Mit dem Abverkauf der letzten Pradovit-Diaprojektoren der Leica Camera AG steht eine über 50-jährige Markengeschichte vor einem grundlegenden Umbruch: In Zukunft werden von dem Solmser Unternehmen wohl nur noch digitale Projektoren unter dem traditionellen Namen „Pradovit“ vermarktet:
Wer heute nach dem Namen Pradovit sucht, findet in der Hauptsache Informationen zum digitalen Projektor Pradovit D-1200, den Leica aus einer Zusammenarbeit mit dem norwegischen Projektorenhersteller projectiondesign as bezieht. Über die analogen Projektoren finden sich auf der Seite von Leica Camera keine Informationen mehr.
Mit dem Verkauf der Leica Projektion GmbH Zett Geräte in Braunschweig im Jahre 2004 war auch die Produktion der Diaprojektoren in der Saarbrückener Straße 263 eingestellt worden. Die vorhandenen Fertiggeräte, Werkzeuge und Ersatzteile wurden vor dem Verkauf von der Leica Camera übernommen.
Der erste Pradovit-Kleinbilddiaprojektor der damaligen Ernst Leitz GmbH kam im Jahr 1958 auf den Markt. Mit diesem Modell wurde erstmals das von Leitz entwickelte Stangenmagazin eingesetzt, das später unter dem Namen „Einheitsmagazin“ bekannt wurde. Als Lichtquelle kamen in den ersten Pradovit-Projektoren noch Lampen zum Einsatz, die mit Netzspannung von 110 oder 220 V arbeiteten. 1960 wurden dann erstmals Niedervoltlampen für 12 V eingesetzt. Seit den 1966 und 1968 eingeführten Modellen Pradovit Color (A = Autofokus) und Pradovit Color 250 wurden dann alle Kleinbildprojektoren mit den noch heute erhältlichen 24 V Niederspannungslampen mit 150, bzw. 250 Watt Leistung ausgerüstet.
Waren die ersten Modelle noch mit einem Vollmetallgehäuse ausgestattet, so verfügte der seit 1971 produzierte Pradovit TA über ein Gehäuse aus schlagzähem, teilweise mit Glasfaser verstärktem Kunststoff. Als Ergänzung zur nie produzierten Leica 110 Pocketkamera vorgesehen, folgte 1974 mit dem Pradovit Color 110 der einzige Pradovit-Diaprojektor, der nicht für Kleinbild ausgelegt war. Ausgestattet mit einem Rundmagazin für 60 Pocket-Dias gab es diesen Projektor in ähnlicher Ausführung von Agfa, Liesegang und Kindermann. Auf der Technik von Kindermann bauten auch die seit 1976 produzierten kleinen Leitz-Projektoren Pradovit R 150 und RA 150 auf, die 1982 vom Pradovit R 152 und RA 152 abgelöst wurden. Neben den traditionellen Leitz Stangenmagazinen konnten diese Projektoren auch die neuen LKM-Magazine für 60/80 Dias nutzen, die anfänglich „Leitz Kompakt“ benannt waren und später in der Serie wegen der Kindermann-Kooperation als „Leitz-Kindermann-Magazin“ bezeichnet wurden.
Die seit 1984 produzierten Modelle Pradovit 153 (150 W) und 253 (250 W) waren dann wie die entsprechenden Kindermann-Projektoren dieser Generation sowohl mit den LKM- und den Einheitsmagazinen, als auch mit den von Agfa entwickelten und später von Reflecta weitergeführten CS-Magazinen verwendbar.
Hatte Leitz die Pradovit mit Kunststoffgehäuse seit 1976 aus der Zusammenarbeit mit Kindermann bezogen, so waren die von Leitz selbst produzierten Projektoren der Pradovit-C-Reihe seit 1978 mit einem Aluminium-Druckgussgehäuse ausgestattet. Als Besonderheit verfügte diese Projektorenreihe, die es in zwei Leistungsklassen (1500 und 2500) und sowohl mit (CA) als auch ohne Autofokus (C) gab, über eine auf 0,4 Sekunden verkürzte Dunkelpause beim Bildwechsel. Mit dem seit 1983 lieferbaren Pradovit CA 2502 konnten auch LKM-Magazine in den großen Pradovits genutzt werden. Als Pradovit Color 2 brachte Leitz 1986 eine neue Version dieses Projektors mit einigen Detailverbesserungen, beispielsweise beim Autofokus, heraus. Warum man bei der Namensgebung von der bisherigen Struktur abwich, ist nicht nachvollziehbar. Ab 1990 verzichtete man bei den Projektoren für etwa drei Jahre sogar vollständig auf die Marke Pradovit und nutzte die Dachmarke Leica mit dem Zusatz “P auch für die Projektoren. Bei den von Kindermann bezogenen Geräten der Reihen 153 und 253 und dem Leica P 2000 aus dem Jahre 1991, dem Nachfolger des Pradovit Color 2, stand der Name Pradovit noch als „Untertitel“ unter dem Produktnamen. Der letzte Projektor dieser Bauform war der 1993 wieder unter dem alten Projektorennamen Pradovit geführte Pradovit P 2002.
Im Jahre 1990 begann Leitz mit der Übernahme des Zett-Gerätewerks in Braunschweig die Umstellung auf ein vollständig neues Projektorenprogramm. Das Braunschweiger Werk geht zurück auf den Fabrikanten Erich Zillmer, der 1928 mit dem Projektorenbau begann. Ohne eigene Nachkommen verkaufte er das Werk 1964 und brachte einen Teil des Erlöses in die Erich-Zillmer-Stiftung ein, die sich noch heute um die Unterstützung des Ingenieur-Nachwuchses kümmert. Nach anderen Informationen soll der Verkauf schon im Jahre 1956 erfolgt sein. Käufer war die Voigtländer AG, von der es 1969 an die Zeiss Ikon überging. In den Spitzenzeiten sollen jährlich über 100.000 Projektoren das Werk verlassen haben. Mit dem Ende der Kameraproduktion bei Zeiss Ikon 1972 stand auch das Projektorenwerk zur Stilllegung an. Im Gegensatz zu der in Braunschweig konzentrierten Optikfertigung von Zeiss Ikon / Voigtländer, die als „Voigtländer Optische Werke“ an die Rollei-Werke angehängt wurde (Gesellschafter waren neben den Rollei-Werken auch Carl Zeiss und die damals gewerkschaftseigene Bank für Gemeinwirtschaft), konnte das Zett Gerätewerk in der Zeiss Ikon AG weitergeführt werden. Im Jahre 1989 verkaufte Carl Zeiss die Zeiss Ikon AG dann an das finnische Unternehmen Abloy OY (Wärtsilla-Konzern). Seitdem firmiert der Hersteller unter der Bezeichnung IKON AG und wurde später in den finnisch-schwedischen Assa-Abloy-Konzern eingegliedert.
Da die Skandinavier jedoch nur an der Ikon-Schließtechnik interessiert waren, und nicht am Zett Gerätewerk, reichten sie das Werk, das neben den inzwischen unter dem Namen ZETT vertriebenen Projektoren auch den Hasselblad-Projektor und die Schott-Kaltlichtleuchten produzierte, an die Leica GmbH weiter, wo es als Leica Projektion GmbH Zett Gerätewerk geführt wurde. Der Vertrieb des Zett-Projektoren-Programms lief noch einige Jahre parallel weiter. Leica bediente sich jedoch zunehmend aus den vorhandenen Konstruktionen und entwickelte die Leica-P-Projektorenreihe, für die eine neue Objektivserie mit dem Namenszusatz P2 aufgelegt wurde. Die neuen Projektoren, die ab 1990 auf den Markt kamen, nannten sich Leica P 150, P155, P 255. Ab 1993 kehrte man dann wieder zum Namen Pradovit zurück. Die Projektoren hießen jetzt Pradovit P 150 und P300. Hatte man sich bisher bei den Spitzenprojektoren noch auf die alte Leitz-Konstruktion verlassen, wurde ab 1995 das Baumuster der Zett-Royal-Projektoren als Pradovit P 600 fortgeführt.
Waren die Projektoren mit dem Einheitsmagazin bei Privatanwendern in Europa beliebt, so setzten professionelle Anwender und der amerikanische Markt auf die Kodak Projektoren mit Rundmagazin. Diesen Anforderungen kam Leitz in der Vergangenheit mit einem von Singer bezogenen Rundmagazin-Projektor nach; Leica Projektion dann ab 1998 mit den Pradovit-RT-Modellen, die auf den Kodak-Ektagraphic Projektoren basierten. Für diese Projektoren, die über den von Kodak bekannten Objektivdurchmesser von 52 mm verfügten, wurde wiederum eine neue Objektivserie mit dem Namenszusatz „PRO“ aufgelegt. Mit der Abkündigung der Kodak Diaprojektoren kam auch das Ende für die Leica-Abkömmlinge.
Aus der Braunschweiger Fertigung kamen 2003 dann noch die Modelle Pradovit IR und Pradovit PC mit serieller Schnittstelle hinzu.
Mit dem Pradovit PC geht die Geschichte der Pradovit Diaprojektoren nun zu Ende. Die Restbestände bei der Leica Camera AG sind verkauft und bei Leica in Portugal werden jetzt noch die letzten fehlenden Projektionsobjektive hergestellt. Die letzte Charge der Pradovit PC Projektoren hat Atelier Rieter in Walshut-Tiengen im Angebot.
Die Leica Projektion GmbH wurde schon 2004 in Zett Optics GmbH umbenannt und an eine von der Münchener Allegra Capital beratene Besitzgesellschaft verkauft. 2008 wurden die Zett Optics an Ventizz Capital Fund IV, L.P. weitergereicht. Das Braunschweiger Unternehmen konzentriert sich heute mit etwa 50 Mitarbeitern auf sein lichttechnisches Know-how und hat mit der Produktion von Diaprojektoren nichts mehr zu tun.
(CJ)
Merci vielmals!
Sehr schöner Artikel mit vielen interessanten Details.
OhWeh
Leica-Diaprojektoren!
Und wann gehen die Leicas M7 und MP “über die Wupper”?
Frage zu Leica-Projektoren
Schade; war aber absehbar.
Frage: Wer repariert denn jetzt noch die Leica-Projektoren?
Auch die älteren vom Schlage eines P2000?
Traurig was aus der
Traurig was aus der Braunschweiger Fotoindustrie geworden. In keiner Stadt der Welt wurden so viele verschiedene Markenprodukte der Fotografie hergestellt, wie in Braunschweig.
Fröhliche Weihnachten!
Wieso Braunschweig?
Warum Braunschweig, dass verstehe ich nun nicht so recht.
!
was für ein erbärmliches Bild für Leica!
Erbärmlich?!
Was ist den daran erbärmlich, wenn niemand mehr Diaprojektoren kaufen möchte.
Erbärmlich ist lediglich ihr Kommentar.
Aus auch durch Umweltbestimmungen?
Schöner Artikel. Hierzu noch eine Nachfrage:
Meinen letzten Leica Projektor (IR) habe ich 2004 gekauft. Damals sagte mir mein Fotohändler (Fachgeschäft für Diaprojektion) schon, dass Leica aus der Produktion aussteigen wird. Grund sind EU-Umweltbestimmungen, insbesondere was eine Elektronikbauteile angeht (Schwermetalle). Eine Umstellung der Produktion würde sich bei den geringen Stückzahlen nicht mehr lohnen, so dass nur noch zu einem Abverkauf der letzten Geräte erfolgen würde.
Gibt es Informationen, ob dies ebenfalls ein Grund gewesen war?
RoHS, bleifreies Lot etc.
Mit der Einführung von RoHS und dem Verbot, bei der Herstellung von Consumer Produkten bleihaltiges Lot einzusetzen, war die Industrie gezwungen, zahlreiche Geräte neu zu konstruieren, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Dass sich dies für einen Nischenmarkt wie die Diaprojektoren kaum lohnt, wenn sich das Sortiement auch noch auf mehrere Produktlienen verteilt, ist durchaus einleuchtend.
Auch andere Hersteller mit Nischenprodukten haben sich als Konsequenz aus dem Consumer Markt zurückgezogen. Diese Tendenz dürfte sich in den nächsten Jahren noch verstärken, wenn die neu anstehenden Vorschriften verabschiedet werden. Viele Mittelständler haben kaum die Ressourcen, diese Entwicklung aktiv zu begleiten und werden dann von der Realität der anstehenden Marktüberwachung überrascht.