Der Stadtschreiber Hanns Porst gründete am 1. Juli 1919 ein Fotofachgeschäft in Nürnberg, das bald „Deutschlands größtes Photohaus“, dann gar „der Welt größtes Photohaus“ wurde und das sein Sohn Hannsheinz Porst in den 1970ern an die Mitarbeiter übergab. Mit deren Führungsqualitäten allerdings stand es nicht zum Besten:
Erstes Fotofachgeschäft, 1919
Mit einem einfachen Fotohandelsgeschäft in Nürnberg legte der am 9.2.1896 geborene Stadtschreiber Hanns Porst nach seiner Rückkehr aus dem 1. Weltkrieg im Jahre 1919 in seiner Heimatstadt Nürnberg den Grundstein der Marke „Photo Porst“. Die ersten fotografischen Kenntnisse soll der junge Hanns Porst vom Untermieter seiner Eltern erworben haben, der ihm auch das Wissen um die Entwicklung der Bilder in der Dunkelkammer vermittelt haben soll. Mit dem ersten, als Zeitungsjunge verdienten Geld erwarb er seine erste Kamera, mit der er schon im Alter von 15 Jahren bei allerlei Veranstaltungen fotografierte, die Bilder verkaufte und mit dem verdienten Geld seine Kameraausrüstung weiter ausbaute.
Das teilweise geliehene Startkapital für das stationäre Ladengeschäft „Photo Haus Porst“ betrug 600 Goldmark. Nachdem das Unternehmen zu Beginn nur aus dem Gründer selbst bestand, konnte im Folgejahr dann die erste Mitarbeiterin eingestellt werden. Da die Nachfrage nach Fotoprodukten offensichtlich noch zu wünschen übrig ließ, begann Porst 1921 mit der Durchführung von Fotokursen. Die Idee, dass erfolgreiche Kursteilnehmer auch gute Kunden bei Porst würden, trug erste Früchte und kurbelten den Umsatz des Unternehmens an, so dass 1923 ein größeres Ladenlokal am Nürnberger Hauptmarkt eröffnet werden konnte.
Im Folgejahr wurde eine Filiale in der Augustinerstraße eröffnet und der erste Porst-Photokatalog mit damals noch 50 Seiten erschien in einer Auflage von 5000 Stück. Die Folgejahre waren von mehreren Erweiterungen geprägt und 1928 erreichte der Umsatz nach 1 Mio im Vorjahr schon 2,5 Mio Mark.
Mit dem Aufbau eines eigenen Versandhandels erhielt Photo Porst einen weiteren Wachstumsschub. Dabei lag der Ursprung dieser Idee wohl in einer Fehleinschätzung der Absatzmöglichkeiten für hochwertige Plattenkameras begründet. Um nicht auf dem Lagerbestand sitzen zu bleiben, bot Porst die Kameras mit einer Teilzahlungsfinanzierung an. 10 % des Kaufpreises mussten als Anzahlung geleistet werden, der Rest konnte in Monatsraten abgestottert werden. Dieses Angebot stieß auch jenseits der Nürnberger Stadtgrenzen auf Interesse. Porst ergriff die Gelegenheit und baute den Versandhandel weiter aus. Mit inzwischen schon 200 Angestellten nannte sich Porst im Jahre 1929 „Deutschlands größtes Photohaus. Zusätzlich zu den Fotokursen wurde 1931 die erste Kundenreise mit insgesamt 1300 Kunden veranstaltet.
Mit der im gleichen Jahr begonnenen Einführung der eigenen Hausmarke HAPO (Hanns Porst) entzog Porst einen Teil seines Sortiments dem direkten Preisvergleich mit dem Wettbewerb. Die Hausmarken-Kameras wurden zwar bei den üblichen Markenherstellern wie Agfa, Balda, Braun, Dacora, Franka und Adox produziert, waren jedoch teilweise anders ausgestattet. Die Marke HAPO wird bis in die 1950er Jahre fortgeführt und dann durch die Marke Porst ersetzt. Nach dem Niedergang vieler westdeutscher Hersteller bezog Porst seine Kameras von den verbliebenen wie der Regula King KG in Bad Liebenzell, von Pentacon in Dresden und in zunehmendem Maße aus Japan, wo damals weniger bekannte Hersteller wie Cosina und die später von Kodak übernommene Chinon ebenso zu den Lieferanten zählten wie die Markenhersteller Fuji, Mamiya und Yashica. Unter der Regie der Interdiscount wurde später in erster Linie deren Marke Carena genutzt. Im Jahre 1932 wurde aus Deutschlands größtem Photohaus schon „der Welt größtes Photohaus“.
Hauptladen von Photo Porst am Lorenzplatz in Nürnberg
Bei einer auf 180 Angestellten reduzierten Mitarbeiterzahl erreichte das Unternehmen 1935 einen Umsatz von etwa 6 Millionen Mark. (Hier nun schweigt der Chronist über 10 dunkle Jahre lang, denn darüber liegen uns keine belastbaren, aber auch keine belastenden, Informationen vor.) Nach der vollständigen Zerstörung der Firmengebäude im Jahre 1945 bestand das Startkapital für den Neuanfang aus 130.000 Kundenadressen, von denen jedoch keiner genau wusste, ob dort noch jemand anzutreffen war. Wie schon nach der Gründung des Unternehmens nach dem 1. Weltkrieg erlebte Porst auch nach dem 2. Weltkrieg einen kräftigen Aufschwung. Schon 1948 erreichte der Umsatz wieder die Millionen-Marke.
Grafik aus einem Katalog von Photo Porst, um 1955
Für seine Mitarbeiter konnte der als sehr sozial eingestellt geltende Porst in diesem Jahr über 300 Firmenwohnungen bauen. Um gegenüber dem stationären Handel mehr Präsenz zeigen zu können, wurden zwei Busse als Ausstellungswagen ausgebaut und auf die Reise geschickt. Im Jahre 1954 konnte mit einer HAPO 36 die einhunderttausendste Eigenmarken-Kamera an den tausendsten Mitarbeiter überreicht werden. 1956 erhielt Hanns Porst das Bundesverdienstkreuz und übergab 1960 die Leitung des Unternehmens an seinen Sohn Hannsheinz.
Mit dem Erfolg von Photo Porst traten auch neue Wettbewerber auf den Plan. Neben dem 1957 unter der Initiative von Lothar Schmechtig gegründeten Quelle-Ableger Foto Quelle, stieg damals auch der Quelle-Konkurrent Neckermann Versand in den Konkurrenzkampf um die Fotokunden ein. Um dem durch die neuen Wettbewerber im Versandhandel entstandenen Druck zu begegnen, begann Porst 1964 mit dem Aufbau einer eigenen Ladenkette und der Ergänzung durch ein Franchise-System und ergänzte das eigene Dienstleistungsangebot 1965 mit dem Aufbau eines eigenen Großlabors, der Porst Bilderfabrik.
Im Gegensatz zu seinem Vater hatte Hannsheinz Porst ein deutlich kritischeres Verhältnis zur Obrigkeit, was ihm letztlich zwei Verhaftungen einbrachte. Das erste Mal wurde er 1964 wegen Verdachts auf Steuerhinterziehung für drei Wochen inhaftiert. Im Februar des Jahres 1968 erfolgte dann eine zweite Festnahme von Porst. Der Anlass war diesmal Spionageverdacht. Seine zahlreichen Einkaufsreisen in den sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat hatten ihm viele Kontakte gebracht, unter anderem auch die wohl weitgehend unvermeidlichen zur Staatssicherheit der DDR. Als IM der Stasi wollte er nun zur Annäherung der beiden deutschen Staaten beitragen. Im Westen Mitglied der FDP war er gleichzeitig SED-Mitglied im Osten.
Ob Porst tatsächlich für die DDR spionierte und wenn ja, in welchen Bereichen und welchem Umfang, wurde damals nicht weiter bekannt. In Ostberlin wollte man sich offensichtlich in erster Linie Optionen sichern. So war in der DDR die Idee entstanden, die vom Porst gehörenden Deutschen Supplement Verlag produzierte und noch heute existierende Zeitschrift rtv – einem wöchentlichen Zeitungsbeileger für das laufende Fernseh- und Rundfunk-Programm – dazu zu nutzen, in Westdeutschland ein Sprachrohr für die Ideen des Sozialismus zu haben. Genutzt wurde diese Option nie, die rtv blieb brav und bieder. (Siehe auch: Hannsheinz Porst: „Ich bin Millionär und Marxist“)
Porst hatte aus seiner ersten Verhaftung die Konsequenzen gezogen und den Kodak-Verkaufsleiter Dieter Reiber als Geschäftsführer ins Haus geholt, um die Kontinuität der Geschäftsführung bei einer erneuten Verhaftung zu sichern. Dennoch sah sich die Porst-Gruppe durch die Verhaftung von Hannsheinz Porst unerwarteten Schwierigkeiten ausgesetzt. Das zu Porst zählende Nürnberger Unternehmen Eurocop GmbH arbeitete u.a. im Bereich der Schulfotografie. Mitarbeiter des Unternehmens fotografierten Schüler während der Schulzeit und boten die Bilder den Eltern dann zum Kauf an. Für diese Tätigkeit benötigte die Eurocop eine Genehmigung der zuständigen Schulbehörden, die in einzelnen Gebieten nach der Verhaftung von Porst jedoch zurückgezogen wurde. Die dahinter steckende Logik ist wohl nur aus der damaligen Hysterie des kalten Krieges zu erklären: den Behörden genügte der Verdacht der Spionage für die DDR durch den Eigentümer, um dem Unternehmen eine Geschäftsgrundlage zu entziehen, die mit dem Spionagevorwurf in keinem Zusammenhang stand. Die Zeit schrieb damals: „Man fasst sich an den Kopf und guckt auf den Kalender. Wir schreiben das Jahr 1967 und nicht das Jahr 1937.
Zu einer Zeit, als in der BRD ein DKP-Mitglied wegen der hoheitlichen Aufgaben als Briefzusteller noch nicht einmal als Briefträger bei der Post arbeiten durfte, brachte das Doppelleben des Hannsheinz Porst eine Geldstrafe von 10.000 DM und zwei Jahre Haft, die Porst bis 1970 absitzen musste. Das 50-jährige Firmenjubiläum im Jahre 1969 verbrachte Porst offensichtlich hinter Gittern. Aber auch die Haftstrafe konnte Porst letztlich nicht davon abhalten, im Oktober 1972 mit dem Umbau seines Unternehmens in einen sozialistischen Betrieb zu beginnen. Zuerst wurde die „totale Mitbestimmung“ eingeführt, bei der die Mitarbeiter ihre Vorgesetzten wählen und auch abwählen konnten. Im zweiten Schritt wurde eine Mitarbeitergesellschaft gegründet, an die das Unternehmen in der Folge übertragen wurde.
Der Verwirklichung sozialistischer Ideen auf der einen Seite stand die weitere Optimierung des Marketings auf der anderen gegenüber. Waren die Abzüge aus dem Labor bislang einfach Bilder, so wurde aus dem generischen Produkt im Jahre 1975 das Markenprodukt, das Porst Königsbild. Später wurden die Bilder dann teilweise mit einem Magnetstreifen auf der Bildrückseite versehen zum Tonbild, für das es einfache Abspielgeräte gab, durch die man die Bilder zum Abspielen des Tons durchziehen musste.
Zum Ende der 1970er Jahre zog sich Porst vollständig aus dem Unternehmen zurück. Porst, der den Niedergang der deutschen Fotowirtschaft aus nächster Nähe verfolgen konnte, versuchte im Jahre 1981, als die Rollei-Werke Franke & Heidecke nach dem gescheiterten Abenteuer in Singapur vor dem Aus standen, eine rettende Übernahme, die jedoch scheiterte und im Liquidationsvergleich endete. Im Folgejahr scheiterte auch die die Porst-Mitarbeiter-Gesellschaft und Hannsheinz Porst beteiligte sich wieder an dem Unternehmen.
Die Kapital-Mehrheit übernahm jedoch die schweizerische Interdiscount. Interdiscount war eine 1970 gegründete Handelsgesellschaft, die zum damaligen Zeitpunkt auch die Markenrechte an „Carena“ besaß. Die Marke Carena gehörte ursprünglich einem Hersteller von Schmalfilmkameras in Vaduz, Liechtenstein, der für kurze Zeit auch sein Glück als Hersteller von Kleinbild-Spiegelreflexkameras versucht hatte. Zeitweise waren wohl auch die Namensrechte der Exakta-Kameras im Westen in der Hand von Interdiscount oder ihren Gesellschaftern.
Trotz aller Widrigkeiten in der Geschichte von Photo Porst schien der Aufstieg des Unternehmens auch unter der Regie von Interdiscount kaum zu bremsen zu sein. 1986 erfolgt die Gründung der Porst AG und das Unternehmen verfügte nun über 2137 Verkaufsstellen. Hannsheinz Porst war inzwischen nur noch Mitglied des Aufsichtsrats und schied später ganz aus.
1994 wurde das Jubiläum – 75 Jahre Photo Porst – groß gefeiert. Das Unternehmen hatte nun 2500 Mitarbeiter, verfügte über 200 eigene Filialen, insgesamt 2620 Vertriebsstellen und erwirtschaftete einen Umsatz von fast 1 Milliarde DM. Doch die Freude währte nicht lange: schon 1996 steckte die Porst AG in massiven wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Es soll ein Jahresverlust von 28 Mio. DM aufgelaufen sein. Die Interdiscount Holding stieß die Porst AG daraufhin für 100 Mio. DM an die belgische Spector Photo Group NV ab und reduzierte sich selbst auf einen leeren Firmenmantel. Dieser tauchte dann später als Distefora AG (Distribution Television, Foto, Radio) im Zusammenhang mit den Aktivitäten des Verlagserben Alexander Falk wieder auf. Die Namensrechte an der Interdiscount waren 1996 mit dem schweizerischen Handelsgeschäft an die Coop Schweiz verkauft worden.
Die seit 1989 mit Unterstützung des Beratungsunternehmens Roland Berger erfolgten Maßnahmen zur Restrukturierung und Sanierung des Unternehmens griffen offensichtlich nicht und so übernahm im Februar 2001 die PixelNet AG die Photo Porst AG zum Preis von 1 DM. Mit mehr als 2000 Geschäften, die meisten davon von Franchisenehmern geführt, zählte Porst zu den bekanntesten Namen der deutschen Fotobranche und hatte fast 10% Anteil am nationalen Bildermarkt, aber keinen wirtschaftlichen Erfolg mehr.
2002 meldete die Photo Porst AG Insolvenz an. Kurz darauf gingen auch die neue Mutter PixelNet AG und deren Tochter Orwo in die Insolvenz. Die Rechte am Bildergeschäft sowie die Porst-Bilderfabrik in Schwabach wurden von Kodak übernommen. Kaum zwei Jahre später wurde das Labor in Schwabach mit über 230 Mitarbeitern als Folge der Insolvenz der ehemaligen Kodak-Labore im April 2004 geschlossen.
Auch der Versand und alle zentralen Aktivitäten einschließlich der Filialen und Vertriebsstellen der alten Photo Porst AG wurden als Folge der Insolvenz von 2002 beendet und aufgelöst. Bis heute überlebt hat in der Hauptsache der Name Photo Porst, dessen Rechte 2002 an die Ringfoto Gruppe übergegangen waren und die den Namen nun gewissermaßen in 3. Generation fortführt. Heute nutzen insgesamt 163 selbstständige Fotohändler mit 240 Vertriebsstellen und ca. 500 Depots den Namen Photo Porst unter dem Dach der Ringfoto-Gruppe.
Photo Porst feiert das Jubiläum in diesem Jahr ab dem 1. Juli mit speziellen Aktionsangeboten unter dem Motto „Happy Birthday PHOTO PORST! Eine Marke wird 90!“.
(CJ)
Siehe auch:
Das Unternehmen Photo Porst
Porst Hausmarken