Die Frankfurter Fotografin Barbara Klemm, die gestern ihren 70sten feierte, erhält den mit 50.000 Euro dotierten Max-Beckmann-Preis. Damit wird dieser bedeutende Kulturpreis zum ersten Mal an eine Fotografin vergeben:
Mitteilung vom Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main:
22.12.2009
„Eine der bedeutendsten Fotografinnen und Künstlerin von Rang“
Barbara Klemm erhält den Max-Beckmann-Preis
Den Max-Beckmann-Preis 2010 wird die Frankfurter Fotografin Barbara Klemm erhalten. Das hat das Kuratorium unter Vorsitz von Oberbürgermeisterin Petra Roth beschlossen. Der mit 50.000 Euro dotierte Preis wird alle drei Jahre zum Geburtstag von Beckmann am 12. Februar verliehen, um damit an den wichtigsten Vertreter des deutschen Expressionismus zu erinnern. Der Maler hat in den Jahren von 1925 bis 1933 in Frankfurt als Künstler und Lehrer an der Städelschule gearbeitet.
Mit Barbara Klemm erhält zum ersten Mal eine Fotografin diesen bedeutenden Kulturpreis und erst zum zweiten Mal nach Maria Lassnig (2004) eine Frau. Die Jury würdigt mit ihrer Entscheidung das Lebenswerk von Barbara Klemm „als einer der bedeutendsten Fotografinnen, einer großen Dokumentaristin und einer Künstlerin von Rang“. Barbara Klemm habe mit ihren Fotografien die Geschichte der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts dokumentiert und oft entscheidende historische Momente sehr verdichtet festgehalten, heißt es in der Begründung. Die Fotografin verbinde die dokumentarische Arbeit der Journalistin mit dem gestaltenden Blick der Künstlerin. Bei ihren Bildkompositionen folge sie den Regeln der gestaltenden Kunst.
In den berühmten Bildern von Willy Brandt, Leonid Breschnew, Helmut Schmidt und vielen anderen schimmere in politisch dramatischen Situationen auch das Private dieser großen Persönlichkeiten durch. Deshalb zählten diese Fotografien zu Recht als Ikonen zum fotografischen Gedächtnis der bundesrepublikanischen Gesellschaft, erläutert die Jury.
Das fotografische Werk von Barbara Klemm ist nahezu unüberschaubar rund eine Million Negative lagern allein in den Archiven der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, für die sie rund 45 Jahre lang auf Motivsuche war. Mit ihren ersten Reportagen dokumentierte sie die Studentenunruhen Ende der sechziger Jahre mit eindringlichen Bildern. Die Fotografien von Straßenkämpfen im Frankfurter Westend oder von Polizeieinsätzen an der Universität und im Institut für Sozialforschung sind bis heute präsent. Mit ihren durchweg in schwarz-weiß realisierten Bildern deckt Klemm ein weites Spektrum der journalistischen Fotografie ab von klassischen Reportagefotos über Künstlerporträts, zeithistorische Momentaufnahmen bis zu Reisedokumentationen aus aller Welt.
Barbara Klemm wurde 1939 in Münster geboren und wuchs in Karlsruhe auf. Ihr Vater, der Maler Fritz Klemm, weckte ihr Interesse an der Fotografie. 1955 begann sie in einem Karlsruher Porträtatelier eine Fotografenlehre, die sie 1958 mit der Gesellenprüfung abschloss. 1959 begann sie im Labor der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, wo sie schnell wieder als Redaktionsfotografin hinter die Kamera wechselte. Klemm ist Mitglied der Akademie der Künste (Berlin) und Honorarprofessorin an der Fachhochschule Darmstadt. Ihre Arbeiten wurden und werden in vielen Ausstellungen und Museen gezeigt und sind in zahlreichen Sammlungen vertreten.
Dem Kuratorium des Max-Beckmann-Preises gehören an: Oberbürgermeisterin Petra Roth, als Vorsitzende, der Vorsteher der Stadtverordnetenversammlung Karl-Heinz Bührmann, die Vorsitzende des Kulturausschusses, Alexandra Prinzessin von Hannover, Kulturdezernent Prof. Felix Semmelroth, der Direktor des Städelschen Kunstinstitus Max Hollein, der Leiter des Frankfurter Kunstvereins Holger Kube Ventura, der Maler und Graphiker Prof. Heiner Blum, der Bildhauer Wolfgang Winter, der Leiter des Deutschen Architekturmuseums Peter Cachola Schmal und der Kunstkritiker Niklas Maak. Zu den bisherigen Preisträgern zählen unter anderem Arnulf Rainer (1981), Willem de Kooning (1984), Bruce Naumann (1990), Ilya Kabakov (1993), Pierre de Meuron (1996) und Richard Hamilton (2007).
Ergänzend dazu sei auf die derzeit laufende Ausstellung in Berlin hingewiesen:
Öffnung des Brandenburger Tors, Berlin, 22. Dezember 1989; © Barbara Klemm
Der Freundeskreis Willy-Brandt-Haus e.V. und das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) zeigen noch bis 15.01.2010 die Ausstellung „Helldunkel. Fotografien aus Deutschland“ von Barbara Klemm. Arbeiten aus vierzig Jahren (1968-2008), so die Veranstalter, „geben Zeugnis der historischen Entwicklung und der Gegenwart in einem jahrzehntelang geteilten Land.“
Leonid Breschnew, Willy Brandt, Bonn, 1973; © Barbara Klemm
Siehe auch:
Barbara Klemm wird 70 (FAZ.NET)
(thoMas)
Barbara Klemm
Danke für die Information.
Und herzlichen Glückwunsch an Frau Klemm. Sie war für mich einer der Gründe, die FaZ zu kaufen…
Preis
Vielen Dank für den Bericht und das schöne Foto, dieses Bild zierte schon einmal das Plakat einer BK-Ausstellung, ich glaube, es war das Folkwang in Essen oder ein Museum in Köln. Egal – der Fotograf links im Bild, vermutlich stern oder dpa, hat auch das typische Fotogerät der Siebziger Jahre dabei: Eine F2 mit Weitwinkel am Auge, um den Hals die Nikon F mit dem Zweihunderter, eine weitere F mit dem sauscharfen 105-er. In diesem Zeitraum gaben die Fotografen ihre Leicas in Zahlung und standen auf der Nikon-Warteliste für die F2, vor allem die erst 1973 lieferbare F2S mit Leuchtdioden erwies sich als großer Fortschritt. Rechts im Bild ist der Außenminister Scheel zu sehen. Aufregende Zeiten!
Um solche Fotos zu machen,
Um solche Fotos zu machen, wie Barbara Klemm sie macht, braucht man viel mehr als eine Nikon mit dem
„sauscharfen” Objektiv. Ihre Fotos zeichnen sich durch sichere Komposition und ein gutes Gefühl für „den entscheidenden Moment” aus. Für den Erwerb solcher Kompetenzen gibt es wahrscheinlich keine Wartelisten.
Bodenständige Fotografie
von der feineren Sorte. Gibt’s nicht überall – und immer seltener.