Landschaftsfotografie, Städte-Porträts, Reportage, Fotokunst – in unserer Dezember-Kolumne möchten wir Ihnen – es weihnachtet ja schon sehr – eine Vielzahl von Fotobüchern empfehlen. Und: eine besonders sehenswerte Ausstellung im Willy-Brandt-Haus in Berlin, wo Martin Roemers seine neue Serie „Relics of The Cold War“ zeigt:

Fotos: Mathias Bothor

Fotos: Mathias Bothor

Mathias Bothor, 1962 in Berlin geboren, man kennt ihn eigentlich mehr als Porträtfotografen. Eine Serie in der ZEIT, „Ich habe einen Traum – große Gesichter mit geschlossenen Augen“, machte ihn bekannt, für die er Prominente wie Salman Rushdie, Leonard Cohen oder Tom Hanks fotografierte. Doch noch ungesehener erscheinen seine Landschaftsbilder. Jetzt liegt ein im Mare Verlag erschienener Band über die Bretagne vor. Ein archaisches Land. Steinhäuser, gebeutelt von Stürmen und Winden, geprägt vom Atlantik: „Land am Meer“, nannten die Kelten die Bretagne.
 

Foto: Martin Roemers

Fotos: Martin Roemers

 
Die Spuren des Kalten Krieges, „Relics of The Cold War“ – das ist das Thema des neuen Buches des 1962 geborenen niederländischen Fotografen Martin Roemers. In Ost- und Westdeutschland, England, Belgien, den Niederlande, in Polen, der Ukraine und einigen anderen Ländern hat Roemers fotografiert, um all das sachlich (vielleicht etwas zu nüchtern) in Szene zu setzen, was uns als Mahnung für die Zukunft dienen kann: Tunnel, verlassene Schaltzentralen, zerbröselnde Kasernen, alte Panzer, Bunker, Baracken, Landebahnen, Truppenübungsplätze, zerschlagene Denkmäler – Objekte der Feindschaft zwischen den Ländern, Symbole einer kaum vergangenen Ära. Bis zum 15. Januar zeigt das Willy-Brandt-Haus in Berlin die sehenswerte Serie Roemers in einer Ausstellung.
 

Fotos: Pernilla Zetterman

Fotos: Pernilla Zetterman

 
„Behave“, so heißt das erste Buch der schwedischen Fotografin Pernilla Zetterman. Sie hat die hohe Kunst der Nüchternheit verfeinert. Eine Beißschiene dient ihr als Motiv, ein Bilderrahmen, von hinten fotografiert, ein Oberkörper in einem Pullover, die nackten Zehen der Großmutter, ein zerknülltes Tempo, ein paar Haare. Es ist der Alltag, das, was uns umgibt, den Zetterman ans Licht holt, perfekt ausleuchtet, hervorragend fotografiert. Ihr Ziel ist die Irritation – und die stellt sich beim Betrachten zweifellos ein.
 

Fotos: Vicki Topaz

Fotos: Vicki Topaz

 
Irritierend ist auch das bei Kehrer erschienene Fotobuch „Silent Nests“ von Vicki Topaz. In diesem versammelt die amerikanische Fotografin Schwarzweißfotografien französischer Taubenhäuser, von denen es in Frankreich vor der Revolution noch über 40000 gab. Heute gibt es noch etwa 1000 „Colombiers“, diese melancholischen, langsam verfallenden Taubenschläge: Chiffren für Vergänglichkeit. Stille Nester.

„Grenzfälle / Falling Barriers“ ist ein im Kerber-Verlag erschienenes Buch, das eine sehrFoto kurze Zeitspanne der deutschen Geschichte ins Blickfeld rückt. Sechs Fotografen dokumentieren die über 1500 Kilometer lange innerdeutsche Grenze von der Öffnung der Grenzanlagen 1989 bis zu ihrem Abbau im Jahr 1990 – ein einmaliges, erschreckendes Zeitdokument von Peter Leske, Gerhard Zwickert, Eberhard Klöppel, Bernd-Horst Sefzik, Heinz Dargelis und Werner Schulze.

Eines der besten Fotobücher, das wohl jemals über Rockmusik gemacht wurde, ist „Rockstars“ von Hannes Schmidt, soeben erschienen in der Edition Patrick Frey. Wir sehen Rock-und Poplegenden wie Queen, Motörhead, Kiss, AC/DC, ABBA, Blondie, Kraftwerk oder Depeche Mode, doch wie anders als üblich hat der 1946 geborene Schweizer Fotograf die Bands in den siebziger und frühen achtziger Jahren fotografiert. „Diese Fotografien sind das Gegenteil von Celebrity-Glanz, Glamour und der Vulgarität der Paparazzi …“, schreibt Gail Buckland über diese wundervollen Arbeiten.

Ein ebensolcher Mythos wie die Rockmusik ist die Stadt Los Angeles, der man jetzt im Taschen Verlag ein opulentes Buch gewidmet hat. Es ist eine Geschichte der „Stadt der Engel“ in über 500 Bildern, eine Sammlung historischer und aktueller Fotografien, welche die spannende Geschichte der Welthauptstadt der Unterhaltungsindustrie illustriert: Bilder anonymer Fotografen, aber auch so renommierter Bildautoren wie Julius Shulman oder Garry Winogrand.

Foto: Andreas Schmidt

Und noch ein spannendes Städte-Buch erscheint in diesen Tagen: „The City“ von Andreas Schmidt. In diesem führt der Fotograf das nächtliche London vor Augen. Doch nicht auf der Suche nach Schönheit ist er, sondern nach Pathos und Maßlosigkeit. Alles hier, all diese Architekturen, scheinen überdimensioniert und kalt. Kein Ort zum Bleiben.

„Menschen, Orte, Zeiten. Die Sammlung Fotografie am Deutschen Historischen Museum“ ist ein in der Edition Braus erschienener Band, der die große Fotosammlung des DHM umfassend vorstellt. Beim Blättern in dem gerade erschienenen Buch ist man fasziniert ob der Allianz, welche Geschichte und fotografische Poesie hier eingehen. 450 Arbeiten werden vorgestellt, ergänzt um ein Personenregister, Biografien, eine umfassende Bibliografie – und fundierte Texte der Sammlungskuratoren Dieter Vorsteher und Heike Hartmann. Es sind Bilder der Zeitgeschichte, aber auch des Alltagslebens, die hier versammelt sind, darunter veritable Ikonen der Fotografie, wie etwa Michael Ruetz’ Porträt Rudi Dutschkes aus dem Jahr 1967 – oder das Bild des Philosophen Herbert Marcuse im Audimax der Freien Universität Berlin, inmitten seiner Studenten. Doch auch ganz Unbekanntes ist in dem Band zu entdecken. Wundervoll etwa die „Stammtisch“-Serie, die der Berliner Peter Brüchmann in den siebziger Jahren fotografiert hat. Und so ist dieses Buch auch mehr als ein Blick in eine bedeutende Fotosammlung – es ist ein (hervorragend gedrucktes) Nachschlagewerk zur deutschen Fotografie des 20. Jahrhunderts.

Und noch ein letztes Buch wollen wir Ihnen in diesem Monat ans Herz legen. Auch dieses: ein Buch über Deutschland. Es stammt von Veit Mette, ist bei Kerber erschienen und trägt den Titel „Generation ÜÇ“. Das Thema des 1961 geborenen Bielefelder Fotografen ist die dritte Generation türkischer und kurdischer Migrantenfamilien – die „Generation üç“. Bilder der deutschen Wirklichkeit, Bilder von Jugendlichen. Mal zart, dann bitter. Bilder eines Spagats, den man „Integration“ nennt.

(Marc Peschke)