Foto der M9 von LeicaMit der M9 (5495 Euro) hat Leica (endlich auch) eine Kleinbild-Vollformatkamera mit 18-Megapixel-Sensor vorgestellt. Wir nähern uns dieser außergewöhnlichen Kamera – die je nach Standpunkt entweder als „völlig veraltet“ oder als „absolut zeitlos“ eingeordnet werden kann – in einem Praxistest:

Eingangs sei angemerkt, dass ich vorbelastet bin. Meine erste eigene Leica war eine M6; die wurde mir zunächst als Testgerät zur Verfügung gestellt – und ging nie wieder nach Solms zurück. Ich habe sie gekauft, geschätzt, und mit Begeisterung damit fotografiert. Sie war für mich ein perfektes Werkzeug, ohne Frage. Vor allem für Menschen, Reportage, für Available-Light und für Aufnahmen mit (extrem) geringer Schärfentiefe habe ich sie nur zu gerne benutzt. Mit dem Noctilux 1,0/50 mm etwa habe ich mir Aufnahmebereiche erschlossen, an die ich vordem nicht im Traum gedacht hätte. Sicher, das war zu Film-Zeiten, als hohe Empfindlichkeiten nicht mal eben so am Drehrad gewählt werden konnten oder sich automatisch einstellten (und nebenbei, viel schlechtere Ergebnisse zeigten), aber auch heute ist ein extrem lichtstarkes Objektiv nicht verkehrt. Nicht zuletzt auch der möglichen geringen Schärfentiefe wegen. Das hat was, und dazu ein wenig weiter unten noch mehr.
 

Foto: thoMas
 
 
Foto: thoMas

 
Das Kamera-Konzept

Kommen wir zur M9 (Einordnung, PR und Technische Daten hier: Im Kleinbild-Vollformat: Messsucherkamera Leica M9). Und fangen wir damit an, was die Kamera ganz sicher nicht ist: Eine Kamera für jedermann. Live View? Autofokus? Filmen? Programmautomatiken? Motivprogramme? Gesichtserkennung? … alles Fehlanzeige. Die M9 präsentiert sich als ein schwarzer Kasten, bei dem nach dem Einschalten scheinbar nichts passiert. Keine Monitorbildchen, keine Menüanzeigen, kein Gepiepse. Nichts. Scharfstellen, Bildausschnitt wählen, auslösen, fertig. Dann erst erwacht der Monitor zum Leben und zeigt das eben gemachte Foto an.

Menü der M9

Kurzcheck, ob Sie ein potentieller M9-Fotograf sind: Ja, wenn Sie das rechts abgebildete Infomenü als „übersichtlich und ausreichend“ bewerten – nein, wenn Ihnen das arg spartanisch vorkommt.

Skizze vom Messsucher der M9 von Leica

Schon der Messsucher ist so eine Sache für sich; ist ganz anders. Er zeigt ein großes Bildfeld (knapp größer als für 28 mm) und für die Brennweiten 28+90, 35+135 und 50+75 mm werden jeweils paarweise passende Leuchtrahmen eingeblendet, sowie ein Objektiv angesetzt wird. Man sieht also meistens mehr als nur den Bildausschnitt, den das Objektiv erfasst, was mir sehr entgegen kommt: Das Motiv bleibt in seinem Umfeld und das hilft mir bei allfälligen Entscheidungen, den Bildausschnitt vielleicht doch anders zu fassen, da ich auch das Andere, das bislang nicht Erfasste, sehe. Auch wenn Leica jetzt aufstöhnen dürfte angesichts des Konstruktionsaufwandes und der Genauigkeit dieses Messsuchers sei dieser Vergleich versucht: Er ist ein einfaches, helles Fenster in die Foto-Welt. Klar und deutlich sehe ich, was vor mir ist. Im Gegensatz zu Monitor und elektronischem Sucher zeigt er vieles nicht. Darunter ganz viele Daten, das annähernde Belichtungsergebnis, die Auswirkungen von Farbeffekten usw. … Er zeigt jedoch, anders auch als ein Prismensucher, mehr als die ansonsten (im besten Fall) 100 % des gewählten Motivausschnittes. Ich habe das Empfinden, dass solchermaßen mein Foto-Blick nicht begrenzt wird, sondern erweitert.
 

Foto: thoMas

 
Im Sucher wird nur die Verschlusszeit eingeblendet; automatisch ermittelt zur vorgewählten Blende. Bei manueller Belichtungseinstellung noch eine Lichtwaage zum Belichtungsabgleich (rotes Dreieck rechts oder links, roter Punkt, wenn‘s stimmt). Das war‘s an Daten. In der Mitte der Entfernungsmesser als Scharfstellhilfe. Geht recht flott und funktioniert sehr genau. Und auch hier: Einerseits etwas fürs eher bedächtige Fotografieren (wer‘s sehr schnell braucht, der wähle ein Weitwinkel samt kleiner Blendenöffnung, stelle vorab scharf und lasse den Rest die Schärfentiefe machen). Skizze der Leuchtrahmen im Messsucher der M9 von LeicaAndererseits eine sehr anschauliche Art des Scharfstellens. Wie sich die beiden Teilbilder decken oder schon nachgeführt werden wollen, wenn sich die Scharfstellung im Motiv um wenige Zentimeter oder, in weiter Ferne, Meter, ändert – das macht die Begriffe „Scharfstellen“ und Schärfentiefe immer wieder aufs Neue anschaulich und erinnert daran, dass auch das ein Gestaltungsmittel ist. Eines, das mit einer M9, und das nur am Rande, dank sehr lichtstarker (wiewohl auch teurer) Objektivlinien auch genutzt werden kann. Fast hatte ich angesichts so vieler kleiner Sensoren und elektronischer Sucher, die mir in letzter Zeit zuhauf begegnen, dieses Gestaltungsmittel ad acta gelegt. (Nur kurz dazu: Kleine Sensoren = kurze Brennweiten = große Schärfentiefe – eine Digitalkompakte etwa erlaubt exakt null Spiel mit der Schärfentiefe, aber auch da, wo 25 mm oder 35 mm die Normalbrennweite definieren, bleiben die Möglichkeiten eingeschränkt, zumal dann, wenn wirklich lichtstarke Objektive besser als 2,8 fehlen.)

Wobei hier eingeworfen sei, dass ein Messsucher keine Schärfentiefe darstellen kann (ein Prismensucher, bzw. genauer: eine Mattscheibe, und ein Monitor können das annähernd) – der M-Fotograf muss aus der Erfahrung lernen, das Motiv „im Voraus zu visualisieren“, will heißen, sich die Schärfentiefe vorzustellen, wobei die notwendige Erfahrung in digitalen Zeiten recht schnell kommt, da das Bild auf dem kleinen Monitor der Kamera unmittelbar und zuhause auf dem großen anschaulich sichtbar wird. Weiterhin sind Belichtungs- wie Entfernungsmessung der M9 zentral angeordnet: Beide Messfelder finden sich in Suchermitte – die Messungen und die Wahl des Bildausschnitts wollen also getrennt sein. Das geht dem M-affinen Fotografen überraschend flott und ohne großes Nachdenken von der Hand, wird die anderen jedoch enervieren. (Ich schätze diese „Umstände“ sehr, weil ich die besseren Fotos mache, wenn ich derjenige bin, der die Vorgaben macht, machen muss, und deshalb immer genau um die Einstellungen der Kamera weiß.)

Foto der M9 von Leica

Die M9 folgt grundsätzlich dem händischen Bedienungsansatz: Blende, Verschlusszeit, Entfernung, Empfindlichkeit, Betriebszustand (Knopf „INFO“ = restliche Akku- und Kartenkapazität, verbleibende Aufnahmen …) und Vorgaben (Knopf „SET“ = Weißabgleich, Belichtungskorrektur usw.) – für die wichtigsten Einstellungen gibt es einen Knopf oder Drehring. Das Kamera-Setup-Menü ist übersichtlich und auch ohne Bedienungsanleitung auf Anhieb verständlich; eigene Einstellgruppen können in Benutzerprofilen gespeichert und schnell wieder abgerufen werden.

Der Auslöser kann von „Standard“ auf „Weich“ oder „Diskret“ umgestellt werden; auch die Kombination „Diskret & Weich“ ist möglich: Im Standardmodus liegt der Messwertspeicher auf dem ersten Druckpunkt; bei „Weich“ wird da schon ausgelöst (zu Lasten des nun fehlenden Messwertspeichers) und „Diskret“ spannt den Verschluss erst dann wieder, wenn der Auslöser losgelassen wird.

Die Empfindlichkeitsspanne reicht von ISO 80/19° – 2500/35°, wahlweise fest eingestellt oder automatisch von der Kamera gewählt – auch das keine rekordverdächtigen Werte, aber ausreichend. Wobei ich rein gar nichts dagegen hätte, wenn Leica in einer künftigen Firmware-Version diese Werte ein wenig hochschraubt.

Das Kamera-System

Die digitale Technik der M9 wurde im Auftrag von Leica bei Jenoptik entwickelt, Bildsensor ist der KAF-18500 von Kodak. Mit diesem 18-Megapixel-Sensor macht die M9 Aufnahmen mit 5270×3516 Pixeln, das entspricht einer Ausgabegröße von rund DIN A3 bei 300 dpi (ja, ich weiß: Könner bzw. bestimmte Ausbelichter können auch ganz hervorragende Ergebnisse mit 200 dpi etc. ausgeben, aber eine Zahl soll nunmal genannt sein, auf dass ein Maß existiere). Foto der Rückseite der M9 von LeicaUnd obzwar sich die Gelehrten noch über die exakte Zahl streiten, sind sie sich doch weitgehend einig darin, dass Kleinbildkameras ab ca. 10-12 Megapixeln hinsichtlich der Qualität jeden analogen Kleinbildfilm übertreffen (extrem niedrig empfindliche und hoch auflösende Schwarzweißfilme, in Spezialentwickler entwickelt, vielleicht noch ausgenommen). Will heißen: Wer glaubte, dass eine Film-Leica (oder auch jede andere analoge Kleinbildkamera) gut genug sei für ein ganzes Fotografenleben, der muss sich mittlerweile auch im Digitalen keine Sorgen mehr machen. Sicher, die Sensorauflösung wird weiter steigen, aber wir sind mittlerweile bei „sehr gut“ bis „hervorragend“ angelangt – das, was da noch kommen mag, lässt dann Fleisch für extreme Ausschnittvergrößerungen, muss aber wirklich nicht partout sein.

Damit ist nun auch Leica so richtig im digitalen Zeitalter angekommen: Kleinbild-Vollformatsensor mit 18,5 Megapixeln und der Möglichkeit, so ziemlich jedes jemals seit 1954 gebaute M-Objektiv auch zu verwenden. Ausnahmen sind das Hologon 8/15 mm, das Summicron 2/50 mm mit Naheinstellung und das Elmar 4/90 mm mit versenkbarem Tubus (Herstellungszeitraum 1954–1968); Vorsicht ist zudem bei älteren Objektiven mit versenkbarem Tubus geboten: sie sollten nur mit ausgezogenem Tubus angesetzt werden, da sonst Objektiv oder Kamera beschädigt werden können.

Die aktuell verfügbaren Brennweiten reichen von 16 mm bis 135 mm. Festbrennweiten, wohlgemerkt; Zoomobjektive gibt es nicht. Die Entfernungseinstellung endet im Nahbereich bei um 1 m – nichts für Makrofotografen. Leica folgt dabei folgender Nomenklatur: „Noctilux“ = Lichtstärke um 1,0, Summilux = Lichtstärke 1,4, Summicron = Lichtstärke 2, Summarit = Lichtstärke 2,5, Elmarit = Lichtstärke 2,8 und Elmar = Lichtstärke um 4.

Foto: thoMas

Leica nutzt bei der M9 eine kamerainterne Korrektur – codierte Objektive werden automatisch erkannt, nicht-codierte können entweder umgerüstet werden oder aber man stellt im Kameramenü jeweils ein, welches Objektiv gerade benutzt wird. Anhand der in der Kamera hinterlegten Daten für die verschiedenen Objektivtypen weiß dann die kamerainterne Software, was zu tun ist, und korrigiert namentlich den Randabfall der Helligkeit (Vignettierung), was ganz hervorragend funktioniert. Die Helligkeit übers Bildfeld wird gleichmäßiger gerechnet, das aber nicht auf Kosten der (Rand-)Schärfe. Die korrigierten Daten werden in JPEG wie DNG geschrieben; also auch in die Rohdaten hineingerechnet. Wem das, aus welchen Gründen auch immer, nicht gefällt, der kann die automatische Korrektur ausschalten.

Immer aktiv hingegen ist die Rauschkorrektur: Bei hohen Empfindlichkeiten bzw. dunklen Motiven rechnet die M9 automatisch das Rauschen heraus, was ca. ein, zwei Sekunden dauert. Mangels Vergleich mit unkorrigierten Aufnahmen vermag ich nicht zu sagen, ob das gut oder schlecht ist, will aber mal annehmen, dass sich die Leica-Softwareentwickler etwas dabei gedacht haben.

Was nun die Verwendung älterer M-Objektive angeht: Die sind so gut, wie sie sind. Auch bei Festbrennweiten hat die Objektiventwicklung durchaus noch Fortschritte gemacht, obwohl die schon seit etlichen Jahrzehnten gut bis hervorragend sind, und es darunter geniale Objektivrechnungen gibt, die kaum mehr verbesserungsfähig scheinen. Dennoch hat gerade Leica bei den M-Objektiven immer wieder noch einen draufgelegt: Das einst wahrlich nicht schlechte Summilux 1,4/35 mm etwa wurde durch die asphärische Version Summilux 1,4/35 mm ASPH. (erschienen um 1995) vor allem bei Offenblende nachgerade deklassiert. Beste Ergebnisse wird man also definitiv nur mit einigermaßen neuen Objektivrechnungen erhalten bzw. es empfiehlt sich andernfalls, um 2-3 Stufen abzublenden – Blende 5,6 ist, als Faustformel, meist die Blende, bei der ein Objektiv seine beste Leistung zeigt.

Der Foto-Apparat

Fotos, gemacht mit der M9, gehören unzweifelhaft in die Gruppe „hervorragend“. Die Bildqualität ist – vom Objektiv bis zum Sensor – Spitzenqualität. Wobei die JPEGs auf die Schnelle durchaus brauchbar sind (die Screenshots vom Kerzenleuchter weiter unten zeigen ein JPEG und schon das macht den Abstand zu Kleinformaten deutlich), das volle Potential aber steckt in den RAW-Dateien (die Leica als DNG speichert). Wer beste Ergebnisse will, der muss das DNG entwickeln. Zur Untermauerung des Gesehenen planen wir auch noch einen Testtafel-Test, der genauer Auskunft geben soll über die technische Qualität der M9, und wie sie sich schlägt gegen die Konkurrenz. Das wird in bewährter Weise Georg N. Nyman machen, Technik-Tests sind nicht so meine Sache. Wenn eine Kamera Fotos macht, bin ich schon zufrieden. Ist es ein – in meinen Augen – gutes Foto, dann bin ich glücklich. Nicht, dass mir technische Qualität gänzlich unwichtig wäre, ja ich vermag mich für hervorragende Leistungen nachgerade zu begeistern. Das Zeiss-Biogon 4,5/38 mm einer Hasselblad SWC etwa ist ein unglaublich gutes Weitwinkelobjektiv und auch das schon bei Offenblende hervorragende Foto der Oberseite der M9 von LeicaSummilux 1,4/35 mm (in der asphärischen Ausführung) benutzte ich ausgesprochen gerne an der M6, obwohl 35 mm sonst so gar nicht meine Brennweite ist. Andererseits habe ich mit dem Noctilux 1/50 mm (das neue 0,95er kenne ich nicht) und dem Planar 2/110 mm, deren objektive Leistung bei Offenblende allenfalls als „befriedigend“ beschrieben werden kann, ganz zauberhafte Fotos gemacht – die geringe Schärfentiefe und auch die „Weichzeichnung“ bei Offenblende trugen maßgeblich dazu bei. Für technisch perfekte Fotos musste dann halt auf 4 oder 5,6 abgeblendet werden.

Letztlich war und ist alles in eine Kette eingebunden, an deren Ende das fertige Bild steht und die so aussieht: Aufnahme – Entwicklung und Bearbeitung – Vergrößerung (bzw. Skalierung) – Ausgabe. Und so habe ich im Laufe der Zeit gelernt, die Einzelkomponenten zwar zu schätzen, deren Qualität auch einordnen zu können, aber letztlich ein Foto vorrangig danach zu beurteilen, ob das ein gutes Bild sein wird. Und da ist nun mal das gut gesehene und umgesetzte Motiv das A und O – der ganze Rest ist nur Mittel zum Zweck. Oder, um es mal so zu fassen: Wenn das Motiv stimmt, sind 12 „schlechte“ Megapixel aus der Digitalkompakten besser als die 24 „guten“ Megapixel bei einem öden Motiv.

Dennoch haben mich auch zwei, drei Dinge auf der technischen Seite interessiert. Unter anderem die Frage, wie genau die Scharfstellung mittels Messsucher in einer digitalen Leica funktioniert. Leica weist in der Bedienungsanleitung eigens darauf hin, dass die exakte Scharfstellung bei 135-mm-Objektiven aufgrund deren geringer Schärfentiefe bei Offenblende nicht garantiert werden könne und empfiehlt ein Abblenden um zwei Stufen. Das will erläutert und verstanden sein. Hier ein Beispiel mit dem Summarit 2,5/75 mm bei Offenblende; einmal das gesamte Motiv, dann der Ausschnitt. Hieran wird deutlich, was ich mit Schärfentiefe und mit dem „Spiel mit der Schärfentiefe“ meine – und was im Kleinbild möglich ist und an exakter Scharfstellung verlangt wird:
 

Foto: thoMas
 
 
Foto: thoMas
 
 
Foto: thoMas

Das (un)mögliche Spiel mit der Schärfentiefe: Je nach Aufnahmeformat bzw. Digitalkamerasystem fällt die Schärfentiefe beim selben Motiv ganz unterschiedlich aus. Oben: das komplette Motiv. Mitte: Ausschnitt, aufgenommen mit einer leichten Telebrennweite (75 mm) im Kleinbildformat bei Offenblende (2,5). Unten: Ausschnitt, leichte Telebrennweite (13,5 mm) einer digitalen Kompaktkamera bei Offenblende (4,8).
Faustformel: Je kürzer die Brennweite, umso größer die Schärfentiefe.
Beachten Sie: Das sind lediglich Screenshots – im Original fallen die Unterschiede zwischen den Systemen noch deutlicher aus.

 

Foto: thoMas

Die Scharfeinstellung sitzt exakt „auf den Punkt“ – Aufnahmeentfernung ca. 3,2 m, fokussiert wurde auf den Leuchterarm rechts hinten; der Leuchter ist ca. 38 cm tief. Im Vergleich dazu die Aufnahme mit einer Digitalkompakten (7 Megapixel), gleichfalls bei annähernder Offenblende 4,8 (die Aufnahme wurde farblich der Leica-Aufnahme angeglichen, da deren Weißabgleich sichtlich besser arbeitet). Damit keine Missverständnisse aufkommen: Das ist keine „schlechte“ Digitalkompakte – das ist Kompaktkameraniveau (ja, es geht ein wenig besser und auch schlechter, aber der deutliche Unterschied bleibt. Wer meint, dass mehr Kompakt-Megapixel besser wären, der irrt: Beste Bildqualität mit 6 Megapixeln!). Worum es hier aber eigentlich geht: Die digitalen Kompaktkameras mit ihren extrem kurzen Brennweiten (im Beispiel 6,7-20,1 mm entspr. 38-114 mm Kleinbild) mit meist moderater bis geringer Lichtstärke (Anfangsöffnung) zeigen kaum Schärfentiefe-Bereiche, sondern nur Schärfentiefe von vorn bis hinten (wobei deren große Schärfentiefe bei Nah- und Makrofotos ein großer Vorteil sein kann).

Ein konstruktionsbedingtes Problem, das Leica sehr gut in den Griff bekommen hat, ist das der Randabdunkelung. Aufgrund des fehlenden Spiegelkastens können M-Objektive weit ins Kameragehäuse hineinreichen, was Retrofokus-Konstruktionen unnötig macht und dem Konstrukteur eines Weitwinkelobjektivs weniger Beschränkungen auferlegt (er muss nicht das an einem virtuellen Brennweitenort erzeugte Bild per Optik weiter nach hinten in die Bildebene projizieren, sondern kann ein „echtes“ Weitwinkel rechnen, das direkt auf der Bildebene abbildet), was aber auch bedeutet, dass das Licht in den Randbereichen der Bildebene sehr schräg einfällt – was Sensoren gar nicht mögen bzw. woraufhin sie ein deutlich schwächeres Signal erfassen. Kodak hat die Mikrolinsen auf dem Sensor deshalb so angeordnet, dass sie zur Mitte hin weisen, um das einfallende Licht besser erfassen zu können. In einem weiteren Schritt, es klang an, korrigiert Leica mittels der kamerainternen Software die Randabdunkelung entsprechend des angesetzten Objektivs. Auch das klappt sehr gut.

Das Resümee

Man kann der Leica AG sicherlich vorwerfen, dass sie einstmalen in Teilen die Zeit verschlafen hat, sich modernen Techniken nicht schnell genug genähert hat. Belichtungsautomatik, Autofokus, digitale Spiegelreflex, … es gibt viele Baustellen, die brach liegen blieben.

Foto: thoMas

Ist also die M9 eine veraltete Kamera bzw. folgt sie einem Konzept, das hätte unbedingt weiterentwickelt werden sollen und müssen? Ich muss gestehen, dass ich mir eine M-Leica mit Autofokus oder Programmautomatik gar nicht so recht vorstellen mag – der satte Lauf von Scharfstell- und Blendenring wäre dann unweigerlich dahin (Motoren verlangen nach geringen Gewichten und Leichtgängigkeit) und auch die Haptik ist es, die den Umgang mit einer M ausmacht. Wer aus guten Gründen die Errungenschaften neuester Digitaltechnologien wünscht, wer hohe Serienbildgeschwindigkeiten, Film-Fähigkeiten, Echtzeitvorschau usw. benötigt, der findet Alternativen bei den Spiegelreflexherstellern und nicht zuletzt auch bei Four Thirds und Micro Four Thirds. Die neuen hochauflösenden elektronischen Sucher etwa verheißen aufregende Foto-Sichten.

Das Konzept der M9 aber – Messsucher, beste Objektive, manuelles Bedienungskonzept und damit immer wissen, was man getan hat und tut – ist geblieben, wie es war. Und das ist gut so.

Ich will es mal so formulieren: Wer aller Welt erzählt – erzählen muss: „Meine Kamera kann …“ für den ist die M9 mit Sicherheit die völlig falsche Kamera. Dazu kann sie zu vieles nicht, was heute vielen als unverzichtbar gilt und was auch mitunter den Vorgang des Fotografierens enorm erleichtern und auch verbessern kann. Wer allerdings seine Fotografierabsichten mit einem „Ich kann und will …“ beginnt, der findet hier ein einzigartiges Werkzeug, das eben Dinge kann und nahelegt, die sich so mit keiner anderen Kamera erschließen. Letztlich reduziert sich bei der M9 alles auf die Erwartungen des Fotografen. Wer formuliert: „Bei der muss ich alles einstellen“, der ist kein Kandidat für diese Kamera. Wer hingegen feststellt: „Bei der kann ich alles einstellen“, der sollte einen genaueren Blick auf sie werfen.

Und nein, zu den exorbitanten Preisen will ich diesmal nichts sagen. Oder nur so viel: Für manche Fotografen wird die M9 – samt der hervorragenden Objektive – genau das richtige Werkzeug sein. Denen wird sie jeden Cent wert sein. Für alle anderen ist sie viel zu teuer, weil sie sie nicht brauchen oder so nicht fotografieren. Einlassungen der Art „… aber die CaNiSoOl kann …“ gehen am Kern vorbei. Ich habe versucht, zu schildern, warum die M9 so ganz anders ist; genau richtig für die einen und völlig falsch für die anderen.

(thoMas)
 
 
Anmerkungen und Verweise:

 

Nachtrag (29.11.2009): Nachdem einige Schnell-Leser meinten, hier werde die M9 mit digitalen Kompaktkameras verglichen, wurde die Bildunterschrift zu den Screenshots ergänzt, um deutlicher zu machen, was damit gezeigt werden soll.