gegensätze sind. (Im Original heißt es richtig: Zoomed vs. Full-Frame Lenses.)

Wenn Sie beispielsweise ein herkömmliches 85-mm-Objektiv mit einer Digitalkamera verwenden, dann sind es nicht wirklich 85 mm.

Nicht? Was dann? 105 mm? 45 mm? Mit einem Satz wird hier die optische Physik mal eben neu definiert – Respekt! Auch war mir bis dato nicht klar, dass eine Digitalkamera in der Lage ist, die Brennweite eines Objektivs zu ändern. Sensationell.

Wenn Sie ein Objektiv, das für eine herkömmliche Digitalkamera gedacht war (und das ist bei den meisten der Fall) auf eine Vollformat-Kamera schrauben, wird »gezoomt«.

Wie bitte? Nix verstehn. (Mal ganz davon abgesehen, dass ich schon lange keine Objektive mehr „schraube“ – das war mal, in den lange zurückliegenden M42-Zeiten.) Der Sachverhalt ist zwar auch im englischen Original nicht ganz sauber ausformuliert, aber doch so weit, dass man sich dort zusammenreimen kann, was hier gemeint ist: Wird ein Objektiv, das für den Bildkreis des APS-C-Sensors gerechnet wurde, an eine Kleinbild-Vollformatkamera angesetzt, dann schaltet die automatisch auf eine kleinere Sensorfläche um – der erfasste Bildwinkel wird geringer, der Bildauschnitt knapper.

Auch an anderen entscheidenden Stellen ist die Übersetzung ungenau auf Kosten der Aussage. Im Objektivkapitel etwa schreibt Scott Kelby jeweils an den Schluss: I GRAB THIS LENS FIRST WHEN… – im deutschen Text steht aber: DIESES OBJEKTIV NEHME ICH, WENN … Während also Scott Kelby zunächst einmal nach diesem Objektiv greift (aber andere damit nicht aus-, sondern einschließt), bekommt die deutsche Übersetzung eine Absolutheit, die der Autor so nie formuliert hat.

Jenes Kapitel, das von der englischen Originalausgabe online gestellt worden ist, macht einen wesentlich besseren Eindruck als die deutsche Version: Knappe handfeste Tipps, brauchbar, verständlich und sachlich richtig.

Bleibt festzuhalten: Scott Kelbys Buch ist im englischen Original in der Summe durchaus brauchbar und hilfreich – was aber leider für die deutsche Übersetzung nicht gilt. Die wird Herrn Kelby nicht annähernd gerecht. Das hatten wir schon einmal zu bemängeln: Rezension: „Das Digitale Fotografie Buch“ von Scott Kelby.
 
 
Scott Kelby
Das Digitale Fotografie Buch – Band 3 (bei amazon.de)
246 Seiten, komplett 4-farbig, Bilderdruck
ISBN: 978-3-8273-2827-4
19,95 Euro

Empfehlenswerter ist das englische Original:

Scott Kelby
The Digital Photography Book, Volume 3 (bei amazon.de)
ISBN 978-0-3216-1765-1
15,95 Euro
 

(thoMas)