Der Herbstmonat Oktober ist klassischerweise der Monat mit den meisten Bücher-Neuerscheinungen. Das ist im Sektor Fotobuch nicht anders. Auf der Frankfurter Buchmesse haben die Verlage ihre neuen Preziosen vorgestellt. Wir präsentieren eine ganz und gar subjektive Auswahl von Büchern, die teilweise von sehenswerten Ausstellungen begleitet werden:
Aus: Thomas Graics, abstraction of nature
Die Abstraktionen der Natur sind es, die den Düsseldorfer Piloten und Fotografen Thomas Graics interessieren. Im Kerber Verlag ist jetzt sein Buch abstraction of nature – die Abstraktionen der Natur – erschienen, das Island aus der Luft zeigt. Der Blick aus der Vogelperspektive offenbart berauschende, ganz neue Einblicke: fotografische Bilder, die mehr an abstrakte Gemälde erinnern als an Naturfotografien.
Aus: Edy Brunner, Cielo in casa. © Edy Brunner
Thomas Graics fotografiert von oben nach unten. Ganz anders der 1943 in Bern geborene Edy Brunner. Dieser hat in seinem sehr edlen, bei Schwabe erschienenen Band „Cielo in casa. Himmel im Haus“ alte Kirchendecken im Valle Maggia im Tessin fotografiert. „Die Vorstellung, dass die kirchlichen Feierlichkeiten wie Taufe, Hochzeit und Abdankung über Hunderte von Jahren unter diesen Kirchendecken und Gewölben stattfanden, fasziniert mich“, sagt der Schweizer Fotograf und seine Bilder sind von stiller Anmut. Es ist eine neue Sichtweise auf Vertrautes, die nicht nur Foto-Freunde interessieren dürfte. Ein Prolog von Bruno Donati, dem ehemaligen Direktor des Museo di Vallemaggia, führt in die Geschichte des Tales und seiner Kirchen ein.
Aus: Michael von Graffenried, eye on africa. © Michael von Graffenried
Gleichfalls bei Schwabe erschienen ist das Buch „eye on africa“ von Michael von Graffenried. Fotografien aus Kamerun versammelt dieses ebenfalls hervorragend gedruckte Fotobuch, dessen Reisebericht von Albertine Bourget nicht minder lesenswert ist.
Aus: Cat Tuong Nguyen, Underdog Suite
Und noch ein Buch aus einem Schweizer Verlag: bei Scheidegger & Spiess erschien das Buch „Underdog Suite“ des 1969 geborenen vietnamesischen, in Zürich lebenden Fotokünstlers Cat Tuong Nguyen. Der Band versammelt Fotografien, Collagen und übermalte Fotografien aus den Jahren 1996 bis 2009. Der Verlag: „Cat Tuong Nguyens Bilder, so verspielt sie mitunter wirken, basieren auf existenziellen Erfahrungen wie Auswanderung, Integration in ein neues Land und Sicht auf eine andere Gesellschaft und Kultur. Das verleiht ihnen Brisanz … Underdog Suite ist keine gewöhnliche Monografie, sondern ein von Cat Tuong Nguyen selbst zusammengestellter Bilderreigen ein Kunstwerk in Buchform.“ Eine phantasievolle, assoziative Bilder-Collage mit vielen versteckten Referenzen und Zitaten.
Doch nicht nur neue Bücher erscheinen. Auch neue Zeitschriften treten ans Licht der Welt. Eine ganz besondere ist „Zimmer 117. Magazin für Fotografie“. Ein Heft voller „emotionaler Bilder, die Sequenzen aus dem Leben zeigen.“ Limitiert auf 400 Exemplare, einzeln nummeriert. Vorgestellt werden ein Dutzend junger Fotografen und Fotografinnen. Wir wünschen viel Erfolg!
Thomas Demand, 1964 geboren, ist ein Künstler, dem man keinen Erfolg mehr wünschen muss: Er hat ihn schon. In seinem neuen Buch „Nationalgalerie“ führt er seine fotografische Strategie im großen Stil vor. Das Buch versammelt Demands Foto-Modell-Arbeiten zur deutschen Geschichte seit 1945. Ein Deutschlandbild, mit dem Demand zu einem der wichtigsten deutschen Fotokünstler gerade im Ausland avancieren konnte. Das hat seinen Grund auch darin, dass er wie kaum ein anderer Foto- und Medienkünstler die deutsche Geschichte zum Ausgangspunkt seiner Arbeit macht.
Aus: Thomas Demand, Nationalgalerie
„Öffentliche Bilder“ der Deutschen stellt Demand nach, konstruiert aus Pappe und Papier etwa ein Stasi-Büro, das Archiv von Lehni Riefenstahl, Robert Lembkes Ratestudio, das Badezimmer des toten Uwe Barschel, die Reemtsma-Entführung oder gar das „Führerhauptquartier“ auf der Wolfschanze neu um die Modelle später mit der Großformatkamera perfekt ausgeleuchtet fotografisch zu inszenieren. Der Effekt ist verblüffend: Beinahe computeranimiert muten Demands Modellfotografien an, die auf Details und Menschen ganz verzichten. Kühl, über-real und dem Jetzt entrückt. Noch bis zum 17. Januar 2010 zeigt die Neue Nationalgalerie in Berlin die erste große deutsche Einzelausstellung Demands.
Aus: Beate Gütschow, S
Beate Gütschows Buch „S“, erschienen bei Hatje Cantz, verfolgt eine ähnliche Art der Irritation. Auch die Fotoarbeiten der 1970 in Mainz geborenen Künstlerin sind nicht, was sie vorgeben zu sein. Zuerst wirken die großformatigen Schwarzweiß-Fotografien wie Dokumentationen von Städten. Doch sie sind ganz und gar fiktiv: digitale Montagen aus einer Vielzahl an Fotos, welche auf Reisen entstehen und später zusammengefügt werden. Ein klassisches Thema der Fotografie: Die Hinterfragung des Mediums als Träger von Wirklichkeit. „Ich denke, es geht darum, dass man Bilder nicht als endgültige Festschreibung begreift, dass diese Festschreibungen sogar gefährlich sein können, weil sie eine Sicht der Dinge behaupten“, sagt Beate Gütschow. Noch bis zum 17. Januar 2010 zeigen die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden ihre Arbeiten.
(Marc Peschke)